Reinbek/Wentorf. Der ADFC ruft bundesweit zu Familiendemonstrationen auf, auch in Reinbek und Wentorf. Ein sicherer Rad-Schulweg wäre ein Gamechanger.
Fahrradfahren ist gesund: Es trainiert nicht nur die Ausdauer und Muskeln, sondern bringt auch das Herz-Kreislauf-System in Schwung und kräftigt die Atemmuskulatur. Für Kinder ist es in der Smartphone-Ära besonders wichtig, denn es schult auch Balance und Koordination. Es gibt also viele gute Gründe, warum Kinder regelmäßig aufs Fahrrad steigen sollten.
Doch während in den 1970er-Jahren der Weg zur Schule auf dem Rad oder zu Fuß noch selbstverständlich war, wollen heute viele Eltern ihre Kinder schützen und fahren sie besonders im städtischen Raum häufig mit dem Auto zur Schule. Dem will der ADFC mit Kinder-Fahrraddemonstrationen am 4. und 5. Mai bundesweit gegensteuern. Unter dem Motto „Uns gehört die Straße – für kinder- und fahrradfreundliche Wege“ rufen sie auch in Reinbek und Wentorf zu Kidical Masses auf. Während Wentorf schon im dritten Jahr dabei ist, ist die Kinderfahrraddemo in Reinbek eine Premiere.
Kinder können mit dem Fahrrad zur Schule fahren
„Ein sicherer Rad-Schulweg wäre in Zeiten des Smartphones tatsächlich ein Gamechanger“, sagt Reiner Freund, Leiter der ADFC-Ortsgruppe Wentorf/Börnsen. Er selbst ist in seiner Jugend selbstverständlich mit dem Fahrrad zur Schule gefahren („Natürlich, wie denn sonst?“). „Kinder sollten so früh wie möglich lernen, Rad zu fahren. Und sie sollten damit selbstständig und sicher zur Schule kommen können. Das wollen die Schülerinnen und Schüler auch, sie finden das Radfahren cool.“
Ein solcher Systemwechsel sei nötig, denn das Radeln auf dem Weg zur Schule, sorge nicht nur für regelmäßige Bewegung, sondern es fördere ganz nebenbei auch die Entwicklung der gesamten Motorik und damit des Sprachvermögens, des räumlichen Sehens und der sicheren Orientierung im Straßenverkehr, bekräftigt Reiner Freund. In Wentorf hat der ADFC einmal die Fahrräder an den Abstellplätzen der Schulen gezählt: Anfang Juni 2022 waren in Wentorf 711 Schülerinnen und Schüler mit dem Fahrrad unterwegs gewesen.
Radverkehr – im Verkehrsentwicklungsplan nur eine Randfigur
„Aber mehr von ihnen sind natürlich immer wünschenswert“, sagt Freund. In Wentorf berät die Politik derzeit über den Verkehrsentwicklungsplan, der Ende Mai vorgestellt werden soll. Der Radverkehr komme darin allerdings eher am Rande vor, sagt Freund. „Der runde Tisch Rad trifft Anfang Juni zusammen, wir wollen dann versuchen, den Plan mit unserem Radwegekonzept in einer Synthese zusammenzuführen“, sagt er.
Reinbeks Radwegekonzept von 2015 in der Versenkung verschwunden
In Reinbek sieht das etwas anders aus: „Mein Vorgänger Joachim Becker hat bereits 2015 das erste Radwegekonzept entworfen“, berichtet Roland Mörschel, Leiter der ADFC-Ortsgruppe Reinbek. Leider sei es trotz Beschluss der Stadtverordnetenversammlung sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden. In Reinbek sei der runde Tisch Rad hingegen vor der neuen Befragung zum Thema Radverkehr nach seinen Wünschen gefragt worden.
„Leider hapert es in Reinbek häufig an der Umsetzung der Beschlüsse“, bedauert Mörschel. Für Sonnabend, 4. Mai, rufen er und seine Mitstreitenden daher erstmals zur Kidical Mass in Reinbek auf. Treffpunkt ist um 13 Uhr am Täby-Platz nahe der Nathan-Söderblom-Kirche. „Es wäre schön, wenn möglichst viele Familien mitmachen“, sagt Mörschel. „Damit die sicheren Radwege die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienen. Der Umstieg auf das Rad ist für alle wichtig – für die Umwelt und für die Gesundheit.“
Kindertaugliches Radwegenetz für Reinbek und Wentorf gefordert
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Denn in Reinbek herrsche eine miserable Situation: „Für fast alle Radwege in der gesamten Stadt ist die Benutzungspflicht aufgehoben worden. Daher müssen Radfahrende ab zehn Jahren auf der Straße fahren.“ In einer gemeinsamen Mitteilung des ADFC Wentorf und Reinbek heißt es dazu: „Alle Kinder und Jugendlichen sollen sich sicher und selbstständig mit dem Fahrrad und zu Fuß bewegen können. Davon sind wir in Reinbek und Wentorf aber noch ein ganzes Stück entfernt. Wir brauchen dringend ein geschütztes, kindertaugliches Radwegenetz, viel mehr Tempo 30 im Ort und Schulstraßen ohne Autoverkehr.“
In Wentorf geht es am Sonntag, 5. Mai, um 14. Uhr auf dem Casinopark los. „Es ist eine kurze Tour – auch für die kleinen Knöpfe geeignet“, erläutert Reiner Freund. „Wir fahren etwa 20 Minuten bis zum Parkplatz der Grundschule. Dort machen wir eine längere Pause und dann geht es zurück zum Casinopark.“ Die Tour sei eine Möglichkeit für die Kinder, das Radeln auf der Straße im geschützten Rahmen auszuprobieren.
Demonstrationen sind angemeldet, werden von der Polizei begleitet
Der Begriff Kidical Mass ist abgeleitet von der Critical Mass (zu Deutsch kritische Masse). Er stammt aus der Protestbewegung der Radfahrenden seit dem Ende der 90er-Jahre: Am letzten Freitag eines Monats treffen sie sich stets, um mit einer gemeinsamen Fahrt auf sich und ihre Rechte aufmerksam zu machen. Sie reklamieren für sich, nicht zu demonstrieren, sondern lediglich eine gemeinsame Rundfahrt zu machen.
Hintergrund ist, dass diese nicht angemeldet werden muss und örtlich auch nicht beschränkt werden kann. Dabei protestieren sie jedoch gegen die autodominierte Stadt. Die Kidical Mass in Wentorf ist jedoch wie die Reinbeker als Demonstration angemeldet und wird von der Polizei begleitet.