Bargteheide. Die ehemalige Bürgervorsteherin und erste Stadträtin Jutta Werner überzeugte auch als engagierte Friedensstifterin.

Zwei Tage nach dem Internationalen Frauentag geschieht an diesem Freitag, 10. März, Historisches in Bargteheide: Nach vier Männern wird Jutta Werner in einer Sondersitzung der Stadtvertretung ab 18 Uhr in der Aula der Dietrich-Bonhoeffer-Schule zur ersten Ehrenbürgerin der Stadt ernannt, deren Wurzeln bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen. Die 73-Jährige folgt auf Julius Gerken (1959), Michel Cozette (1985), Kurt Iden (2003) und Karl Eduard Claussen (2010). „Der Gedanke kommt mir noch immer vollkommen unwirklich und irgendwie fremd vor, mit solch einer Ehrung hätte ich im Traum nicht gerechnet“, sagte sie dem Abendblatt.

Dabei erscheint ihre Benennung geradezu logisch und folgerichtig. Werner, die von 1986 bis 2003 für die SPD in der Stadtvertretung saß, war 1992 nicht nur die erste Bürgervorsteherin der Stadt, sondern schon 1990 als Erste Stadträtin zugleich Stellvertreterin des Bürgermeisters und damit eine echte Vorkämpferin zum Aufbruch des Patriarchats in der Bargteheider Kommunalpolitik. „Seinerzeit war das doch alles sehr männerverkrustet, das muss man schon sagen“, so die gebürtige Hamburgerin mit einem Schmunzeln.

Vater Hans warnte vor Gang in die Politik

Dass sich die Steuerberaterin als Mittdreißigerin und alleinerziehende Mutter zweier Söhne mit Verve einmischte, hatte viel mit den SPD-Ikonen Willy Brandt und Helmut Schmidt zu tun, denen sie persönlich begegnet ist, und Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten, Björn Engholm, für den sie leidenschaftlich Wahlkampf gemacht hatte. „In den 1980er-Jahren erlebte die SPD einen Aufbruch. Es gab auch in Bargteheide einen dynamischen Ortsvorstand und wir konnten den zuvor lange dominierenden Christdemokraten erfolgreich Paroli bieten“, erinnert sich Jutta Werner.

Dabei hatte sie ihr Vater Hans ausdrücklich ermahnt, sich von der Politik fernzuhalten. Werners Großväter waren während des Dritten Reichs als Kommunist und Sozialdemokrat Repressalien ausgesetzt, die das Leben der Familien erheblich beeinflusste. Doch das Kämpfer-Gen in der taffen Hanseatin und deren Wille, in ihrer Heimatkommune etwas bewegen zu wollen, waren stärker.

Dreimal den eigenen Wahlkreis gewonnen

Gleich dreimal gewann sie ihren Wahlkreis direkt und verhalf ihrer Partei 1990 sogar zu einem Mandatspatt in der Stadtvertretung. Das führte zu der Übereinkunft mit der CDU, zur Hälfte der Wahlperiode die Funktion des Bürgervorstehers an die SPD zu übergeben, für die die Fraktion dann Jutta Werner benannte.

Mit Ehemann Rainer Wiegard beim Doppel-Jubiläum auf dem Erdbeerhof Glantz.
Mit Ehemann Rainer Wiegard beim Doppel-Jubiläum auf dem Erdbeerhof Glantz. © HA | Juergen Joost

Damit hatten sich die Gemeinsamkeiten dann aber auch fast schon erschöpft. Im kommunalpolitischen Alltag wurde gerungen und gestritten wie eh und je. Dabei bekam sich Jutta Werner gern auch mal mit einem Mann in die Haare, der mit ihr in die Stadtvertretung eingezogen war, allerdings für die CDU: Rainer Wiegard.

„Linke Socke“ und „schwarzer Zyniker“

„Am Anfang haben wir uns kräftig beharkt. Sie war eine linke Socke, und mich nannte sie einen schwarzen Zyniker“, hat Wiegard, der später zum Finanzminister des Landes aufstieg, dieser Zeitung einmal anvertraut. Für eine positive Entwicklung der Stadt mussten derweil Kompromisse gefunden werden, und dabei haben sich die beiden schätzen gelernt.

Im Juli 1999 läuteten schließlich die Hochzeitsglocken. Als überzeugender Beweis dafür, dass die Liebe scheinbar mühelos Grenzen überwinden kann. Am nördlichen Stadtrand bewohnen sie seit 1997 ein Haus mit Garten und einem Teich, in dem sich Kois tummeln, wenn nicht gerade Eisvogel und Reiher auf Raubzug sind.

Zum Schnorcheln ans Rote Meer

„Der Garten ist unsere Oase, unser Refugium. Hier entspannen wir bei einem guten Buch, einem Glas Wein oder einer Sitzung in der eigenen Sauna“, erzählt Jutta Werner. Wann immer es die Zeit zulässt, zieht es das Paar zudem in ihre Ferienwohnung in Scharbeutz. „Dort unternehmen wir dann lange Wanderungen und Radtouren an der Ostsee und träumen vom nächsten Urlaub“, so Werner.

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Die ehemalige Bürgervorsteherin Jutta Werner der Unterzeichnung des Verschwisterungsvertrags mit Żmigród am 8. September 2001 im Rathaus der polnischen Partnerstadt mit (v.r.) Bargteheides Bürgermeister Werner Mitsch, Żmigróds Bürgermeister Zdzisław Średniawski und Żmigróds Ratsvorsitzenden Ryszard Wojtkowiak.
Die ehemalige Bürgervorsteherin Jutta Werner der Unterzeichnung des Verschwisterungsvertrags mit Żmigród am 8. September 2001 im Rathaus der polnischen Partnerstadt mit (v.r.) Bargteheides Bürgermeister Werner Mitsch, Żmigróds Bürgermeister Zdzisław Średniawski und Żmigróds Ratsvorsitzenden Ryszard Wojtkowiak. © HA | Christof Leidner

Immer wieder zieht es die beiden zum Schnorcheln ans Rote Meer oder zu Städtereisen in den Nahen Osten, wo zuletzt Jordanien und Saudi-Arabien eindrucksvolle Destinationen waren. „Andere Länder und Kulturen kennenzulernen, hilft, einander besser zu verstehen und in Frieden miteinander zu leben“, sagt Jutta Werner.

Gründungsmitglied des Europavereins

Dafür hat sie viele Jahre auch im Europaverein Bargteheide gewirkt, zu deren Gründungsmitgliedern sie gehörte. Die engen Beziehungen zu den Partnerstädten Déville-lès-Rouen in Frankreich und Żmigród seien ihr immer eine Herzensangelegenheit gewesen. Umso verstörender findet sie, dass der Verein unter dem inzwischen zurückgetretenen Vorsitzenden Klaus Mairhöfer eine solch negative Entwicklung genommen habe und nun möglicherweise vor seiner Auflösung steht.

„Angesichts des Kriegs in der Ukraine ist das ein fatales Signal und stimmt mich traurig. Völkerverständigung ist heutzutage wichtiger denn je. Bei den Verschwisterungen haben wir gespürt, dass der Zweite Weltkrieg noch sehr gegenwärtig war und wie wichtig es gewesen ist, auf die Menschen in den Nachbarländern zuzugehen und ihnen die Hand zu reichen“, so Jutta Werner.

Frieden zu stiften, ist überhaupt ein Thema ihres Lebens. Seit 2003 ist sie Schiedsfrau der Stadt und inzwischen sogar Vorsitzende des Landesverbands. Es gehe darum, als Mediator zu schlichten, bevor sich die Streitenden vor Gericht treffen. „Oft geht es um typische Nachbarschaftskonflikte wie überhängende Äste, ausladende Hecken und Fallrohre, die das andere Grundstück unter Wasser setzen“, erklärt sie.

Im Bundesschnitt liegt die Erfolgsquote bei 50 Prozent. Dass sie in Bargteheide bei 75 bis 80 Prozent liegt, erfüllt Jutta Werner mit Stolz. „Es ist ein Erfolg für die Stadt und vor allem für ihre Bürger“, sagt sie. Ebenso wie 1990 die bahnbrechende Einführung der Gesamtschule, der heutigen Anne-Frank-Schule, an der sie maßgeblichen Anteil hatte, sowie die Ausweitung der Kita-Betreuungszeiten und der Offenen Ganztagsbetreuung, für die sie sich ebenfalls mit ganzer Kraft eingesetzt hat.