Aumühle. Anlass ist Reichsgründung vor 150 Jahren in Versailles. Museum bereitet sich wegen der Pandemie darauf vor, Exponate digital zu zeigen.

Die Museen sind zwar derzeit geschlossen, doch das heißt nicht, dass dort nicht mehr gearbeitet wird. „Wir sind eben nicht nur Ausstellung, sondern noch viel mehr“, erklärt Prof. Ulrich Lappenküper, Geschäftsführer der Otto-von-Bismarck-Stiftung. Die wesentlichen Aufgaben der Stiftung seien die wissenschaftliche Forschung, die historisch-politische Bildungsarbeit und die museumspädagogische Arbeit.

Fotograf nimmt etwa 900 Objekte auf

Aktuell bereiten die Mitarbeiter der Stiftung eine große Ausstellung zum 150. Gründungsjahr des deutschen Reiches vor, die voraussichtlich online laufen muss: „18.1.1871: Reichsgründung in Versailles. Ort – Ereignis – Gedächtnis“. Die Eröffnung ist für den 16. Mai 2021 in der Stiftung und im Bismarck-Museum geplant. „Doch niemand weiß, wie viele Gäste kommen dürfen“, stellt Lappenküper fest.

Deshalb ist jetzt gerade Fotograf Jürgen Hollweg am Werk. Er nimmt an die 900 Exponate für die digitale Ausstellung und eine langfristig geplante Online-Biografie auf. Das ist der Vorteil des Lockdowns: Zurzeit kann er sich in der Ausstellung frei bewegen und seine Fotoausrüstung aufbauen, ohne Besucher zu stören. „Ich habe das gesamte Wochenende durchgearbeitet“, erzählt er. „So komme ich schnell voran.“

Es geht um die Wurzeln der Demokratie

Seine Arbeit kostet Zeit und Geld „Glücklicherweise hat man uns die dafür beantragten 10.000 Euro bewilligt“, berichtet Ulrich Lappenküper. Als Bundesstiftung wird die Bismarck-Stiftung zu 100 Prozent aus Bundesmitteln finanziert. Sondermittel wie diese beantragt die Stiftung bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). „Andere Museen, besonders die großen Häuser, sind uns bei der Digitalisierung voraus“, sagt der Wissenschaftler. Vor dem Hintergrund des ersten Shutdowns haben er und sein Team sich überlegt, wie sie die Objekte der Stiftung und des Museums auch während einer Schließung öffentlich zugänglich machen können. „Wir haben keine Angst, uns selbst das Publikum abspenstig zu machen“, erläutert der Historiker. „Im Gegenteil, wir hoffen auf eine Öffentlichkeit, die wir bisher noch gar nicht erreicht haben.“

Inhaltlich wird in der Ausstellung nicht etwa der Bismarck-Mythos gefeiert: „Es geht um die Wurzeln der Demokratie im 19. Jahrhundert“, erklärt Ulrich Lappenküper. „Das, was viele Deutsche bejubelt haben, hat auch Leid verursacht. Für Frankreich bedeutete die Gründung in Versailles nichts anderes als eine Demütigung.“

Schau wird von Bildungsprogramm begleitet

Nathalie Wohlleben, Sprecherin der Stiftung, ergänzt: Auch die französische und die europäische Perspektive spielen eine Rolle.“ Diese Schattenseiten, das Misstrauen gegenüber dem ersten großen deutschen Nationalstaat, werden in der von Dr. Maik Ohnezeit kuratierten Ausstellung ebenso berücksichtigt wie die wichtigen Schritte auf dem Weg zur Demokratie. So habe die Reichsgründung auch den Weg zum Sozialstaat geebnet. „Diese Maßnahmen, die Bismarck damals in Gesetze gegossen hat, waren nicht nur in der damaligen Zeit vorbildhaft.“ Der Föderalismus habe bereits die Kaiserzeit geprägt, auch die Rechtsstaatlichkeit, das erste Parlament und die Pressefreiheit waren frühe demokratische Elemente. Lappenküper: „Klar war es noch keine Demokratie, aber in der Verfassung – in Text und Wirklichkeit – waren diese Elemente umgesetzt.“

Die neue Ausstellung, in deren Zentrum das Gemälde der Kaiserproklamation von Anton Werner steht, wird von einem umfassenden Bildungsprogramm für ein breites Publikum begleitet: mit Führungen, Vorträgen, Lesungen, Filmen, wissenschaftlichen Konferenzen und einem Katalog. „Wir hoffen, dass uns die Pandemie keinen Strich durch die Rechnung macht“, sagt Lappenküper. „Wir müssen flexibel bleiben und es so handhaben, wie es uns die Rahmenbedingungen erlauben.“ Der Jurist Prof. Christoph Schönberger von der Uni Konstanz, Autor eines Buches über die Reichsbürger, hat bereits zugesagt.