Glinde. Bürgerinitiative “Lärmschutz K 80“ wirft Verwaltungschef Rainhard Zug mangelnde Transparenz vor und beschwert sich bei Parteien.

Die Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD, Grünen und FDP in Glinde haben vor wenigen Tagen eine E-Mail erhalten, die Zündstoff birgt. Verfasserin ist Dagmar Coordts von der Bürgerinitiative mit dem Namen "Lärmschutz K 80". Sie und ihre Mitstreiter beschweren sich darin über Bürgermeister Rainhard Zug, werfen ihm mangelnde Transparenz und Verschleierungstaktik vor.

Dabei geht es um ein Gutachten über Sanierung der Lärmschutzwand oder einen Neubau. Die Stadt hat es erstellen lassen. Zentraler Bestandteil ist der Ausschluss einer Kostenbeteiligung der Anlieger. Die Verwaltung wollte das Dokument nicht herausrücken, daraufhin schaltete die Gruppe das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz in Kiel ein, erhielt dann eine Fassung mit geschwärzten Passagen. Nach erneuter Kontaktaufnahme mit der Behörde musste das Rathaus klein beigeben und den kompletten Inhalt zur Verfügung stellen. Diesen hat Coordts jetzt auch den Kommunalpolitikern zukommen lassen.

Laut Gutachten muss die Stadt die Sanierung bezahlen

Die 70-Jährige sagt, die Verwaltung habe ihr weismachen wollen, dass es sich bei den nicht lesbaren Sätzen um schützenswerte Inhalte und unbedeutende technische Anmerkungen handele. Das sei aber nicht der Fall. Sie spielt damit unter anderem auf die Seite 17 des Gutachtens an. Dort heißt es unter der Überschrift Aufgabenverantwortung der Stadt Glinde: "Entscheidend ist insofern, dass die Stadt Glinde für die Unterhaltung der Lärmschutzwand zuständig ist. Damit ist Glinde auch für die Tragung der bei der Sanierung anfallenden Kosten zuständig."

Coordts echauffiert sich über Zugs Verhalten und schreibt den Kommunalpolitikern: "Es stellt sich in diesem Zusammenhang die weitere Frage, was der Bürgermeister uns und Ihnen - der Politik - noch alles verheimlicht oder aktiv verhindert hat, dass wir Kenntnis von unliebsamen Tatsachen erhalten. Mich würde mal interessieren, was Sie davon halten oder wie Sie damit umgehen wollen. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass dieses Vorgehen sich mit dem Diensteid des BM und einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Bürgern und Politik vereinbaren lässt."

Initiative wurde bereits 2009 gegründet

Die Seniorin und ihre Mitstreiter kämpfen seit Langem für mehr Schutz vor Lärm. Sie wohnen an der Stübenkoppel, hören auch in ihren Wohnzimmern die vorbeirauschenden Lastwagen sowie die Autos. Ruhe in ihren Gärten beim Kaffeetrinken kennen die Glinder ohnehin nicht. Der jetzige Lärmschutz an der Kreisstraße 80 ist mangelhaft. An einigen Stellen sind nur Fundamente mit Stahlträgern, Elemente des Zauns fehlen. Woanders ist zwar eine Holzkonstruktion vorhanden, wirklich senken tut sie den Geräuschpegel jedoch nicht.

Um die Zuständigkeiten zu klären, wurde bereits einiges unternommen. Die 2009 gegründete Initiative sowie die Stadt hatten bereits vor vielen Jahren ein Gutachten erstellen lassen. Wer für den Bau eines neuen Lärmschutzes zahlen muss, konnte damals nicht geklärt werden. Eigentümer der maroden Wand ist Glinde, finanziert wurde sie vom Kreis und der Stadt. Auf der einen Seite gab es einen Bebauungsplan, der einen fünf Meter hohen Lärmschutzwall vorsieht. Auf privatrechtlicher Basis zwischen Kreis und Stadt wurde jedoch eine Holzwand mit einer dünnen Dämmplatte erstellt.

Zuerst hieß es, die Anwohner müssten 90 Prozent der Kosten tragen

Vieles ist schief gelaufen zum Nachteil der Bürger. Immerhin haben sie durch das aktuelle Gutachten Gewissheit, nicht mehr in der Pflicht zu stehen, bei einem Neubau Erschließungsbeiträge zu zahlen. Dieser ist sinnvoller als eine Sanierung der jetzigen Konstruktion. Das geht aus dem Gutachten hervor, in dem Vor- und Nachteile beider Varianten aufgeführt sind. Zuvor wurde den Anliegern aus dem Rathaus mitgeteilt, sie müssten einen 90-Prozent-Anteil beisteuern, sollte die Wand ersetzt werden.

Die Politik hat das Projekt inzwischen auf den Weg gebracht, 2021 steht Geld für die Planung zur Verfügung. Geschätzt belaufen sich die Kosten des Neubaus auf rund 1,4 Millionen Euro. Coordts hat eine Wand mit Solarmodulen vorgeschlagen. Diese könnte Glinde verpachten und dadurch Geld generieren, so ihre Idee. "Ich habe Kontakt zu anderen Kommunen aufgenommen, die so etwas erfolgreich umgesetzt haben", sagt die Rentnerin. Sie gehört auch der örtlichen Klimaschutzinitiative an.

Stadt möchte Anwohner Teile der Grundstücke abkaufen

Ob es jetzt zügig voran geht, ist keinesfalls sicher. Denn die Stadt will Anliegern Teile ihres Areals abkaufen. Vorgesehen ist der Erwerb eines Zehn-Meter-Streifens, der sich über 15 Grundstücke erstreckt. Die Verwaltung deklarierte den Bereich als Ackerland mit 3,80 Euro pro Quadratmeter, bezifferte den maximalen Verhandlungspreis auf zehn Euro. Das ist einigen Grundeignern zu wenig, andere wollen laut Coordts nicht veräußern. Rainhard Zug hat nun ein Gutachten in Auftrag gegeben zwecks Preisermittlung durch Experten, sagt aber zugleich: "300 Euro und mehr für den Quadratmeter kann sich Glinde nicht leisten, außerdem ist auf dem Streifen auch keine Bebauung erlaubt." Der Bereich werde benötigt, um einen Unterhaltungsweg zu schaffen.

Die in der jüngsten E-Mail geäußerte Kritik an seiner Person kann er nicht wirklich nachvollziehen. Der Bürgermeister sagt: "Wir hatten eine juristische Einschätzung. Demnach war es erforderlich, Stellen des Dokuments zu schwärzen." Er sehe die Sache völlig entspannt, schließe ein Fehlverhalten aus. Zug gehört auch einer Arbeitsgruppe an mit Verwaltungskräften und Mitgliedern der Bürgerinitiative. Wegen Corona hat es zuletzt aber keine Treffen mehr gegeben.

Politiker äußern Kritik am Vorgehen des Bürgermeisters

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Rainer Neumann kann die Schwärzung des Dokuments nicht nachvollziehen und hat Klärungsbedarf. "Ich werde den Bürgermeister nach der Weihnachtspause ansprechen und seine Stellungnahme einfordern", sagt der Christdemokrat. So etwas säe Misstrauen. Die Lärmbelästigung an der K 80 sei jedenfalls unzumutbar. "Hier muss dringend etwas geschehen." SPD-Fraktionschef Frank Lauterbach kann den Groll der Bürgerinitiative verstehen: "Es entsteht der Eindruck, dass der Bürgermeister nicht mit offenen Karten spielt." Er finde die Sache sehr befremdlich. Sein Pendant von der FDP, Thomas Kopsch, sagt: "Für meine Partei ist es unerklärlich, weshalb Passagen geschwärzt wurden. Herr Zug hat jetzt ein paar Fragen zu beantworten."

Petra Grüner, Fraktionschefin der Grünen, hat sich auch schon mit den Anliegern getroffen. "Die Fronten sind nicht total verhärtet. Man muss sich jetzt finanziell einigen, sonst kommen wir keinen Schritt weiter", sagt die Politikerin mit Blick auf das Wesentliche.