Bad Oldesloe. Pastor Gábor Kant verlässt St. Vicelin Bad Oldesloe und wird Priester. Es ist nicht die erste erstaunliche Wende in seinem Leben.

Wenn Pastor Gábor Kant gefragt wird, warum er aus Bad Oldesloe weggeht, dann fällt es ihm gar nicht so leicht, diese Frage zu beantworten. Denn, das sagt er auch: Es ist weniger ein Von-etwas-weg statt ein Zu-etwas-hin. Dass er die Kreisstadt verlässt, habe nichts mit der anstehenden Immobilienreform zu tun und schon gar nicht damit, dass er als Oldesloer Pastor nicht glücklich gewesen sei – ganz im Gegenteil.

„Der Abschied ist ziemlich schmerzlich“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Er habe seine Tätigkeit geliebt. Kant: „Als Pastor stellt man Bindungen her, baut Beziehungen zu Menschen auf, bekommt viel Vertrauen entgegengebracht. Das ist eine große Verantwortung, aber es ist auch etwas sehr Schönes.“ Dementsprechend habe er den Entschluss, die Stelle in Bad Oldesloe aufzugeben, auch gründlich hinterfragt.

Pastor Gábor Kant: Ex-Unternehmensberater zieht jetzt ins Kloster

Doch der Ruf nach etwas anderem ist stärker. Gábor Kant wird in das Benediktinerkloster St. Georgenberg nach Tirol gehen. Der altehrwürdige Bau thront auf einem steilen Felskegel oberhalb der Gemeinde Stans. Das Kloster hat eine tausendjährige Geschichte, ist der älteste Wallfahrtsort Tirols.

Das Leben im Kloster folgt Regeln, die Ordensgründer Benedikt von Nursia im Jahr 536 aufstellte. Er gilt als Begründer des abendländischen Mönchtums. Es gibt einen festen Tagesablauf. Beten und Arbeiten sind feste Bestandteile. Kant: „Im August des vergangenen Jahres habe ich einen Freund in dem Kloster besucht. Seitdem ist mir dieser Ort nicht mehr aus dem Kopf gegangen.“ Jeden Tag habe er an den Ort, die Ordensbrüder gedacht – und schließlich entschieden, seinem Herzen zu folgen.

Im Januar habe er das Gespräch mit dem Bischof gesucht. „Es war ein sehr guter und intensiver Kontakt“, so Kant. „Nach mehreren Gesprächen hat er gesagt: Ihre Sehnsucht ist ehrlich. Gehen Sie ihr nach.“ Sehnsucht sei es tatsächlich, was der Oldesloer Pastor empfindet. „Ich sehne mich nach Gemeinschaft“, sagt er. Selbst hat er wohl vor einiger Zeit noch nicht geahnt, dass dieser Weg der seine sein wird. Doch einige ihm nahe stehende Menschen kennen ihn wohl besser als er sich selbst. „Meine Schwester hat gesagt: ,Ich wusste immer, dass du eines Tages ins Kloster gehst’“, sagt er. Und das, obwohl sein beruflicher Weg alles andere als geradlinig verlaufen ist.

Kant wuchs als Sohne eines katholischen Vaters und einer evangelischen Mutter auf

Geboren 1963 in Cottbus, wuchs Kant als Sohn eines katholischen Vaters und einer evangelischen Mutter auf. Er sei zwar als Baby getauft, aber nicht christlich erzogen worden. „Der Knackpunkt kam in der Jugend“, sagt Kant. Er absolvierte eine Lehre zum Optiker, lernte mit 17 Jahren einen Freund kennen. „Er war katholisch und eröffnete mir durch seinen Glauben eine ganz neue Welt.“ Kant entschied sich für ein Leben als Katholik, wurde mit 24 gefirmt.

„Dass ich Priester werden möchte, wusste ich eigentlich schon mit Mitte 20“, sagt Kant. Doch bevor es so weit war, sollten noch einige Jahre vergehen, der gläubige Christ noch einige berufliche Umwege machen. Nach seiner Ausbildung zum Optiker zog er nach Gera. „In der katholischen Gemeinde der Stadt lernte ich einen Priester kennen, der mich dazu inspirierte, selbst Priester werden zu wollen“, so Kant.

Das Priesteramt reizte ihn, doch der Respekt vor der Aufgabe war groß

Er kündigte seinen Job, verbrachte ein Jahr bei den Jesuiten in Dresden, einer katholischen Ordensgemeinschaft. „Das war unglaublich bereichernd“, sagt er. Im Norbertinum in Magdeburg, einer ehemaligen Ausbildungsstätte in Trägerschaft der katholischen Kirche, holte er sein Abitur nach, studierte danach fünf Jahre lang in Erfurt und ein Jahr in Rom Theologie. Nach seinem Studium verbrachte er Zeit bei der Ordensgemeinschaft der Benediktiner. „Danach habe ich entschieden, erst einmal doch nicht Priester zu werden.“

So sehr ihn das Priesteramt auch reizte – der Respekt vor der Verantwortung war zu groß. „Ich habe mich damals noch nicht getraut“, sagt Kant heute. Er habe die Ansprüche und Anforderungen des Priesteramts in seinem Kopf überhöht, habe geglaubt, ihnen nicht gerecht werden zu können. Es folgte ein weiterer beruflicher Umweg.

Kant ging nach Hamburg, fing wieder bei Null an und wurde Berater in der Wirtschaft

„Ich habe wieder bei Null angefangen und bin nach Hamburg gegangen“, sagt der Pastor. „Ich habe mich auf alle möglichen Jobs beworben: als Möbelpacker, Rundfunkjournalist, wirklich alles.“ Mit einem Job als Straßenmarkierer überbrückte er Zeit, bevor er 1998 auf Empfehlung eines Karlsruher Freundes schließlich in der Finanzwirtschaft anfing. 18 Jahre lang war er als Berater tätig. „Es war ein toller Job“, so Kant. „Von außen betrachtet hatte ich alles, was man sich nur wünschen konnte: Viel Geld, teure Autos, eine schicke Wohnung an der Alster.“

Doch etwas fehlte in seinem Leben nach wie vor, das hat er intuitiv vielleicht immer gespürt – aber lange selbst nicht gesehen. Ein sehr guter Freund half ihm auf die Sprünge. Kant: „Er sagte zur mir: ,Ich glaube nicht, dass das deine endgültige Berufung ist.’“ Recht sollte er haben. 2012 wurde der damals 49-Jährige vom Erzbistum Hamburg als Priesteramtskandidat angenommen.

Mit 53 Jahren wurde Gábor Kant zum Priester geweiht

Er absolvierte Praktika in Münster und Hamburg-Niendorf, wurde 2015 von Erzbischof Stefan Heße zum Diakon und 2016 mit 53 Jahren zum Priester geweiht. Fünf Jahre war Kant in Neumünster als Priester und vorher in Neubrandenburg als Diakon tätig, bevor er 2021 in die Pfarrei St. Ansverus Ahrensburg versetzt wurde. Sein Dienstsitz ist seither in Bad Oldesloe.

Ob es die richtige Entscheidung war, Priester zu werden? Bei der Antwort auf diese Frage zögert Kant nicht eine Sekunde. „Ja, unbedingt“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. „Ich kann mir nichts Bereichernderes, nichts Wohltuenderes vorstellen als Priester zu sein“, sagt Kant. „Man ist so nah bei den Menschen.“

Gábor Kant blickt gelassen auf die ungewisse Zukunft im Tiroler Kloster

Seinen Glauben beruflich auszuleben, sei genau das, was er sich immer gewünscht habe. „Es ist meine Berufung“, sagt er. Aber: Auch die katholische Kirche bietet eben viele Möglichkeiten. „Bereits in der Zeit in Neumünster wurde mir immer klarer, dass ich eigentlich noch auf der Suche bin nach der Berufung in der Berufung“, sagt Kant.

Ob er diese im Tiroler Kloster findet, wird die Zukunft zeigen. „Es wird passieren, was passiert“, sagt Kant mit gelassenem Blick auf die noch ungewisse Zukunft. „Ich bin neugierig, ich freue mich, aber ich rechne auch damit, dass es nicht einfach wird, wenn Winter, Schnee und Nebel kommen und man nicht einfach ins Auto steigen und wegfahren kann“, sagt er. Zum 1. Oktober wird Kant die Pfarrei St. Ansverus verlassen und somit auch die Gemeinde in St. Vicelin Bad Oldesloe. Bis dahin hat der Pastor aber noch alle Hände voll zu tun. Kant: „Am 30. September darf ich noch eine Hochzeit feiern.“

Wie es ab Oktober für die Stormarner Gemeindemitglieder weitergeht, ist indes noch ungewiss. „Über die Personal- und Einsatzplanung können wir zum derzeitigen Zeitpunkt noch nichts sagen“, sagt Marco Chwalek, stellvertretender Sprecher des Erzbistums Hamburg. „Längere Vakanzzeiten sind jedoch in unseren Gemeinden nicht unüblich. Bis dahin übernehmen die anderen Priester und pastoralen Mitarbeiter die seelsorglichen Aufgaben im bisherigen Wirkungsgebiet von Pastor Kant.“