Ahrensburg. Stadt Ahrensburg will Umbau der Innenstadt für zwei Jahre aussetzen. FDP und Kaufleute erheben schwere Vorwürfe.
Sollen vorhandene Parkplätze in der Ahrensburger Innenstadt erhalten bleiben, oder die City weitgehend autofrei umgestaltet werden? Diese Frage beschäftigt Geschäftsleute und Bürger der Schlossstadt seit geraumer Zeit gleichermaßen und mündete Anfang vergangenen Jahres in ein Bürgerbegehren. Am 18. September votierte schließlich eine knappe Mehrheit von 51,6 Prozent dafür, dass die Zahl der Stellplätze im Zentrum nicht reduziert werden soll, wenn es dafür an anderer Stelle keinen Ersatz gibt. Nun erklärte die Stadtverwaltung in einer Vorlage für das schleswig-holsteinische Innenministerium, dass die Planungen zur Neugestaltung der Hamburger Straße und der Start von Einzelmaßnahmen bis September 2024, dem Ende der Bindungsfrist des Bürgerentscheids, ruhen und voraussichtlich erst im dritten Quartal nächsten Jahres wieder aufgenommen werden. Wird der Bürgerentscheid damit durch die Hintertür ausgehebelt?
Boege: Das Geschriebene bitte nicht so ernst nehmen
„Mit dieser Aussage wird mehr als deutlich, dass beim Rathaus-Chef Eckart Boege und seiner Verwaltung weder die Absicht noch das Interesse besteht, den Bürgerentscheid zu respektieren“, übt FDP-Fraktionschef Thomas Bellizzi scharfe Kritik. Anders lasse sich der Passus im Schreiben der Stadtverwaltung nicht interpretieren.
Für noch mehr Unmut beim Frontmann der Liberalen hatte die Einlassung des Bürgermeisters im zurückliegenden Bauausschuss gesorgt, Bellizzi möge doch nicht so ernst nehmen, was da ans Innenministerium geschickt worden sei. Worauf der entgegnete, solch eine Aussage sei doch wohl höchst befremdlich angesichts der Tatsache, dass es sich bei besagtem Schreiben um ein offizielles Dokument der Stadt handele, das zudem die Unterschrift des Bürgermeisters trage.
FDP kritisiert ein „Spiel auf Zeit“
Laut FDP, die das Bürgerbegehren als einzige Fraktion konsequent unterstützt hat, werde das Thema im Rathaus schlicht ignoriert und ausgesessen. Statt die Planungen anzupassen, spiele man dort auf Zeit und wolle einfach weitermachen wie bisher. „Damit zeigt der Bürgermeister allen Bürgern und Einzelhändlern, die sich für den Erfolg des Entscheids eingesetzt haben, den ausgestreckten Mittelfinger“, so Freidemokrat Bellizzi.
Dabei hatte Sozialdemokrat Boege nach seiner Wahl nicht nur „eine neue Form der Kommunikation“ versprochen, sondern auch, das Ergebnis des Bürgerentscheids respektieren zu wollen. Eine der Lehren müsse sein, solcherart Projekte künftig gemeinsam mit allen Betroffenen zu entwickeln. Nun steckt er in dem Dilemma, sich im Bürgermeisterwahlkampf zwar für eine autoarme Innenstadt positioniert zu haben, dies durch das Ergebnis des Bürgerentscheids aber nicht umsetzen zu können. Jedenfalls nicht vor Herbst 2024.
Das Projekt plötzlich keine Priorität mehr
Stefan Skowronnek zeigte sich vom „verordneten Stillstand“ in der Causa Innenstadtentwicklung „nicht sonderlich überrascht“. Für den Geschäftsführer des Kaufhauses Nessler, der zu den Initiatoren des Bürgerbegehrens zählte, sei in den vergangenen Monaten der Eindruck entstanden, dass insgesamt der große Wille fehle, das Problem der gegensätzlichen Positionen konstruktiv zu lösen. Mal sei von einem fehlenden Budget die Rede, mal würden fehlende Personalressourcen beklagt.
„Aus verschiedenen Gründen hat das Projekt Hamburger Straße offenbar keine Priorität mehr. Es wird weiter gewurschtelt, verzögert und auf die lange Bank geschoben. Es passiert jedenfalls kaum etwas und es gibt wenig Zählbares“, so Skowronnek. Dabei sei der Disput um Stellplätze längst zu einer existenziellen Frage für viele Händler in der City geworden.
36 Parkplätze in Hamburger Straße sollen verschwinden
Bekanntlich sollen allein im Zuge des Umbaus der Hamburger Straße zu einer Flaniermeile mit Bäumen, Bänken und breiten Gehwegen 36 der bislang 53 Parkplätze am Straßenrand verschwinden. So sieht es ein Innenstadtkonzept vor, das Ahrensburgs Stadtverordnete bereits Anfang 2018 beschlossen haben.
Dabei sind bereits Dutzende Stellplätze abgebaut worden. Erst auf dem Lindenhof, dann auf der Alten Reitbahn, zuletzt auch auf dem Rathausmarkt. Für die nächste Bauausschusssitzung am kommenden Mittwoch hat die Wählergemeinschaft WAB einen Antrag eingebracht, wonach der provisorische Parkplatz hinterm Rathaus im Herbst dieses Jahres um mindestens 50 Stellplätze erweitert werden soll, damit der Umbau der Hamburger Straße zwischen AOK-Kreuzung und Rondeel fortgesetzt werden kann. Womit die Reduzierung der Parkplätze dort besiegelt wäre. Und der Bestand an alternativer Stelle keineswegs gesichert.
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„Offenbar will die Stadt weitermachen, als hätte es den Bürgerentscheid nie gegeben“, sagt Stefan Skowronnek. Das hinterlasse nicht nur bei ihm, sondern ebenso bei vielen Ahrensburgern ein „Gefühl der Leere und Enttäuschung“. Damit werde aber zugleich ein fatales Signal im Umgang mit dem Bürgerentscheid ausgesendet. „Wenn das schärfste basisdemokratische Schwert der Bürger dermaßen missachtet wird, leistet das deren Entfremdung von der Kommunalpolitik und der Verdrossenheit nur Vorschub“, so Skowronnek.
Gestützt wird diese Ansicht auch von Hauke Wendt, Leiter der Ahrensburger Musicalschule und ebenfalls Mitinitiator des Bürgerbegehrens. „Das Problem mit den Stellplätzen wurde viel zu lange vor sich hergeschoben. Jetzt, da es einen klaren Auftrag der Bürger gibt, zwei Jahre Stillstand zu deklarieren, hinterlässt einen faden Beigeschmack. So bleibt nur zu hoffen, dass der Passus in der Verwaltungsvorlage lediglich unglücklich formuliert ist“, sagt Wendt sarkastisch.