Bad Oldesloe. 2016 kauften die Eigentümer das Herrenhaus in Altfresenburg mit einer großen Vision. Seitdem ist viel passiert.
Wer „Gut Altfresenburg“ im Internet sucht, der stößt ziemlich schnell auf einen ausführlichen Wikipedia-Artikel, der über Geschichte, Gebäudestruktur und Nutzung des adligen Guts aufklärt. Der Leser erfährt, dass der Gebäudekomplex im Norden von Bad Oldesloe eine fast 1000-jährige Geschichte hat, dass das Herrenhaus von 1791 eine der bedeutendsten klassizistischen Bauten in Norddeutschland ist und dass der bekannte Til-Schweiger-Film „Honig im Kopf“ dort gedreht wurde.
Wer am Ende auf einen Link klickt, erfährt auch, wer den Artikel verfasst hat: Mischa Görgen. Der 19-Jährige hat im vergangenen Jahr einen Bundesfreiwilligendienst bei der Jugendbauhütte im Bereich Denkmalschutz auf Gut Altfresenburg absolviert. Stets an seiner Seite: Luis Vogtländer. Der 19-Jährige hat ein Freiwilliges Ökologisches Jahr über die Nordkirche auf dem Anwesen im Oldesloer Ortsteil abgeleistet.
Astrid Kühl und Martin Reitzig haben das Herrenhaus 2016 gekauft
Die beiden jungen Männer haben einen wichtigen Teil dazu beigetragen, dass die Vision der Eigentümer Astrid Kühl und Martin Reitzig eines Tages wahr wird. „Wir sind auf halber Strecke“, sagt das Ehepaar. 2016 haben die gebürtige Bad Segebergerin und der gebürtige Bremer das Herrenhaus gekauft. 2018 folgten die weiteren Gebäude, die zum Gut gehören.
„Unsere Vision war, dass wir einen Ort erschaffen, in dem wir gemeinsam mit Familie und Freunden auf dem Land leben und arbeiten“, so Kühl. Es sollte ein Lebensort geschaffen werden, nachhaltig und naturverbunden. Die Immobilie im Norden von Bad Oldesloe erschien dem Ehepaar passend. Seit dem Kauf vor rund sieben Jahren sind sie Herr über sechs Gebäude und einige Hektar Land.
Mittlerweile wohnen und arbeiten ungefähr ein Dutzend Menschen auf dem Gut
Seitdem ist auf Gut Altfresenburg viel passiert. In liebevoller Kleinstarbeit sanieren und restaurieren die Eheleute das Herrenhaus, betreiben nachhaltige Denkmalpflege. Nicht nur die Eheleute selbst, sondern auch ungefähr ein Dutzend weiterer Menschen lebt und arbeitet mittlerweile auf Gut Altfresenburg. In den historischen Gebäuden haben Kühl und Reitzig Wohn- und Gewerbeflächen geschaffen. Instandgesetzte Teile des Herrenhauses werden als Büros vermietet.
„Uns war wichtig, Unternehmen zu finden, die zu uns passen und ähnliche Werte vertreten“, so Kühl. Fündig geworden sind sie unter anderem mit Mike Buchsdrücker, Geschäftsführer des Oldesloer Unternehmens Enovento, einem Spezialisten für Wohnraumbelüftung. „Ich fühle mich hier pudelwohl“, so Buchsdrücker, der seit März 2021 auf Gut Altfresenburg arbeitet. „Bei dem Ausblick kann man nicht anders als glücklich zu sein.“ Im Torhaus, das um 1800 errichtet wurde, wurden Wohneinheiten geschaffen. Außerdem befindet sich dort ein ökologischer Baumarkt.
Entworfen wurde das Herrenhaus vom dänischen Architekten Christian Frederik
„Das ist für uns besonders praktisch, weil wir für die Sanierung und Restaurierung des Herrenhauses ausschließlich auf ökologische Stoffe zurückgreifen und diese quasi direkt vor der Haustür finden“, sagt Astrid Kühl. Das sei auch im Sinne des Erschaffers gewesen. „Vor einigen hundert Jahren waren die verwendeten Baustoffe viel nachhaltiger.“ Dahin wollen ihr Mann und sie auf Gut Altfresenburg zurück.
Mit dem, was sie tun, schaffen die Eheleute nicht nur Wohnraum, sondern lassen auch die Geschichte des denkmalgeschützten Gebäudes weiterleben. Entworfen vom dänischen Architekten Christian Frederik, wurden Teile des Herrenhauses in der Vergangenheit als Wohnraum an Familien vermietet. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren dort auch Geflüchtete untergebracht. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mieteten sich verschiedene Firmen im Herrenhaus ein, darunter zum Beispiel ein Medizintechnikunternehmen und eine GmbH, die Holzmöbel importierte.
Die denkmalgerechte Sanierung ist unglaublich teuer
Seit Astrid Kühl und Martin Reitzig Herr Eigentümer sind, ist Denkmalpflege angesagt. Ein Problem seien die Kosten. „Diese Art von Gebäuden denkmalgerecht zu restaurieren, ist unglaublich teuer“, so die 47-Jährige. Ohne finanzielle Unterstützung wäre das für die Unternehmer nicht zu stemmen. Deshalb gründeten sie 2018 den gemeinnützigen Verein KulturGut Altfresenburg. Sein Zweck ist die Förderung von Denkmalschutz und Denkmalpflege, Kunst und Kultur sowie Umwelt- und Naturschutz.
„Wir freuen uns über Denkmalfreunde, die dem Verein Spenden zukommen lassen, außerdem kann man Mitglied werden“, so Kühl. Flexible Modelle mit Jahresbeiträgen zwischen 17,91 und 179 Euro pro Jahr ermöglichen es, dass jeder Interessierte den Verein je nach seinen Möglichkeiten unterstützen kann. Der Verein öffnet das Gut auch wieder am Tag des offenen Denkmals, der in diesem Jahr am Sonntag, 10. September, stattfindet. „Das Interesse ist riesig, vor Corona hatten wir bis zu 900 Besucher“, so Kühl. Deshalb werden in diesem Jahr Führungen nur mit Anmeldung angeboten. Interessierte können Plätze unter der E-Mail KulturGut@altfresenburg.de reservieren.
Durch den Verein ist die Zusammenarbeit mit Freiwilligendienstlern möglich
Der Verein macht auch die Zusammenarbeit mit Trägern vom Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) und dem Bundesfreiwilligendienst in der Denkmalpflege möglich. So haben Mischa Görgen und Luis Voigtländer den Weg nach Stormarn gefunden. „Ich interessiere mich für Architektur und Natur“, so Görgen. „Hier kommt beides zusammen.“
Seine Einsatzbereiche waren vielfältig. „Ich habe viel draußen gearbeitet und zum Beispiel eine Drainage verlegt, Rasen gesät und gemäht sowie bei der Installation einer Photovoltaikanlage geholfen“, sagt der Duisburger. Aber auch im Herrenhaus selbst hat er tatkräftig angepackt, hat Türen gestrichen, Räume vermessen, sich um die Denkmaldokumentation gekümmert – und eben auch den Wikipedia-Artikel verfasst.
Beiden jungen Männern hat das Jahr bei der Berufswahl geholfen
„Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht“, sagt Mischa Görgen über die Zeit auf Gut Altfresenburg. Ende August ist Schluss, danach kommen für ein Jahr erst einmal keine Freiwilligendienstler auf das Gut. Dass dem 19-Jährigen die Arbeit so viel Freude gemacht hat, liegt wohl auch daran, dass er sich so gut mit seinem Kollegen Luis Voigtländer verstanden hat. Die beiden sind zu echten Freunden geworden.
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Weil beide nicht aus der Gegend kommen – Voigtländer ist im Landkreis Lippe bei Bielefeld aufgewachsen – bildeten sie eine Wohngemeinschaft in Bad Oldesloe. Für sein Freiwilliges Ökologisches Jahr war Voigtländer oft draußen. „Ich habe viele Aufgaben im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus erledigt, habe Grünpflege gemacht, Obst geerntet, Zäune abgeschliffen, Riesenbärenklau beseitigt, mit Bäumen und Holz gearbeitet.“
Nicht nur Astrid Kühl und Martin Reitzig sind mit der Arbeit der jungen Männer überaus zufrieden. Der Freiwilligendienst hat beiden entscheidend bei der Berufswahl geholfen. „Ich werde in Baden-Württemberg eine Ausbildung zum Forstwirt machen“, sagt Luis Voigtländer. Für Mischa Görgen geht es ab Herbst zum Architekturstudium nach Weimar. Er sagt: „Ich kann mir gut vorstellen, später mal im Denkmalschutz zu arbeiten.“