Reinbek . Freizeitbad verliert durch Corona mehr als 200.000 Euro. Die meisten Beschäftigten sind in Kurzarbeit. Eintrittspreise bleiben stabil.
Im Keller des Reinbeker Freizeitbads an der Hermann-Körner-Straße befinden sich Dutzende Geräte und Leitungen, zum Beispiel voluminöse Wasserfilter. Holger Kehl wartet an diesem Morgen bei seinem Kontrollgang eine Anlage. Der Geschäftsführer und Meister für Bäderbetriebe trägt einen blauen Pullover und eine Jeans. Die Shorts, die seine Kollegen und er bei der Beaufsichtigung von Gästen überstreifen, bleiben mindestens bis Ende dieses Monats im Schrank. Wegen der steigenden Infektionszahlen mit dem Coronavirus musste die Schwimmeinrichtung wie alle anderen hierzulande auch zum zweiten Mal in diesem Jahr schließen.
„2020 ist wirtschaftlich ein gebrauchtes Jahr“
An Arbeit mangelt es dem 54-Jährigen derzeit nicht, nur ist der Schwerpunkt ein anderer als vor dem erneuten Lockdown. Dieser setzt der Freizeitstätte ordentlich zu. Auf mehr als 200.000 Euro beziffert Kehl den Verlust durch die Pandemie. 2019 kamen 180.000 Gäste, in diesem Jahr bislang knapp 80.000. Ob im Dezember noch welche dazukommen, ist ungewiss.
„2020 ist wirtschaftlich ein gebrauchtes Jahr“, sagt Kehl, der seit 1992 im Betrieb ist und vor zehn Jahren den Chefposten bei der städtischen Tochtergesellschaft übernahm. In seiner Zeit hat er den maximal festgelegten Zuschuss der Stadt per anno in Höhe von 500.000 Euro nicht einmal ausschöpfen müssen. Das wird in diesem Jahr anders sein. Die Politiker müssen also zusätzliches Geld bewilligen.
Ins Hygienekonzept wurden 10.000 Euro investiert
Wenn der Geschäftsführer über seine Bemühungen spricht, für die Sicherheit der Gäste zu sorgen, merkt man ihm die Enttäuschung über die erneute Zwangsschließung an. 10.000 Euro hat das Bad in das Hygienekonzept investiert, dieses dreimal überarbeitet. Es wurden unter anderem Bodenmarkierungen zwecks Abstand angebracht, Trennwände als Spuckschutz installiert und Schilder aufgestellt. Zudem galt Maskenpflicht im Eingangsbereich und in Teilen der Umkleide. „Wir hatten hier keine Infektionskettenverfolgung, konnten die Abstandsregeln einhalten“, sagt Kehl. Auch bei anderen Bädern in Schleswig-Holstein hätten die Konzepte funktioniert.
Eine Sache versteht der Schwimmexperte überhaupt nicht: „Wie kann es sein, dass Unterricht im Schulgebäude stattfindet, die Schulschwimmkurse hier aber nicht weiterlaufen.“ Die Kinder seien vom anderen Publikum stets getrennt gewesen. Nicht zu vergessen der Ein-Bahn-Abstand zwischen den sogenannten einzelnen Kohorten.
Elf von 14 Mitarbeitern sind zu Hause
Das 1979 eröffnete Schwimmbad mit 70-Meter-Rutsche, Ein- und Drei-Meter-Sprungbrett, Außen- sowie Kleinkinderbereich, Sauna und Solarium wird von 34 Gruppen genutzt. Darunter sind Vereine, die Rheumaliga, der Reservistenverband, die Bundeswehr und Behindertentreffs. Kehl schmerzt insbesondere der erneute Stopp der Schwimmkurse. „Kinder mussten nun nach März wieder unterbrechen. Da sind hier einige Tränen bei den Kleinen geflossen.“
Der Geschäftsführer ist jetzt mit der Rückfinanzierung der abgebrochenen Kurse und vermehrt mit Verwaltungsaufgaben beschäftigt. Dazu zählt die Erstellung des Monatsabschlusses und die Beantwortung von E-Mails. Auch betätigt er sich handwerklich, schmiert Pumpen. „Und ich putze die Anlage vom Dach bis zum Kellergeschoss.“ Von seinen 14 Mitarbeitern sind elf daheim und in Kurzarbeit. Sie sind nach öffentlichem Dienst bezahlt und erhalten jetzt 95 Prozent ihres Gehalts. „Der Rentenanteil ist aber geringer als sonst, die Abstriche sind in der Summe daher mehr als fünf Prozent“, so Kehl.
Täglicher Kontrollgang dauert 90 Minuten
Neben dem Geschäftsführer ist noch eine Verwaltungskraft vor Ort, ein Auszubildender sowie der stellvertretende Betriebsleiter Thomas Mertz. Letzterer arbeitet seit 1987 in Reinbek und ist gerade mit einem Laubsauger am Außenbecken im Einsatz. Der 56-Jährige wird an diesem Tag auch noch die Druckluftanlage entwässern, Zählerstände ablesen und Filter spülen. Kräfte wie ihm wird in der Ausbildung nicht nur der Umgang mit Gästen inklusive der Anleitung zum Schwimmenlernen vermittelt. Fachangestellte für Bäderbetriebe erlangen auch Kenntnisse über Technik und Wartung von Anlagen. Mertz repariert zudem Schlösser in den Umkleidekabinen. Im Werkzeugraum, der sich im Keller befindet, hängen Drehschlüssel in diversen Größen. Kleinere handwerkliche Arbeiten erledigt das Schwimmbad-Team selbst. Das spart Geld.
Allein der tägliche Kontrollgang dauert 90 Minuten. Dabei wird zum Beispiel die Wasseraufbereitung gecheckt. Weitere Tätigkeiten in dieser Zeit: Pumpen drehen, Wasseranalyse, Prüfung des Chlorschaums und Leerung des Briefkastens. Die Anlage wird im betriebsbereiten Zustand gehalten.
Thomas Mertz hat demnächst Urlaub
Die Wassertemperatur im Hauptbecken ist derzeit von 29 auf 21 Grad Celsius heruntergekühlt. Es ist mit einer Million Litern gefüllt. Das Abpumpen würde vier Tage dauern, eine Neufüllung kostet 15.000 Euro. Das ist in Reinbek aber kein Thema.
Thomas Mertz hat demnächst Urlaub. Dann wird sein Chef mehr Zeit damit verbringen, auf Kontrollvisite zu gehen. Holger Kehl sagt: „Und wenn die Arbeit weniger wird, baue ich Überstunden ab.“ 100 hat er noch. Der Geschäftsführer erinnert sich noch an den Februar dieses Jahres mit der Rutschmeisterschaft. Es war die bislang letzte reguläre Veranstaltung. Bei dem beliebten Wettkampf kommen die Teilnehmer auch aus anderen Bundesländern wie Hessen und Nordrhein-Westfalen. In der Regel sind es rund 50. Mitte Dezember will der Geschäftsführer entscheiden, ob der für 2021 geplante Wettbewerb abgesagt wird.
Keine Preiserhöhung geplant
Das Freizeitbad hatte wegen der Pandemie seinen Betrieb am 14. März einstellen müssen und erst Ende Juni wieder geöffnet. Zuerst durften 65 Personen gleichzeitig die Anlage betreten, dann 115, 135 und zum Schluss 145. Vor Corona waren 200 bis 250 parallel zugegen. Mitunter kam es zu Wartezeiten. Kunden durften erst ins Bad, wenn andere es verließen. Insbesondere am vorvergangenen Sonntag, keine 24 Stunden vor der erneuten Zwangsschließung, ist das laut Kehl der Fall gewesen. Trotz der fehlenden Einnahmen plant er keine Preiserhöhungen fürs kommende Jahr.
Spätestens dann wird auch die neue Sole-Vital-Anlage in Betrieb gehen. „In einer Kabine wird medizinisches Salz mit Wasser vermischt und dann vernebelt. Das hilft bei Atemwegsbeschwerden“, sagt Thomas Mertz. Geld musste das Freizeitbad für die neue Attraktion übrigens nicht ausgeben. Weil die Firma dieses Produkt derzeit nicht auf Messen präsentieren und zum Verkauf anbieten kann, platzierte sie es in Reinbek. „Und wir teilen uns die Einnahmen“, sagt Kehl. Das sei das einzig Gute in Corona-Zeiten.