Reinbek. Der Reinbeker Rolf Beuck (74) fährt zurzeit als Passagier auf dem Containerschiff MS Ital Contessa. In unserer Zeitung schildert er regelmäßig seine Eindrücke. Jetzt wurde er Zeuge eines Piratenangriffs im Indischen Ozean.
Der indische Ozean gehört zu den gefährlichsten Gewässern der Welt. Erst vor wenigen Tagen ist das Frachtschiff „Beluga Nomination“ auf dem Weg Richtung Seychellen von Piraten gekapert, die Besatzung als Geiseln genommen worden. Zweieinhalb Tage bangten zwölf Seeleute im Sicherheitsraum um ihr Leben. Dass er selbst in eine ähnlich gefährliche Situation kommen könnte, hätte der Reinbeker Rolf Beuck niemals gedacht.
Der 74-Jährige hat vor zwei Wochen für mehr als zwei Monate als Passagier auf dem Containerriesen MS Ital Contessa angeheuert und berichtet unserer Zeitung regelmäßig von seinen Erlebnissen. Gestern funkte er SOS: „Mein Schiff, das derzeit zwischen dem Horn von Afrika in Somalia und den Malediven unterwegs ist, ist am Dienstag gegen 5.20 Uhr Ortszeit von Piraten angegriffen worden.“ Die MS Ital Contessa fährt unter deutscher Flagge, Heimathafen Hamburg, und ist Richtung Asien unterwegs.
Die Reederei NSB bestätigt gegenüber unserer Zeitung den ernsten Vorfall. „Das Schiff wurde im Indischen Ozean von Piraten angegriffen. Es wurde etwa 15 Minuten lang von einem Piratenboot mit 21 Knoten Geschwindigkeit verfolgt. Das Piraten-Mutterschiff folgte ihm mit zehn Knoten“.
Rolf Beuck hat dieser Angriff kalt erwischt. Er war zuvor sicher: „Eine Bordwand, die 14 Meter hoch ist und ein Schiff, das 25,5 Knoten fährt, ist zu extrem für die Piraten.“ Als er am Dienstag neben der dritten Offizierin auf der Brücke steht, beobachtet er jedoch auf dem Radarschirm ein nicht identifizierbares, kleines Schiff an Backbord, das langsam direkt Kurs auf die Contessa nimmt. „Das kleine Schiff, das auch ein Fischerboot hätte sein können, änderte plötzlich seine Geschwindigkeit von drei auf über neun Knoten“, berichtet er atemlos.
Der Kapitän erkennt sofort den Ernst der Lage, löst über den Bordlautsprecher Piratenalarm aus. Die Besatzung wird im Maschinenkontrollraum versammelt. Die Anweisung: „Alle Türen an Deck verschließen.“ Über den internationalen Notruf geht die Alarmierung auch an alle Schiffe in Umkreis von einigen hundert Meilen. Alle Offiziere und der Leitende Ingenieur sind in der Zwischenzeit auf der Brücke.
Rolf Beuck wird Augenzeuge, wie das Piratenschiff ein Schnellboot zu Wasser lässt und sich von schräg Achtern mit einer Geschwindigkeit von 10 Knoten dem Schiff nähert. „Das Schnellboot indes war mittlerweile nur noch drei Kilometer von uns entfernt“, schätzt der Weltenbummler. Mehrfach ändert der Kapitän den Kurs, erhöht die Geschwindigkeit auf bis zu 25,3 Knoten, umgerechnet rund 47 Stundenkilometer. Das Ziel: Das Schnellboot in das Schraubenfahrwasser zu bringen.
Während Rolf Beuck weiter durch sein Fernglas die Piraten im Blick behält und versucht herauszufinden, ob sie Waffen an Bord haben, schickt der erste Offizier Funkmeldungen an den nächsten Nato-Stützpunkt, auch an die Heimatreederei des Schiffes. Die Strategie des souverän handelnden Kapitäns scheint währenddessen aufzugehen „Bei der hohen Geschwindigkeit von mehr als 25 Knoten kann das Schnellboot nicht mithalten und dreht plötzlich ab“, berichtet Beuck. Die Erleichterung an Bord ist groß. Die Piraten geben auf, sehen ein, dass sie gegen diesen Stahlriesen ohne Chancen sind.
Etwa eine Stunde nach dem bedrohlichen Zwischenfall erreicht ein Kriegsschiff die Position der Piraten. Über ihr Schicksal ist derzeit nichts bekannt. Die MS Ital Contessa hat unterdessen ihre Fahrt Richtung Sri Lanka fortgesetzt.
„Die Reederei NSB hat aufgrund dieses Vorfalls ihre Flotte erneut darauf hingewiesen, die High Risk Areas mit maximal möglicher Geschwindigkeit zu passieren“, erklärt Reederei-Sprecherin Bettina Wiebe. Bislang sei die gesamte Flotte von Piratenangriffen verschont geblieben. Ein einzigartiges Ereignis ist es auch für den Reinbeker Rolf Beuck. Seine Meldung von Bord endet erleichtert mit den Worten: „Ein aufregender Tag heute.“