Glinde. Verwaltung will, dass Glinder Grundstücksanteile für Bau von Lärmschutzwand an die Stadt verkaufen. Die machen einen anderen Vorschlag.

Das Schriftstück umfasst nur eine DIN-A4-Seite und ist mit vielen Zahlen gespickt. Verfasser sind die Mitglieder einer Glinder Bürgerinitiative, die an der Stübenkoppel nahe der Kreisstraße 80 leben und seit Jahren besseren Lärmschutz fordern. Sowohl Bürgermeister Rainhard Zug als auch die Fraktionsvorsitzenden und die Politiker des Bauausschusses haben das Dokument erhalten. Darin ist aufgeführt, wo Glinde eine Wand bauen soll und wie dabei vor allem Kosten gespart werden können. Neben dem Vorschlag richten die Anlieger einen Appell an die Entscheidungsträger. Es müsse „unverzüglich gehandelt und der gesperrte Betrag für die Planungskosten freigegeben werden“. Im Haushalt sind 200.000 Euro verankert.

Die Politiker stecken jedoch in der Zwickmühle. Um das Projekt voranzutreiben, müssen die Bedingungen geklärt sein. Verwaltung und Initiative haben jedoch unterschiedliche Auffassungen über den Standort der Wand. Knackpunkt ist hierbei, dass Zug den Bürgern Grund abkaufen will, diese aber kein Interesse haben, Teile ihres Areals zu veräußern. „Ich habe den Eindruck, dass die Verwaltung nicht weiterkommt. Den Plan der Initiative kann ich als Laie schlecht beurteilen“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Rainer Neumann. Er sei ein bisschen ratlos. Dass den Anwohnern geholfen werden muss, ist für den Christdemokraten unabdingbar. Er hat sich selbst ein Bild vor Ort gemacht und schildert seine Eindrücke so: „Der Geräuschpegel ist unzumutbar.“

Bis zu 30.000 Fahrzeuge täglich auf Abschnitt zwischen Glinde und Reinbek

Rainer Neumann, CDU-Fraktionsvorsitzender in Glinde, sagt, der Geräuschpegel an der Stübenkoppel sei unzumutbar.
Rainer Neumann, CDU-Fraktionsvorsitzender in Glinde, sagt, der Geräuschpegel an der Stübenkoppel sei unzumutbar. © HA | Unbekannt

Geschätzt belaufen sich die Kosten für den Neubau der Lärmschutzwand auf rund 1,4 Millionen Euro. Die jetzige ist marode. An einigen Stellen sind nur Fundamente mit Stahlträgern zu sehen, Elemente des Zauns fehlen. Bei höher gelegenen Grundstücken ist eine Holzkonstruktion installiert, die mitunter bis zur Hüfte reicht und nicht wirklich den Schall reduziert. Eine ältere Frau berichtet von Setzrissen im Badezimmer ob der Erschütterungen. Auch in ihren Wohnzimmern hören die Menschen an der Stübenkoppel die Lastwagen und Autos auf der K 80 vorbeirauschen. Der Abschnitt zwischen Reinbek und Glinde gilt mit täglich bis zu 30.000 passierenden Fahrzeugen als die meistbefahrene Kreisstraße Stormarns und gehört nachweislich zu den wichtigsten Verkehrsverbindungen im Süden des Kreises.

Anwohner und Rathaus-Mitarbeiter hatten eine Arbeitsgruppe gebildet, um gemeinsam eine Lösung für das Problem zu finden. Bislang gab es ein Treffen im vergangenen September. Für Dagmar Coordts, Sprecherin der Bürgerinitiative, war die Zusammenkunft wenig zielführend. Sie sagt: „Die Verwaltung hat ein fertiges Konzept vorgestellt, wir durften keine Vorschläge machen. Es war eine Alibi-Veranstaltung.“

Quadratmeterpreis für Bauland liegt in Glinde bei 410 Euro

Der Plan von Bürgermeister Zug beinhaltet, dass Glinde den Bürgern 3000 Quadratmeter Grund abkauft. 14 Eigner sind davon betroffen. Der Zehn-Meter-Streifen wird für einen Unterhaltungsweg benötigt, so die Begründung. Die Verwaltung bewertete den Bereich als Ackerland mit 3,80 Euro pro Quadratmeter, bezifferte den maximalen Verhandlungspreis auf zehn Euro. Coordts und ihre Mitstreiter waren empört. Daraufhin gab Zug ein Gutachten in Auftrag zwecks Preisermittlung durch Experten.

Laut Coordts ist eine Grundstücksbesichtigung im Mai festgelegt. „Die Bereitschaft, zu verkaufen, sinkt mit jedem Monat, wo nichts passiert“, sagt die 70-Jährige. Inzwischen seien sich alle in ihrer Gruppe einig, kein Land abgeben zu wollen. In Glinde liegt der Quadratmeterpreis für Bauland bei 410 Euro. Die Initiative rechnet damit, dass der Gutachter einen ähnlich hohen Wert für die Stübenkoppel-Grundstücke bestätigt.

Gutachten bringt Klarheit über Erschließungsbeiträge

Ihrer Ansicht nach würde die Stadt beim Verzicht auf den Zehn-Meter-Streifen rund eine Million Euro sparen. Und sie führt weitere Argumente ins Feld, um die Stadtkasse zu schonen: der Wegfall von Pflegearbeiten auf der 3000-Quadratmeter-Fläche, keine zusätzlichen Investitionen für weitere Gutachten. „Es ist nicht sinnvoll, die Wand weiter als jetzt von der Straße entfernt zu bauen, wie es die Verwaltung präferiert“, sagt Coordts. Sie schlägt den Bereich direkt an der K 80 zwischen Leitplanke und Böschung oder den jetzigen Standort vor. Ein Bau auf den Grundstücken der Bürger erfordere eine Wand höher als die derzeit angedachten acht Meter, um die gewünschte Lärmminderung zu erreichen und sei entsprechend teurer. Coordts hat sich über die Beschaffenheit von Schutzwänden informiert. Eine schmale Ausführung mit 15 Zentimeter Breite reiche, so die Rentnerin.

Die Bürgerinitiative hatte sich 2009 gegründet. Ein Streitpunkt war lange, dass die Anlieger Erschließungsbeiträge zahlen sollten. Doch das ist nicht der Fall und seit Juli 2020 durch eine rechtsgutachterliche Stellungnahme abgesichert. Petra Grüner, Fraktionschefin der Grünen, sagt über das Schreiben der Bürgerinitiative: „Ich finde es klasse, dass die Anwohner konkrete Vorschläge machen.“ Die Planungskosten jetzt freizugeben, halte sie für vernünftig. „Es muss miteinander geredet werden und eine Einigung geben.“