Lübeck/Oststeinbek. Oststeinbeker schlug und bedrohte einen Senior. Bei Verhandlung in Lübeck tischt er Lügengeschichte auf. Dann plötzlich die Kehrtwende.

Ein 54 Jahre alter Oststeinbeker muss sich seit Montag vor der III. Großen Strafkammer des Landgerichts Lübeck wegen räuberischer Erpressung verantworten. Er soll einen 84 Jahre alten Nachbarn in dessen Garage am Nachmittag des 10. Mai 2023 mehrfach ins Gesicht geschlagen und bedroht haben, um ihn dazu zu bringen, eine Zivilklage gegen seinen Bruder fallenzulassen. Dabei soll er nach Aussage des Opfers eine Pistole verwendet, es damit geschlagen und ihm diese auch in den Mund gesteckt haben.

Gleich zu Beginn der Verhandlung tischte der Angeklagte, Geschäftsführer einer Firma aus dem Baubereich, dem Vorsitzenden Richter Jörg Zachariae eine wirre Geschichte auf. Er sei auf dem Weg vorbeigekommen und habe nur deswegen Halt gemacht, weil der Senior ihn von seinem Grundstück aus beschimpft habe. Dabei habe dieser auch rassistischen Äußerungen getätigt. „Er hat mich sehr hart beleidigt“, sagte der Angeklagte. Unter anderem habe er gesagt: „Ihr könnt doch nicht machen, was ihr wollt“ und „Das ist hier doch keine Türkei“. Die Bemerkung mit der Türkei habe ihn aufgeregt, weil er aus Mazedonien stamme und Deutscher sei, sagte er weiter. „Er weiß nicht einmal, dass ich kein Türke bin.“

Tatwaffe gibt Rätsel auf: Pistole oder Schlagschrauber? Angeklagter stellt sich dumm

Während des Wortwechsels sei der Rentner mit einem Radkreuz auf ihn zugekommen, eine Spitze gegen ihn gerichtet. Das sei letztlich der Auslöser für die folgende Rangelei gewesen, während der sich beide fortgesetzt beleidigt hätten. Bei dem Hin und Her habe er den Rentner geschubst, ihn auch schon mal im Gesicht, Mund und am Ohr getroffen. Das Radkreuz habe er ihm aber nicht entreißen können. Schließlich habe er von ihm abgelassen, sei dann aber noch einmal umgedreht, um den alten Mann zu schlagen, „weil es noch nicht genug war“.

„Jetzt bin ich nicht mehr stolz darauf, damals schon“, gab er noch zu Protokoll. Und erklärte auf Nachfrage des Richters, dass er der Gewinner gewesen sei. Mit dem Prozess gegen seinen Bruder habe das Geschehen nichts zu tun. Der Nachbar habe schon immer etwas gegen seine Familie gehabt. „An dem Tag hat er es ein bisschen übertrieben, da war ich komplett weg. Was soll ich da machen?“ so der Angeklagte. Die trockene Antwort des Richters: „Nichts, das wäre schlauer gewesen.“

Opfer geht davon aus, dass der Täter ihn mit einer Pistole bedroht hat

Das Opfer, das als Nebenkläger auftrat, lieferte hingegen eine völlig andere Version des Geschehens. Nach seiner Aussage hat es sich so zugetragen, dass der Angeklagte auf sein Grundstück gestürmt sei und ihm zugerufen habe: „Hast du uns angezeigt?“. Das habe er verneint, weil es sich um eine Zivilklage gehandelt hätte. Dabei sei es um einen Grundstücksstreit zwischen dem Bruder des Angeklagten und ihm gegangen.

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Der 54-Jährige habe daraufhin gerufen: „Meinst du, ich gehe dafür noch mal zehn Jahre ins Gefängnis“, und ihn angegriffen, ihm mit beiden Händen auf die Ohren geschlagen und ihn in den Schwitzkasten genommen. Dass er eine Pistole gezückt habe, will der Rentner am Geräusch erkannt haben, das diese beim Entsichern beziehungsweise Nachladen gemacht hätte. Er habe ihm damit gegen das Ohr geschlagen, das heftig zu bluten angefangen habe. Von der Pistole selbst will er nur kurz den Lauf erkannt haben, als er ihn in den Mund gesteckt bekommen habe. Er habe erst von ihm abgelassen, als er zugesichert habe, dass er die Klage zurücknehmen werde.

Durchsuchungen an der Wohn- und Firmenanschrift hatten keinen Erfolg

Die Polizei konnte allerdings weder bei der Durchsuchung der Firma noch des Haushalts des Angeklagten eine Pistole finden. Auf die Frage des Richters, ob er wisse, aus welchem Land der Angreifer stamme, antwortete der Rentner: „Mazedonien.“ Vielleicht trug das zu einer Sinnesänderung des Angeklagten bei. Er entschied sich, seinen Anwalt eine Erklärung verlesen zu lassen, die mehrheitlich mit der Schilderung des Opfers übereinstimmte. Bis auf einen wichtigen Punkt: Statt einer Pistole will er einen Schlagschrauber benutzt haben, den er im Auto dabei hatte.

Nach Angaben einer Sachverständigen könnten die Verletzungen des Opfers gleichermaßen von einer Pistole als auch einem Schlagschrauber herrühren. Was davon tatsächlich zum Einsatz kam, konnte nicht abschließend geklärt werden. Der Prozess wird am 17. Juni fortgesetzt.