Großensee. Heilwig Duwe-Ploog aus Großensee malte bis ins hohe Alter. Wenige Stunden vor ihrem Tod sprach sie noch über Van Gogh. Ein Nachruf.
Die bekannte Malerin Heilwig Duwe-Ploog ist tot. Sie starb nach langer Krankheit am Freitag, 17. November, in ihrem Haus in Großensee. Die Künstlerin wurde 99 Jahre alt. Duwe-Ploog war bis ins hohe Alter künstlerisch aktiv. Sie war mit dem Maler Harald Duwe verheiratet, der 1984 bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Die gemeinsamen Kinder Katharina, Johannes und Tobias führen das künstlerische Erbe ihrer Eltern auf ihre Weise fort: Alle drei sind als freie Künstler tätig.
Tobias Duwe, der ebenfalls in Großensee lebt, hatte eine enge Beziehung zu seiner Mutter. In den letzten 30 Jahren habe er sehr intensiv mit ihr zusammengearbeitet, und die beiden hätten auch gemeinsame Reisen unternommen, berichtet Duwe. Er sagt: „Bis wenige Stunden vor ihrem Tod haben wir noch über Kunst und Malerei gesprochen.“ Sie hätten in einem Buch über Van Gogh in den Abbildungen geblättert. Denn während der Corona-Pandemie habe seine Mutter alle Briefe des Malers gelesen. Zu dieser Zeit habe sie auch die Malerei aufgegeben. „Sie war so gebrechlich, dass sie sich in den letzten Jahren zurückgezogen hat.“ Sie habe allerdings bis zuletzt über einen wachen Verstand und ein fundiertes Urteilsvermögen verfügt.
Malerin Heilwig Duwe-Plog: Nationalsozialisten erteilten ihr Studienverbot
Heilwig Duwe-Ploog wuchs in Wandsbek auf. Ihr Onkel war Maler und ihr Vater, ein Arzt, begeisterte sich für Kunst. Das Mädchen durfte die beiden zu Kunstausstellungen begleiten. Das weckte sein Interesse an der Malerei. So kam es, dass Duwe-Ploog 1941 ein Kunststudium an der Landeskunstschule am Lerchenfeld aufnahm.
Bei einer Feier mit Freunden und Studienkollegen im Ferienhaus ihrer Eltern am Großensee machten sich die jungen Leute über Hitler lustig und tanzten zu verbotener Swingmusik. Das hatte Folgen für die Studentin: Sie wurde von der Gestapo abgeholt und verbrachte ihren 18. Geburtstag in einer Gefängniszelle in Fuhlsbüttel. Zwar kam sie nach drei Wochen wieder frei, aber ein Richter des NS-Studentenbundes untersagte ihr das Studium an Kunsthochschulen.
Sie studierte gemeinsam in einer Klasse mit Vicco von Bülow
Sie umging das Verbot, indem sie an der Hochschule für bildende Künste und Baukunst in Weimar weiterstudierte, wo man nichts davon wusste. Nach dem Krieg wechselte sie zurück an die Kunstakademie am Lerchenfeld. Dort lernte sie 1946 in der Klasse von Willem Grimm ihren zukünftigen Mann Harald Duwe kennen. Zu ihren Kommilitonen zählten so erfolgreiche Künstler wie Loriot (Vicco von Bülow), Horst Jansen und Paul Wunderlich. In den Jahren 1948/49 erhielt sie ein Stipendium an der Königlichen Akademie zu Stockholm.
Ab 1950 arbeitete Heilwig Duwe-Ploog als freischaffende Malerin. Nach der Heirat zog das Künstlerpaar in das Wochenendhaus in Großensee. Von der Malerei konnten sie zum damaligen Zeitpunkt allerdings kaum leben. Im Gespräch mit einem Abendblatt-Reporter im Jahr 2018 brachte Duwe-Ploog es so auf den Punkt: „Wir waren arme Leute.“ Denn der Realismus befand sich im Gegensatz zur damals populären Kunst, dem abstrakten Expressionismus.
Heilwig Duwe-Ploog hatte ihre ganz eigene Sicht auf die Kunst
Doch für die Künstlerin war es nie eine Option, sich an den Zeitgeist anzupassen, nur weil gerade etwas anderes als Realismus hoch im Kurs stand. Tobias Duwe sagt: „Sie war nicht korrumpierbar.“ Sie sei ein absoluter Kämpfertyp gewesen. „Wenn sie von etwas überzeugt war, ist sie dafür eingetreten. Und sie hat tatsächlich eine eigene Sicht auf die Kunst gehabt und war darin vollkommen unbestechlich.“ Das ziehe sich quer durch ihr gesamtes Schaffen. So etwas sei selten im Kunstbetrieb. „Es ist auch eine Frage des Vertrauens“, so Duwe weiter. „Wichtig war, dass es ihr gefiel.“ Weder habe sie reflektiert, wir ihre Arbeiten beim Betrachter angekommen seien, noch habe sie versucht, ihr Werk zu intellektualisieren.. „Sie war ehrlich in dem, was sie tat und wie sie es herüberbrachte.“
Seine Mutter habe als Studentin schöne Erfolge gehabt, berichtet ihr Sohn. Doch die Dualität mit der wachsenden Familie ging zulasten des künstlerischen Schaffens. „Dafür hat sie viel aufgegeben.“ Auch sonst zeigte sich ihre soziale Ader, beispielsweise durch ihr ehrenamtliches Engagement bei der Arbeiterwohlfahrt. „Das hat sie mit großer Überzeugung gemacht“, sagt ihr Sohn. Harald Duwe, der als Professor an der der Kunsthochschule Kiel unterrichtete, stand als Künstler mehr im Fokus der Öffentlichkeit. Über seinen Tod im Jahr 1984 kam Heilwig Duwe-Ploog zeit ihres Lebens nicht hinweg.
Stimmigkeit von Farbklang und Aufbau standen im Vordergrund
Die Inspiration schöpfte die Malerin aus der Anschauung, aus dem, was sie im Alltag umgab. Oder auf Reisen, die sie unter anderem nach Spanien, in die Schweiz, Jugoslawien, Griechenland und Frankreich führten. So entstanden unzählige Ölgemälde, Zeichnungen, Pastelle und Aquarelle. Duwe-Ploog beherrschte die Kunst, Stimmungen so in Farben und Formen zu übersetzen, das sie von jedermann erlebbar sind. Tobias Duwe charakterisiert den Prozess so: „Sie kam ganz und gar aus der Farbe, fragte nach der Stimmigkeit des Farbklangs und des Aufbaus und suchte die Schönheit im Fleckenrhythmus sowie in der Harmonie und dem Kontrast der Farben.“ Damit stand sie ganz in der Tradition des französischen Malers Paul Cézanne.
Zu ihrem Sujet zählten unter anderem landschaftliche Motive, Menschen am Strand, Tischszenen oder Stillleben. Ein Beispiel für Letzteres ist ein Bild mit dem Titel „Nach dem Fest“: Es zeigt halb leer gegessene Teller, Weinflaschen und das Gerippe eines Gänsebratens auf einem Tisch. Kunst müsse Geschichten erzählen, hat die Malerin einmal gesagt. Dass ihr das gelungen ist, dürfte unstrittig sein.
Anlässlich der Ausstellung „Die Künstlerfamilie Duwe“ mit Werken aller fünf Familienmitglieder in der Handelskammer Hamburg im Jahr 2017 sagte Kurator Prof. Heinz Spielmann über Duwe-Ploog: „Die Künstlerin hat in einem Alter, in dem die Kräfte meist nachlassen, einen bemerkenswerten Schritt getan: Ihre Bilder gewannen an Klarheit, Tektonik und farbiger Strahlkraft über das zuvor Erreichte hinaus.“
Die eigene Mutter war das liebste Modell der Künstlerin
Wenn Tobias Duwe von seiner Mutter spricht, benutzt er immer wieder den Präsenz. Das könne daran liegen, dass er ihren Tod noch gar nicht wirklich realisiert habe, sagt der Maler nachdenklich. „Am 7. Juli wäre sie 100 Jahre alt geworden“, fügt er hinzu. Fast so alt wie ihre eigene Mutter. Sie war das Lieblingsmodell der Malerin, die sie auf vielen ihrer Werke verewigt hat. Als sie pflegebedürftig wurde, pflegte Heilwig Duwe-Ploog sie bis an ihr Lebensende. Die Mutter wurde 101 Jahre alt.
In den Arbeiten von Tobias Duwe lässt sich die Verwandtschaft zu seiner Mutter erkennen. „Für mich war ihr Ansatz viel schlüssiger, und er erschien mir meiner Natur mehr zu entsprechen“, sagt der Künstler. In gewisser Weise wirkt Heilwig Duwe-Ploogs Ansatz damit weiter bis in die Gegenwart hinein. Und beim Betrachten ihrer Werke kommt man dem Wesen der Künstlerin auch nach ihrem Tod noch nahe.
Die Trauerfeier findet am Dienstag, 5. Dezember, um 13 Uhr in der Tymmo-Kirche in Lütjensee (Möhlenstedt 7a) statt.