Bad Oldesloe. Warum der Kreis gerade jetzt das Thema Erdwärme für sich entdeckt. Im Nachbarland Dänemark ist man da schon viel weiter.
In Zeiten wie diesen, in denen die Beschaffung von Gas und Öl zunehmend schwierig wird, erinnert man sich einer Energieressource, die bislang weitgehend ungenutzt blieb: Erdwärme. „Sie steht ganzjährig und verlässlich zur Verfügung, ist wetterunabhängig, krisensicher und nahezu unerschöpflich. Darum ist es richtig, ihre Nutzung in Deutschland weiter voranzubringen“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) jüngst. Das hat die CDU Stormarn umgehend aufgegriffen: Im Wirtschaftsausschuss des Kreises beantragte die Fraktion, zeitnah 6000 bis 8000 Euro in eine Machbarkeitsstudie zu investieren, um die Geothermie-Potenziale des Kreises zu ermitteln.
„Industrie, Gewerbe und die Wohnungswirtschaft leiden auch in Stormarn enorm unter der Energiekrise. Um unseren schlagkräftigen Wirtschaftsstandort zu erhalten und Arbeitsplätze zu sichern, müssen wir neue Wege in der Energiegewinnung prüfen“, sagt der CDU-Kreistagsabgeordnete Wolfgang Gerstand, der Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses ist. Außerdem könne die Geothermie ein weiterer wichtiger Baustein zur Erreichung der Klimaziele sein, da deutlich weniger CO2-Aufkommen emittiert werde.
Bund will 100 Geothermie-Projekte anstoßen
Der Zeitpunkt für den Einstieg ist günstig. Experten sehen bundesweit ein geothermisches Potenzial von zehn Terawattstunden (TWh). Das entspräche einer Verzehnfachung der aktuellen Einspeisung von Erdwärme. Bis 2030 sollen fünfzig Prozent des gesamten deutschen Wärmebedarfs klimaneutral erzeugt werden, davon die Hälfte aus Geothermie.
Um dieses Ziel zu erreichen, will der Bund mindestens 100 zusätzliche geothermische Projekte anstoßen und an die Wärmenetze anschließen, um Wohngebäude und ganze Stadtquartiere zu beheizen. Außerdem soll die Energiequelle für industrielle Prozesse nutzbar gemacht werden.
Stormarner Delegation war zum Informationsbesuch in Dänemark
„Da wollen wir als Kreis ganz vorn mit dabei sein“, sagt Kreispräsident Hans-Werner Harmuth (CDU). Um das zu untermauern, weilte er mit Vertretern des CDU-Wirtschaftsrats und der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS) Anfang vergangener Woche bei einer Fachtagung im dänischen Sønderborg.
Die Kommune an der Flensburger Förde nutzt die Geothermie bereits seit vielen Jahren und kombiniert sie unter anderem mit der Müllverbrennung. Vorgestellt wurde zudem das Konzept der Stadt Aarhus. Dort sollen mittels sieben Förder- und zehn Reinjektionsbohrungen (Rückführung des Wassers) bis 2025 sieben Heizwerke mit 60 bis 80 Grad Celsius heißem Wasser aus etwa 1200 Metern Tiefe gespeist werden. Die erwartete Gesamtleistung beläuft sich Prognosen zufolge auf 111 Megawatt.
Sind denn solche Szenarien auch für Stormarn denkbar? Für erste Antworten haben die Kreispolitiker Verbindung mit dem in Berlin ansässigen Netzwerk „Green with IT“ aus 24 Unternehmen und Forschungseinrichtungen aufgenommen. Es hat sich auf die Reduzierung von Heizwärme fokussiert und verfügt inzwischen über eine reichhaltige Expertise.
Pro Hundert Meter Tiefe drei Grad Celsius wärmer
„Prinzipiell ist die Nutzung von Erdwärme überall möglich“, sagt der Vorstandsvorsitzende Jörg Lorenz. Die Frage sei nur, wie tief man im Einzelfall bohren müsse, um ausreichend heiße Thermalwasserleiter zu erreichen. Einer Faustformel nach steigt die Temperatur pro 100 Meter Tiefe um etwa drei Grad Celsius.
Günstige Bedingungen für die Geothermie gebe es etwa im Münchner Becken und im Oberrheingraben. Im Münchner Stadtteil Sendling an der Isar entsteht gerade das größte Geothermiekraftwerk Europas. Etwa 3000 Meter unter Bayerns Landeshauptstadt verläuft ein Thermalleiter, in dem das Wasser rund 100 Grad heiß ist. Damit können künftig 80.000 Münchner versorgt werden.
Neidvolle Blicke ins Land der Geysire
„Natürlich wünschen sich alle Verhältnisse wie auf Island. Da reichen Bohrungen in geringer Tiefe, und das siedende Wasser schießt von allein aus dem Boden“, sagt Lorenz. Es sei so heiß, dass die Isländer mittels ihrer heißen Quellen problemlos Aluminium schmelzen und es seit Jahren konkurrenzlos günstig auf dem Weltmarkt anbieten könnten.
Von solchen Bedingungen sei Stormarn aber weit entfernt, weiß der Fachmann. „Hier wird man nicht umhinkommen, deutlich tiefer zu gehen und zusätzlich zu pumpen“, so Lorenz. Konkretes könne man aber erst nach eine Machbarkeitsstudie und Probebohrungen sagen. Während für erste seismographische Untersuchungen 50.000 Euro fällig werden, entstehen bei Bohrungen schon Kosten von rund einer Million Euro.
- So will Habeck die „Wärmewende „ voranbringen
- Bargteheide streitet um Förderung von Balkonkraftwerken
- «Tag der Geothermie»: Behörde informiert über Erdwärme
„Das sollte die Stormarner aber nicht abschrecken“, sagt Lorenz. Für die Wärmewende habe das Bundeswirtschaftsministerium ein Förderprogramm von 600 Millionen Euro aufgelegt. Es deckt auch das finanzielle Risiko ab, dass vielleicht kein geeigneter Thermalwasserleiter gefunden wird. Der Zuschuss für den Bau von Geothermieanlagen soll künftig laut einem Eckpunktepapier 40 Prozent der Investitionskosten betragen.
Ein geothermischer Vorreiter im Kreis ist die Boltze-Gruppe. Der führende Großhändler für Wohnaccessoires und Geschenkartikel in Europa hat beim Umzug 2013 nach Braak seine neue Firmenzentrale mit einer 550.000 Euro teuren Erdwärmeheizung ausgestattet. Dafür waren seinerzeit sieben Bohrungen mit einer Tiefe von 80 Metern erfolgt. Da das heraufgepumpte Wasser aber nur eine Temperatur von neun Grad Celsius hat, muss es mit zusätzlicher Energie auf 50 Grad erwärmt werden. Dennoch soll die Heizkostenersparnis bei etwa 50 Prozent liegen.