Bad Oldesloe. Bedarf übersteigt das Angebot. Verantwortliche rufen zur Demonstration auf. Was sie gegen Fachkräftemangel tun wollen.
Der Schuh drückt an allen Ecken und Enden. Zum 1. Februar wurden auch in Bad Oldesloe wieder die Kitaplätze für das neue Kindergartenjahr vergeben. Doch schon lange vorher stand fest: Es werden wieder Eltern und Kinder leer ausgehen. So war es im vergangenen Jahr, und auch damals war die Platznot kein neues Problem.
Weil die Missstände sich seit Jahren verschärfen, weil Personalnot und Fachkräftemangel in Oldesloer Kitas wie fast überall groß sind, weil Eltern verzweifeln und die Ausbildung dringend reformiert werden müsste, schlägt nun eine neue Initiative rund um Jana Schmidt, Leiterin der Kindertagesstätte Moordamm, Alarm.
Zu wenig Kitaplätze: Im Oktober hatten die Kitaleitungen einen Brandbrief geschrieben
Bereits im Oktober hatten alle Oldesloer Kita-Leitungen einen Brandbrief an Stadt, Kreis und Land gerichtet. „Am Ende unserer Kräfte“, lautete seinerzeit die Überschrift. „Wirklich passiert ist seitdem nichts“, so Jana Schmidt. Deshalb ergreifen sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter nun die nächsten Schritte.
Anfang des Jahres startete Schmidt einen Aufruf, woraufhin sich 31 Betroffene der prekären Kitasituation meldeten: Eltern, Fachkräfte, Leitungen und Träger. „Das war der Startpunkt für die Initiative: Kita in OD – Zeit zu handeln“, so die 40-Jährige. Das Ziel: Gemeinsam laut werden, um die Situation zu verbessern. Dass die Stadt Bad Oldesloe den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz nicht zu 100 Prozent erfüllen kann, war bereits häufiger Thema im Bildungs-, Sozial- und Kulturausschuss (BSKA).
Initiative ruft für Sonnabend zu einer Demonstration vor dem KuB auf
Für Sonnabend, 4. Februar, ruft die Initiative von 10 bis 13 Uhr zu einer Demonstration vor dem Kultur- und Bildungszentrum (Beer-Yaacov-Weg 1) auf. Für Montag, 6. Februar, ist eine Podiumsdiskussion zum Thema geplant. Sie findet von 20 bis 22 Uhr in der Festhalle (Olivet-Allee 2) statt. Bis zu 300 Menschen können an der kostenlosen Veranstaltung teilnehmen. „Bürgermeister Jörg Lembke, Stadtverordnete und Mitglieder der Stadtverwaltung haben zugesagt“, so Schmidt.
Außerdem hat die Initiative eine Petition gestartet, die innerhalb weniger Tage mehr als 500 Menschen unterschrieben haben. Denn, in diesem Punkt sind sich alle Verantwortlichen einig: So kann es nicht weitergehen. „Im vergangenen Jahr haben knapp 20 Kinder keinen Kitaplatz bekommen“, sagt Jana Schmidt. Diese Zahl klinge erst einmal nicht dramatisch. „Die Einzelschicksale sind es aber“, so die Kitaleiterin.
Für Eltern, die keinen Kitaplatz bekommen, sind die Folgen oft dramatisch
Die Gespräche, die sie mit jungen Eltern führe, seien aufwühlend. „Für sie hängt so viel davon ab. Oft sind Eltern finanziell darauf angewiesen, dass beide arbeiten müssen. Wenn sie für ihr Kind keinen Kitaplatz bekommen, müssen die Eltern teils beruflich kürzertreten und können schlimmstenfalls ihren Hauskredit nicht abbezahlen“, so Schmidt. Immer wieder rufen solche Eltern in der Kita an, bitten und betteln, reichen alle möglichen Unterlagen ein. Oft kann Jana Schmidt aber nichts für sie tun. Denn an den Stellschrauben müssten andere drehen: nämlich die Politik.
Ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz besteht zwar grundsätzlich. „Der hilft akut aber nicht weiter“, so Schmidt. Theoretisch hätten alle Eltern die Möglichkeit zu klagen. Doch das koste Mühe und Geld und beschere ihnen auf die Schnelle eben auch keinen Kitaplatz, wenn schlicht keiner da ist. „Dann muss irgendwie das soziale Umfeld den fehlenden Platz auffangen“, so Schmidt. Wenn das nicht möglich ist, drohen eben finanzielle Einbußen. Tagesmütter seien oft ausgebucht, und auch Kitaplätze in anderen, entfernteren Gemeinden helfen nicht immer weiter.
Angedachter Neubau einer Kita am Claudiussee liegt aktuell auf Eis
Fachkräfte und Betreuungsplätze seien in der Kreisstadt Mangelware. Konkret fordert die Initiative unter anderem den angedachten Neubau der Kita am Claudiussee, der aktuell auf Eis liegt. Außerdem müssten dringend Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung realisiert werden. Denn aktuell sei der Beruf unattraktiv: „Wenig Verdienst, wenig Anerkennung, wenig Aufstiegschancen“, hieß es im Oktober im Brandbrief. Dem gegenüber stünden eine hohe Belastung und immer mehr gesellschaftliche Anforderungen, zum Beispiel in Sachen Integration.
„Außerdem ist die Ausbildung dringend reformbedürftig“, so Schmidt. Problem: Wer nach der Mittleren Reife die Ausbildung beginnt, steht vor bis zu fünf Jahren Ausbildung ohne Gehalt. Die schulische Ausbildung wird nicht vergütet. Folglich entscheiden sich immer weniger junge Menschen, den Beruf zu ergreifen, es fehlt massiv an Nachwuchskräften. „Gleichzeitig gehen aber viele Fachkräfte der geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand“, so Schmidt.
Wenig Gehalt, wenig Anerkennung: Der Beruf muss attraktiver werden
Je älter Mitarbeitende werden, desto häufiger fallen sie krankheitsbedingt aus. Außerdem sind Erzieherinnen oft Frauen, die kinderaffin sind, früher oder später selbst eine Familie gründen und aus diesem Grund ausfallen. So spitze sich die Personalnot immer weiter zu. Die Folge: Kitas schließen Gruppen oder verkürzen Betreuungszeiten aufgrund fehlender Fachkräfte. Es fehlt an allen Ecken und Enden.
Gegensteuern soll unter anderem PiA. Das steht für praxisorientierte Ausbildung. „Hier bekommen die Auszubildenden eine Vergütung“, sagt Jana Schmidt. Die attraktive Alternative zur klassischen Erzieherausbildung ist zum Beispiel in Bad Segeberg oder Henstedt-Ulzburg möglich. Die Initiative fordert, dass die Ausbildung auch für Bad Oldesloe finanziert wird. Bereits im Brandbrief hatten dies alle 14 Kita-Träger gefordert. Passiert ist das bislang nicht.
Jana Schmidt: „In Kitas wird nicht nur gespielt und gebastelt“
Um für Bad Oldesloe Erzieherinnen und Erzieher zu gewinnen, möchte die Initiative außerdem erreichen, dass Kinder von pädagogischen Fachkräften einen Betreuungsanspruch in Bad Oldesloe bekommen, auch, wenn sie nicht in der Kreisstadt wohnen. Die Liste weiterer Ideen zur Attraktivitätssteigerung des Berufs an Stadt, Kreis und Land war bereits im Oktober lang: Die Anerkennung ausländischer Qualifizierungen sollte vereinfacht beziehungsweise überhaupt erst ermöglicht werden, die Ausbildungsvergütung überarbeitet oder die Ausbildung in den sozialpädagogischen Fachschulen ausgebaut werden.
Eines ist Jana Schmidt wichtig zu betonen: „In Kitas wird nicht nur gespielt und gebastelt. Die pädagogischen Fachkräfte leisten herausragende Arbeit, um die Jüngsten in der Gesellschaft zu bilden, zu erziehen und auf Schule und Leben vorzubereiten.“ Beispielsweise für Kinder aus anderen Ländern, die noch Deutsch lernen müssen, sei ein Kindergartenbesuch überaus wichtig. Sonst komme mit dem Schulbeginn das böse Erwachen. Für alle Kinder gilt: „Alles, was in den Kitas versäumt wird, müssen die Schulen auffangen. Das können sie aber gar nicht“, so Schmidt. Ihre Nachricht an die Politik: „Gute Bildung und Erziehung kosten Geld.“
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Trotz aller Widrigkeiten ist ihr Beruf für sie der schönste auf der Welt. „Es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens, in diesen Bereich zu gehen“, so die 40-Jährige. „Die Momente mit den Kindern tragen mich immer wieder durch anstrengende Tage und schwierige Zeiten.“ Umso bedauerlicher findet sie es, dass der Beruf vor allem jungen Menschen oft madig gemacht werde. Sie hofft, dass sich die Umstände bessern, damit wieder mehr Leute Erzieherin oder Erzieher werden wollen.