Bad Oldesloe. Bad Oldesloe ist ganz nah dran am Nahostkonflikt. Beauftragter Hartmut Jokisch hat Kontakt zu Menschen in beiden Regionen.
Israel, Palästina, der Gazastreifen, das Westjordanland: Seit Jahrzehnten sorgt der Nahostkonflikt zwischen Israel und den Palästinensern für Gewalt, Attentate und Krieg. Die Spannungen reichen zurück bis weit vor der Staatsgründung Israels im Jahr 1948. Doch seit dem 7. Oktober hat der Schrecken in dem Gebiet eine neue Dimension erreicht. Mit dem Überfall der radikalislamischen Terrororganisation Hamas auf Israel hat im Nahen Osten ein neuer Krieg begonnen.
Seit einem Monat reißt die Flut an schrecklichen Nachrichten und Bildern von Angriffen, Geiselnahmen und getöteten Zivilisten nicht ab. Auf beiden Seiten gibt es viele Opfer zu beklagen, leiden die Menschen unter der Situation. Immer wieder geistern Falschinformationen durch die Welt, die für Verunsicherung sorgen. Obwohl die Region weit weg erscheint, sind auch hierzulande viele Menschen betroffen, haben persönliche Verbindungen oder Kontakte nach Israel oder Palästina.
Bad Oldesloe pflegt Städtepartnerschaften mit Israel und Palästina
Einer davon ist der Oldesloer Hartmut Jokisch. Die Stadt Bad Oldesloe pflegt Städtepartnerschaften sowohl mit der israelischen Stadt Beer Yaacov als auch zum palästinensischen Dorf Jifna im Westjordanland. Jokisch ist seit 2007 ehrenamtlicher Beauftragter für die Partnerschaft nach Israel, die seit 1987 existiert. 2015 initiierte er selbst die Städtepartnerschaft mit Jifna, pflegt auf beiden Seiten engen Kontakt.
Als er am 7. Oktober von dem Angriff der Hamas erfahren habe, habe er direkt zum Handy gegriffen. „Ich habe eine Nachricht nach Beer Yaacov geschickt und gefragt, wie es den Menschen dort geht“, sagt Jokisch. Die Antwort war erschütternd: Wegen Raketenalarm mussten die Menschen dort ständig in die Bunker flüchten. In einem Nachbarort hatte es Anschläge gegeben.
Die Bilder und Videos aus dem Nahen Osten gingen Hartmut Jokisch an die Nieren
Auch eine private Freundin hat Jokisch direkt kontaktiert. „Sie konnte nicht schlafen, musste ständig in einen Bunker und ist dann an einen anderen Ort zu ihrer Tochter geflüchtet.“ In dem Oldesloer Freundeskreis Beer Yaacov/Jifna sei auch eine Frau, deren Tochter am Rande des Gazastreifens lebt. „Sie und ihre Familie hatten das Glück, dass sie rechtzeitig gerettet werden konnten“, so Jokisch.
Seit dem Angriff der Hamas verfolgt Jokisch die Geschehnisse intensiv. „Gerade die ersten beiden Wochen war ich wie gelähmt“, sagt der pensionierte Schulleiter. Er habe kaum etwas anderes getan, als am Computer zu sitzen und sich darüber zu informieren, was vor Ort passiert. Gleichzeitig habe er auf beiden Seiten engen Whatsapp-Kontakt zu den Menschen gehalten. Jokisch: „Das alles hat mich schon sehr belastet.“
Hartmut Jokisch war 1974 zum ersten Mal in Israel
Hartmut Jokisch kennt Israel seit fast fünf Jahrzehnten. Der promovierte Physiker war 1974 als Mitarbeiter des Instituts für Kernphysik der Christian-Albrechts-Universität Kiel in Israel, wirkte bei einem Forschungsprojekt in Tel Aviv mit. „Seit dieser Zeit kenne ich Israel und Palästina“, sagt Jokisch. Bei allem, was er in den vergangenen Wochen gesehen und gehört habe, habe er eine große persönliche Betroffenheit gespürt. „Ich bin sowohl auf israelischer als auch auf palästinensischer Seite mit schlimmen Bildern und Videos konfrontiert worden. Das geht schon an die Nieren“, so Jokisch.
Einen Monat ist der Angriff nun her. „In Beer Yaacov gab es zwei Wochen lang keinen Schulunterricht“, sagt Jokisch. Die Kleinstadt liegt unweit von Tel Aviv. „Auch in Jifna ist der Unterricht zeitweise komplett ausgefallen, weil es dort viele Straßensperrungen gab und die Lehrer nicht zur Schule kommen konnten. Mittlerweile findet wieder stundenweise Unterricht statt, aber nicht vollumfänglich.“
Hartmut Jokisch: „Ich sehe keinen Weg in Richtung Frieden.“
Seit er die Betreuung der Städtepartnerschaft mit Beer Yaacov vor 16 Jahren übernommen hatte, habe er versucht, einen Kontakt mit der anderen Seite herzustellen. „Ich fand, dass man Palästina aus dem Blick verloren hat“, sagt er. Das wollte er ändern. Als er in den 1970er-Jahren nach Israel kam, sei die Situation noch eine andere gewesen als heute. „Damals gab es keine Mauer, keine sichtbare Grenze“, sagt Jokisch. Auch damals habe es hin und wieder Anschläge gegeben. Das alles sei aber kein Vergleich zur heutigen Situation. Jokisch: „Der Konflikt wird seit Jahrzehnten immer stärker. Ich sehe da leider keinen Weg in Richtung Frieden.“
Dennoch: „Hoffnung und Wünsche habe ich natürlich jede Menge“, sagt Jokisch. Auf eine mögliche Lösung geblickt, sprach Gideon Levy, Kolumnist der israelischen Tageszeitung Haaretz, in einem Interview mit der Tagesschau jüngst von einer Ein-Staat-Lösung: von einem demokratischen Staat, der Israel und Palästina vereint, so verrückt es klinge. Das hält Jokisch für eine Utopie. „Es müsste ja ein säkularer Staat sein. Das entspricht aber nicht der Vorstellung der Juden in Israel. Die Mehrheit möchte einen jüdischen Staat“, sagt er.
Kann eine Zwei-Staaten-Lösung die Rettung sein?
Daher sei seine Idealvorstellung eine Zwei-Staaten-Lösung. „Jeder lebt nach seiner Fasson in seinem Staat, aber friedlich und kooperativ“, so Jokisch. Hoffnung habe er nach wie vor unter anderem in das sogenannte Abraham-Abkommen. Der Friedensvertrag zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde am 15. September 2020 vor dem Weißen Haus in Washington vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und dem Außenminister der Emirate Abdullah bin Zayid Al Nahyan unterzeichnet.
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Israel hat auch Friedensverträge mit Jordanien und Ägypten. Zwischen Saudi-Arabien und Israel war zuletzt eine Annäherung in Sicht, nun grätschte der Krieg dazwischen. Jokisch: „Meine Hoffnung ist trotzdem, dass die vielen Verträge, die Israel mit arabischen Staaten hat, auf Dauer dazu führen, dass die Araber per se nicht mehr als Feinde gesehen werden und dass sich das auf die Palästinenser überträgt.“
Angesichts der verhärteten Fronten scheint diese Vorstellung aktuell zwar ganz weit weg zu sein. Doch der Oldesloer will die Hoffnung nicht aufgeben. Jokisch: „Ich wünsche dem Nahen Osten Frieden.“ Im Kleinen, so Jokisch weiter, arbeiten die Stadt Bad Oldesloe und der Freundeskreis Beer Yaacov/Jifna daran – sei er doch der einzige ihm bekannte Verein, der Städtepartnerschaften mit Israel und Palästina vereint.