Ahrensburg. Notdienste in Gefahr. Der Kreis Stormarn in ganz besonderem Maße betroffen. Niedergelassene Ärzte sind alarmiert.
Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) sieht sich gezwungen, den rund 400 Poolärzten, die sich am Ärztlichen Bereitschaftsdienst beteiligen, zum Ende des Jahres zu kündigen. Grund sei ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel vom 24. Oktober dieses Jahres. Danach gelten auf Honorarbasis tätige Poolärzte nicht automatisch als Selbstständige, wenn sie in eine Notdienstorganisation eingebunden sind. Dann aber wären sie fortan sozialversicherungspflichtig in der Deutschen Rentenversicherung, für die die KVSH Arbeitgeberanteile zu tragen hätte. Diese finanzielle Mehrbelastung taxierte die KVSH auf Nachfrage dieser Redaktion auf einen „einstelligen Millionenbetrag“.
In Stormarn liegt Anteil der Poolärzte bei 52 Prozent
Poolärzte sind Ärzte, die in Schleswig-Holstein nicht niedergelassen sind, aber auf freiwilliger Basis Dienste im Ärztlichen Bereitschaftsdienst leisten. Sie übernehmen laut KVSH bisher bis zu 30 Prozent der insgesamt anfallenden Dienste und seien deshalb eine wesentliche Stütze der Versorgung im Bereitschaftsdienst.
Der Kreis Stormarn ist von der Kündigungswelle in besonderem Maße betroffen. Hier liegt der Anteil der Poolärzte im Bereitschaftsdienst nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung sogar bei 52 Prozent. Im benachbarten Herzogtum Lauenburg sind es hingegen rund 27 Prozent.
Gravierende Folgen für die Notfallpraxen
„Der schon zur Sprechstundenzeit überlasteten Ärzteschaft werden damit weitere Belastungen in Form zusätzlicher Nacht- und Wochenenddienste aufgebürdet“, erklärte Dr. Monika Schliffke, die Vorstandsvorsitzende der KVSH. Der Verzicht auf Poolärzte habe mehr Dienstzuweisungen an niedergelassene Ärzte und Medizinische Versorgungszentren zur Folge, um die medizinische 24/7-Versorgung für die Bevölkerung sicherstellen zu können.
Nicht auszuschließen seien laut Schliffke zudem weitergehende Auswirkungen auf die flächendeckende Versorgung mit Notfallpraxen. In Stormarn beträfe das die allgemeinmedizinische Anlaufpraxis in Bad Oldesloe. Im Herzogtum Lauenburg wären es die allgemeinmedizinische Anlaufpraxis in Geesthacht sowie die allgemeinmedizinische und kinderärztliche Anlaufpraxis in Ratzeburg.
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„Dieser Entwicklung muss umgehend begegnet werden“, sagt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KVSH, Dr. Ralph Ennenbach. Um den zeitlichen Spielraum des BSG-Urteils zu nutzen, bedürfe es rascher Entscheidungen. Schliffke und Ennenbach mahnen daher an, die Politik müsse im Interesse eines funktionierenden Bereitschaftsdienstes „unverzüglich eine gesetzliche Klarstellung“ vornehmen.
Poolärzte sollten analog zu den Notdienstärzten im Rettungsdienst von der zusätzlichen Sozialversicherungspflicht ausgenommen werden. „Es liegt jetzt in der Hand des Gesetzgebers, die langfristig negativen Folgen dieses Urteils abzuwenden“, appelliert Schliffke. Zumal mit anhaltend hohen zusätzlichen Dienstbelastungen die Niederlassung von Ärzten weiter an Attraktivität verliere. „Dann werden noch mehr Praxen nach dem Ausscheiden der Inhaber keine Nachfolger finden“, fürchtet Monika Schliffke.