Lübeck. Staatsanwaltschaft Lübeck fordert für die Angeklagten aus Stormarn langjährige Haftstrafen. Das Urteil wird am 2. Februar erwartet.

Dass mit säumigen Kunden in der Drogenszene nicht gerade zimperlich umgegangen wird, ist hinlänglich bekannt. Der Fall, der gerade vor der VII. Großen Strafkammer des Landgerichts Lübeck aufgerollt wird, zeugt indes von einer besonderen kriminellen Energie, sollte er sich tatsächlich so abgespielt haben, wie in der Beweisaufnahme dargestellt.

Weil ein junger Mann aus Stormarn keine Anzahlung für seine Bestellung von einem Kilo Kokain leisten wollte, soll er kurzerhand gekidnappt und zu einer Bank in Bad Oldesloe gefahren worden sein, wo er den geforderten Betrag „unter Aufsicht“ abheben sollte. Im Raum steht der Vorwurf einer gemeinschaftlich begangenen räuberischen Erpressung, die mit einer gewaltsamen Geiselnahme einherging.

Drogengeschäft: Ein Kilo Kokain für 45.000 Euro bestellt

Laut Anklageschrift soll Mirko T. (Namen geändert) seinen Bekannten Lars C. um einen Kontakt zum Drogendealer Peter F. gebeten haben. Der 22-jährige aus Bad Oldesloe sollte ein Kilo Kokain besorgen, das T. gewinnbringend weiterverkaufen wollte. Zuvor sollte er aber nachweisen, dass er die Lieferung zu einem Preis von 45.000 Euro überhaupt bezahlen kann. Zum Beweis legte er auf seinem Handy einen Screenshot vor, der angeblich ein Vermögen von knapp 135.000 Euro bekundete.

Um sicher zu gehen, dass T. tatsächlich über so viel Geld verfügen kann, sollte er in den nächsten Tagen mindestens 5000 Euro vorweisen. T. gab daraufhin an, am 22. und 23. März 2022 jeweils 9500 Euro abgehoben zu haben. Nur leider sei das Geld auf dem Nachhauseweg bei einer Polizeikontrolle beschlagnahmt worden.

Zur Fahrt nach Bad Oldesloe gezwungen

Misstrauisch geworden, sollen der Dealer Peter F. und sein „Lieferant“ Erik A. ihren Kunden Mirko T. dann am 24. März in eine Falle gelockt haben. T. glaubte, an diesem Tag am Sportplatz der Grundschule Mollhagen/Steinburg nur seinen Bekannten Lars C. zu treffen. Plötzlich tauchten dort aber Peter F., Erik A. und zwei weitere Männer, Chris B. und Falko D., auf.

Für die Staatsanwaltschaft besteht nach ihrem Plädoyer kein Zweifel daran, dass das Quartett Mirko T. bedrängt und eingeschüchtert hat. Den Ermittlungen zufolge soll er von Erik A. sofort ins Gesicht geschlagen worden sein, wodurch eine leichte Verletzung am rechten Auge entstand. Unter weiteren verbalen Drohungen soll T. schließlich zum Einsteigen in einen schwarzen Mercedes E 220 CDI gezwungen worden sein, um zur Sparkasse Holstein nach Bad Oldesloe zu fahren. Dort sollte er ohne weitere „Faxen“ 10.000 Euro abheben.

Drohungen mit Messern und Handastsäge

Auf der Fahrt sollen die Insassen T. mehrfach mit Messern und einer Handastsäge bedroht haben. Um zusätzlich Druck auszuüben, habe Peter F. dem Portemonnaie von Mirko T. dessen Personalausweis entnommen, um ihn zu fotografieren. Nun wüsste man auch, wo er wohne, um im Ernstfall alle Schulden vollständig eintreiben zu können.

Vor der Oldesloer Zentrale der Sparkasse Holstein in der Hagenstraße 19 angekommen, soll Erik A. dem eingeschüchterten T. noch einmal ultimativ gedroht haben, er werde ihn „abstechen“, wenn dieser ohne das Geld wieder herauskomme. Zur Begleitung tauchte plötzlich mit Francesco E. ein weiterer Tatbeteiligter auf, der T. in die Schalterhalle folgte.

Anwalt bezeichnet Mirko T. als Lügner

Dort erbat Mirko T. 10.000 Euro von seinem Konto. Dabei wirkte er aber offenbar so nervös, dass der Kundenberater am Schalter eine leitende Mitarbeiterin informierte, die T. mit in ein separates Büro nahm. Von dort aus informierte sie die Polizei, die letztlich alle sechs Tatbeteiligten festnehmen konnte.

Kurz vor dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft versuchte der Verteidiger von Erik A. das Opfer als „pathologischen Lügner“ darzustellen, dessen Aussagen „nicht erlebnisbasiert“ und deshalb höchst zweifelhaft seien. Man müsse bei Mirko T. ein „übersteigertes Geltungsbedürfnis“ und eine „narzisstische Persönlichkeitsstörung“ vermuten. Seine Aussagen seien jedenfalls oft widersprüchlich und in sich nicht schlüssig gewesen.

Opfer soll Zeugen beeinflusst haben

Zudem habe er mehrfach versucht, Zeugen zu beeinflussen. Deshalb sollten diese in jedem Fall noch einmal vorgeladen und dazu befragt werden. Ein anderer Anwalt forderte die Vorladung eines Sachverständigen zur Analyse der DNA-Spuren an den Messern. Andererseits sei ohnehin strittig, ob sie überhaupt eingesetzt worden seien, um Mirko T. einzuschüchtern.

Kurioserweise wies der Anwalt von Peter F. allerdings darauf hin, sein Mandant habe Mirko T. 1500 Euro mit der Bitte um Verzeihung geboten, ohne damit jedoch ein Schuldeingeständnis zu verbinden. Doch leider sei dieser Versuch eines Täter-Opfer-Ausgleichs ohne Reaktion geblieben. Das Gericht wies unterdessen eine erneute Zeugenbefragung ebenso zurück, wie ein Gutachten über die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen und die zusätzliche Befragung eines DNA-Spezialisten.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft gebe es am Tathergang keinen Zweifel, es sei eine erhebliche Drohkulisse aufgebaut worden. „Dafür sprechen nicht nur die Aussagen der Zeugen, auch die Teilgeständnisse der Angeklagten selbst, sowie die Auswertung der Sprach- und Chatnachrichten auf den Handys der Beschuldigten“, sagt Staatsanwältin Mareike Lindner. Alle sichergestellten Mobiltelefone seien zur Tatzeit in Funkzellen im Umfeld der Sparkasse eingeloggt gewesen.

Wegen diverser Vorstrafen und Verstöße gegen aktuelle Bewährungsauflagen beantragte Lindner für den 29-jährigen Reinfelder Erik A. und den 22-jährigen Oldesloer Peter F. Haftstrafen von je sieben Jahren, der 26-jährige Falko D. soll sechs Jahre hinter Gitter. Dem 27-jährigen Chris B. aus Niedersachsen drohen fünf Jahre und zwei Monate Freiheitsstrafe, dem 23-jährigen Francesco E. aus Bad Oldesloe ein Jahr und zwei Monate. Einzig der 26-jährige Steinburger Lars C. könnte mit einer achtmonatigen Bewährungsstrafe und 100 Sozialstunden davonkommen. Die Urteilsverkündung ist für den 2. Februar vorgesehen.