Steinburg. Tobias Kramp gibt das mehr als 100 Jahre alte Traditionsgeschäft aus Altersgründen auf. Nächster Laden ist rund zwölf Kilometer entfernt.

Nicht weniger als eine Ära geht dieser Tage in der kleinen Gemeinde Steinburg bei Bad Oldesloe zu Ende: Nach mehr als hundertjähriger Geschichte hat der Edeka-Markt an der Hauptstraße im Ortsteil Mollhagen am 14. Januar zum letzten Mal geöffnet. Inhaber Tobias Kramp, der das Geschäft gemeinsam mit seiner Frau rund 40 Jahre in dritter Generation geführt hat, hört aus Altersgründen auf, einen Nachfolger gibt es nicht. Steinburg verliert damit nicht nur ein Stück Dorfgeschichte, sondern auch den einzigen Supermarkt im Ort.

„Meine Großeltern haben das Geschäft vor 70 Jahren übernommen, der erste Laden war etwas weiter die Straße runter“, erzählt Tobias Kramp. Die Kaufmannsfamilie kam ursprünglich aus der Region Boizenburg in Westmecklenburg, hatte sich zunächst in der Nähe von Plön niedergelassen, ehe sie 1953 nach Stormarn zog. „Damals gab es noch vier weitere Lebensmittelgeschäfte in Mollhagen“, sagt der 63-Jährige.

Mollhagen verliert mit Schließung des Edeka-Marktes einzigen Supermarkt

Doch die geben nach und nach auf, einzig die Kramps bleiben. 1966 lässt Tobias Kramps Vater einen größeren Neubau errichten, in dem das Geschäft bis zuletzt ansässig war. Obwohl die Ladenfläche nur etwa 200 Quadratmeter misst, hat Kramp ein breites Sortiment und zu Hochzeiten acht Angestellte. Doch seit der Jahrtausendwende werden es weniger, nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern weil sich kaum noch neue Mitarbeiter finden lassen.

„Einige Kolleginnen und Kollegen sind weggezogen, andere in Rente gegangen“, sagt Kramp. Ersatz zu finden, sei nur schwer möglich gewesen. „Die Leute fahren zum Arbeiten vom Dorf in die Stadt, aber es gibt nur Wenige, die zum Arbeiten aufs Land fahren wollen“, sagt der Geschäftsmann. Nun möchte Kramp selbst in Rente gehen, mehr Freizeit haben. „Wirtschaftlich gesehen hätte ich noch weitermachen können“, betont er.

Für die großen Ketten ist die Ladenfläche viel zu klein

Ein Interessent, der den Laden übernehmen wollte, fand sich dennoch nicht. Der Sohn des Paares hat inzwischen ein eigenes Geschäft eröffnet, im Kreis Segeberg und deutlich größer. „Die Fläche ist einfach zu klein, als dass sich hier eine Kette ansiedelt“, sagt Kramp. Ein Angebot, wie es die großen Supermärkte in den Städten bieten, sei da nicht möglich. „Und es ist ein Ammenmärchen, dass die Leute allein aus Solidarität vor Ort einkaufen“, so der 63-Jährige. Im Zweifelsfall zählten Auswahl und Preise und da wolle er auch niemandem einen Vorwurf machen.

Abschied nach über 40 Jahren: Tobias Kramp schließt zum letzten Mal die Tür seines Ladens in Mollhagen.
Abschied nach über 40 Jahren: Tobias Kramp schließt zum letzten Mal die Tür seines Ladens in Mollhagen. © Privat | Privat

Und einfacher seit die Situation in den vergangenen Jahren nicht geworden. „Die Kosten für Datenschutz, Verwaltung und Wartung sind immens gestiegen“, sagt Kramp. Als im März 2022 die Volksbank Raiffeisenbank ihre Filiale gegenüber geschlossen habe, habe ihn das 40 bis 50 Kunden am Tag gekostet. „Die fahren dann lieber gleich zum Einkaufen in die Stadt“, sagt er.

Bis zum nächsten Supermarkt müssen Steinburger zwölf Kilometer fahren

Ohne Bank und Supermarkt hat Mollhagen zwei wesentliche Anlaufstellen im Ortskern verloren. „Für die Gemeinde ist das natürlich ein großer Verlust“, sagt Steinburgs Bürgermeister Wolfgang Meyer (CDU). Eben schnell Brötchen holen, Mehl oder eine Milch besorgen, das geht nun nicht mehr. Bis zum nächsten Supermarkt müssen Steinburger rund zwölf Kilometer nach Bargteheide fahren. Für den Bürgermeister ist das kein Dauerzustand.

„Wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir die Nahversorgung im ländlichen Raum sicherstellen“, sagt Meyer. Viele Dörfer stünden vor ähnlichen Problemen. In Grönwohld bei Trittau, wo Ende Januar 2022 der Edeka-Markt nach 93 Jahren geschlossen hatte, soll ein genossenschaftlich organisierter, automatisierter Selbstbedienungsladen der Kette Tante Enso eröffnen.

Gemeinde plant neuen Ortskern mit Laden, Feuerwache und Dorfgemeinschaftshaus

Ein solches Modell ist in Steinburg nicht im Gespräch. Ein neuer, größerer Supermarkt soll nach dem Willen der Kommunalpolitik gemeinsam mit einem Neubau für die Feuerwehr und einem Dorfgemeinschaftshaus als Teil eines neuen Dorfzentrums entstehen. „Das war auch der Wunsch, den viele Bürger während der Workshops zum Ortsentwicklungskonzept 2018 geäußert haben“, sagt Meyer. Einen überdimensionierten Supermarkt-Neubau „auf der grünen Wiese“, also außerhalb des Ortes, sieht er kritisch.

Bereits seit Mai 2019 laufen dem Bürgermeister zufolge Verhandlungen mit verschiedenen Beteiligten über einen möglichen Standort für den neuen Ortskern. Um welche Fläche es sich handelt, möchte Meyer aus strategischen Gründen noch nicht preisgeben, sie befinde sich aber unmittelbar in Mollhagens Ortsmitte.

Kramp kritisiert: Gemeinde ist viel zu spät aktiv geworden

Für Tobias Kramp sind die Überlegungen für einen Markt in einer neuen Dorfmitte richtig, allerdings kämen sie zu spät. „Diese Weichenstellungen hätten schon vor zehn Jahren erfolgen müssen, es war allen bekannt, dass ich nicht ewig weitermache“, sagt er. Als er sein Geschäft Anfang der 2000er-Jahre von 200 auf 400 Quadratmeter habe erweitern wollen, hätten sowohl die Edeka als auch die damaligen Politiker in der Gemeinde die Notwendigkeit nicht erkannt. „Jetzt ist der Zug abgefahren“, sagt Kramp.

Auch für Bürgermeister Wolfgang Meyer hätte es in der Vergangenheit schneller gehen können. Lange Zeit sei es aber aufgrund von Vorgaben der Landesplanung gar nicht möglich gewesen, eine Genehmigung zum Bau eines größeren Lebensmittelmarktes zu erteilen. „Deshalb haben wir uns sehr darum bemüht, dass Mollhaben als ländlicher Zentralort mit einer Versorgungsfunktion eingestuft wird, was uns 2019 auch gelungen ist“, so Meyer. Planungsrechtlich habe die Gemeindevertretung inzwischen längst alle Voraussetzungen für einen Supermarkt und die neue Ortsmitte geschaffen. „Das Problem ist, dass nicht die gesamte Fläche, die notwendig ist, der Gemeinde gehört“, sagt der Bürgermeister. Deshalb dauerten die Gespräche an.