Bad Oldesloe. Vertreter der Heinrich-Sengelmann-Kliniken schlagen Alarm. Seit Jahren soll eine psychiatrische Tagesklinik gebaut werden. Woran es scheitert.
Mit einem eindringlichen Appell wandten sich Vertreter der Heinrich-Sengelmann-Kliniken im jüngsten Sozial- und Gesundheitsausschuss des Kreises Stormarn an die Politiker. Der Hintergrund: Seit Jahren beabsichtigt die gemeinnützige GmbH in Bad Oldesloe eine psychiatrische Tagesklinik zu errichten. Sie soll 15 Plätze für Kinder und Jugendliche und 20 Plätze für Erwachsene vorhalten und dazu beitragen, den dringenden Bedarf an Therapieplätzen in Stormarn zu decken.
Problem: „Wir suchen seit Jahren ein Baugrundstück in Bad Oldesloe und werden nicht fündig“, sagte Dr. Matthias Lemke, Chefarzt und ärztlicher Direktor der Heinrich-Sengelmann-Kliniken. Die Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik zählen zu den medizinischen Gesellschaften der Evangelischen Stiftung Alsterdorf.
Therapieplätze für Kinder: Lange Wartezeit in Stormarn – Lage dramatisch
Vier Tageskliniken betreibt die gGmbH neben dem Krankenhaus in Bargfeld-Stegen aktuell, drei davon in Stormarn. Sie befinden sich in Ahrensburg, Bargteheide und Reinbek. Doch: „Im Raum Bad Oldesloe wird das Angebot dem Bedarf bei Weitem nicht gerecht“, so Lemke. Der Bescheid vom Land zur Errichtung der Klinik liege seit mehr als zehn Jahren vor, es scheitere schlicht an der Suche nach einem geeigneten Standort.
Deutliche Worte auch von Geschäftsführerin Andrea Nielsen: „Wir haben alle Möglichkeiten ausgereizt und sind schier verzweifelt.“ Es gebe in Bad Oldesloe nicht viele Grundstücke, geschweige denn solche, die infrage kämen. Ein vermeintlich passendes befinde sich im Gewerbegebiet. Es sei jedoch eine gewerbliche Nutzung vorschrieben.
Verantwortliche der Heinrich-Sengelmann-Kliniken bitten Politik um Hilfe
Daher auch das Vorsprechen im Ausschuss: Die Verantwortlichen der Heinrich-Sengelmann-Kliniken erhoffen sich bei der Suche nach einem Grundstück Hilfe von der Politik. Joachim Wagner, Fraktionsvorsitzender der CDU Stormarn, bat um ein Anforderungsprofil mit Informationen darüber, was ein eventuelles Grundstück in Sachen Größe, Lage und mehr mitbringen sollte. Die Vertreter der Kliniken kündigten an, ein solches einzureichen.
Deutlich wurde im Ausschuss auch: Die Lage in Stormarn ist besonders im Bereich der Kinder und Jugendlichen mit psychischen Leiden mehr als angespannt. Sieben Monate oder länger warten Patienten aktuell auf einen Platz in einer Tagesklinik – für die Betroffenen eine prekäre Situation, die nicht selten zu einer Chronifizierung von psychischen Krankheiten wie Depressionen oder Angststörungen führt.
Gesundheitsbericht des Kreises Stormarn bestätigt dramatische Lage
Dass sich in dieser Sache in Stormarn etwas tun muss, zeigte der Gesundheitsbericht des Kreises Stormarn 2023, den Ilona Czinczoll, Leiterin des Fachdienstes Gesundheit, im Ausschuss vorstellte. Dem Themenbereich psychische Gesundheit ist im Bericht ein eigenes Kapitel gewidmet – inklusive eines Absatzes über die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Laut den Ausführungen haben die Corona-Pandemie, Lockdown, Homeoffice, geschlossene Schulen und Kitas Spuren hinterlassen und einen erheblichen Einfluss auf die psychische Gesundheit von Familien und 18- bis 30-Jährige. Auch die weltpolitische Lage, Krieg und gestiegene Lebenshaltungs- und Energiekosten seien für viele eine Belastung.
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„Besonders psychisch belastet waren und sind internationalen Studien zufolge vor allem Kinder und Jugendliche, sozial Benachteiligte, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit körperlichen und psychischen Vorerkrankungen, Hochbetagte in Pflegeheimen sowie Patienten mit Post-Covid-Syndrom“, heißt es im Bericht. Anfragen bei Psychiatern und Psychotherapeuten hätten sich nach der Pandemie fast verdoppelt.
Bei Kindern werden immer häufiger psychische Krankheiten diagnostiziert
„In den Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigung für Schleswig-Holstein ist eine zunehmende Bedeutung psychischer Störungen in der vertragsärztlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen zwischen 2011 und 2022 erkennbar“, so der Bericht. Bei jedem dritten bis vierten Kind in Schleswig-Holstein werde eine psychische Störung oder Verhaltensstörung diagnostiziert.
„Eine weitere Beobachtung der Entwicklung der psychischen Gesundheit im Kindes- und Jugendalter sowie gezielte Präventions- und Interventionsangebote sind daher von dringender Bedeutung. Dem öffentlichen Gesundheitsdienst als zentralem Akteur der Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung kommt dabei eine wesentliche Rolle zu“, so der Gesundheitsbericht des Kreises. Ilona Czinczoll wies eindringlich auf die unzureichende Versorgung für Kinder und Jugendliche mit psychischen Krankheiten hin und unterstütze deshalb die Bitte der Heinrich-Sengelmann-Kliniken „von ganzem Herzen“.