Wentorf. Greifvogeltag: Kinder ab fünf Jahren lernen die Falknerei kennen. Die Kleinen dürfen die Tiere sogar selbst halten und füttern.
Lautlos kommt er von hinten herangerauscht – allerdings ist es nicht weiter wild, wenn so ein Harrishawk, ein Wüstenbussard oder amerikanischer Habicht, einen von hinten im Flug anrempelt: Seine Federn sind seidenweich. Wer sich Beau, so heißt der faszinierende Greifvogel, in die Flugbahn stellt, muss mit so etwas rechnen. Er hatte bereits das Stück Putenfleisch auf dem Handschuh im Visier. Das ist längst verzehrt, er wedelt aufgeregt mit seinen Schwanzfedern, den nächsten Leckerbissen im Blick und zack ist er auf der nächsten Hand gelandet, diesmal auf der der kleinen Rosa.
„Wenn er so mit den Schwanzfedern wackelt, ist das ähnlich wie beim Hund“, erläutert Falknerin Klaudia Brommund. „So drückt er seine Freude und sein Wohlbefinden aus.“ Die fünfjährige Rosa war zuerst etwas zaghaft, als die Greifvogelchefin ihr die Eule Shari, später dann den Habicht Beau auf die Hand setzen wollte. Doch als sie sieht, wie der imponierende Vogel auf der freien Wiese von einem Handschuh zum nächsten oder auf Geheiß seiner Chefin auf einen Ast fliegt, ohne dass er zwickt, wächst sie über sich hinaus und läuft zur Falknerin. Diese soll auch ein Fleischstück auf ihren Handschuh legen. Mit Unterstützung von Klaudia Brommund hält sie Beau ihre Linke entgegen.
Uhus haben Tasthaare wie eine Katze
Wie man das macht, hat die Falknerin zu Beginn des Greifvogeltages in der Lohe erklärt: Jeder zieht einen Gummihandschuh an und einen der langen Lederhandschuhe darüber. So können uns auch die Waffen der „Grifftöter“ nichts anhaben. Diese töten ihre Beute im Gegensatz zu den Bisstötern mit den Krallen. „Die linke Hand zur Faust ballen, den Daumen oben halten und den Ellenbogen fest gegen den Körper“, erklärt Klaudia Brommund. „Wichtig: Die Hand nicht sinken lassen. Denn der Vogel wandert sonst Richtung Schulter, weil er sich am höchsten Punkt am sichersten fühlt.“ Da hört aber irgendwann der Handschuh auf. Autsch. Doch so weit lässt es die Falknerin nie kommen. Sie ist immer dort, wo es nötig wird.
Vier Greifvögel stellt sie nacheinander vor: Buntfalke Speedy, mit 85 Gramm „leichter aber größer als eine Tafel Schokolade“, wie Gastgeberin Verena Neuse von den Lerntieren erklärt. Shari, afrikanischer Flecken-Uhu, mit Scheinwerferaugen, Ohren wie ein Luchs und Tasthaaren wie eine Katze, Wüstenbussard Beau, Team-Jäger, dem das „Spazierenfliegen“ von einem Handschuh zum nächsten längst nicht ausreicht. Die Falknerin wedelt mit einem mit Fleisch gefüllten Federspiel herum, dass er erbeuten kann, damit er zufrieden ist.
Raubvögel lassen sich zu nichts zwingen
Zum Abschluss präsentiert sie Azul, den Blauadler. Mit 25 Jahren ist er älter, als er es in freier Wildbahn je werden würde. Der „Rentner“, der nicht mehr jagen muss, ist sehr erfahren im Umgang mit Menschen. „Er weiß, dass er von Menschen nichts zu befürchten hat“, erzählt Klaudia Brommund. „Daher ist er sehr ruhig und vorsichtig – ideal, um jungen Menschen die Falknerei näher zu bringen.“
In früheren Zeiten hätten junge Adlige ab etwa acht Jahren die Falknerei gelernt, erfahren, wie man nicht allein mit dem tierischen Gegenüber umgeht: „Denn Raubvögel kann man zu nichts zwingen“ erklärt die Expertin. „Über Hunger schon gar nicht. Das geht nur über positive Motivation.“ Verena Neue erklärt das so: „Die Greifvögel finden es einfach praktisch, mit Menschen zusammen zu sein.“ Am 5. Dezember bieten die beiden den Greifvogeltag erneut auf dem Hof der Lerntiere an (www.lerntiere.de oder Telefon 0172/40 62 954).