Glinde. Die Villa Bode am Glinder Mühlenteich, früher Heimat eines Nobel-Restaurants, weicht Komplex mit neun Eigentumswohnungen.
Die Tage der Villa Bode in Glinde sind gezählt. Das Gebäude, in dem früher das italienische Nobel-Restaurant San Lorenzo gewesen ist, wird allerdings nicht so schnell abgerissen wie ursprünglich geplant. Der neue Eigentümer, Bauingenieur Holger Heidenreich mit Büro in Aumühle, hatte im Frühjahr noch August oder September ins Auge gefasst. Nun sind die Arbeiten auf 2023 verschoben. „Ich gehe davon aus, dass wir es im April machen“, sagt der 59-Jährige. Er habe derzeit gut zu tun. Soll heißen: Andere Projekte genießen eine höhere Priorität. Den Ersatz für die 1887 errichtete Immobilie hat der Unternehmer der Politik bereits präsentiert: ein Komplex mit neun Luxus-Eigentumswohnungen. Die Bauzeit gibt er mit rund einem Jahr an.
Nach dem Abriss soll es sofort weitergehen mit dem Aufeinandersetzen der Steine. Läuft alles optimal, können die Einheiten im zweiten Quartal 2024 bezogen werden. Den Bauantrag hat Heidenreich gestellt, bewilligt ist er noch nicht. Das dürfte aber eine Formalie sein. In Breite und Länge wird das Baufenster voll ausgereizt, nur in der Höhe nicht. Zwölf Meter sind zulässig, 10,50 Meter vorgesehen. Das Haus mit drei Geschossen und jeweils drei Wohnungen pro Ebene ist in weißem Ton gehalten und ähnelt der Villa Bode. Der Schnitt der Etagen ist identisch, Wohnungen sind 78, 106 und 115 Quadratmeter groß. Die Preise stehen noch nicht fest.
Bebauungsplan wurde im Januar 2021 geändert
Das Gebäude wird mit einer Tiefgarage ausgestattet, hat ein begrüntes Dach mit Fotovoltaikanlage sowie eine Erdwärmepumpe. Öl und Gas spielen keine Rolle. Stuckelemente und ein 50-Zentimeter-Sockel sind ebenfalls Merkmale des Neubaus. Nicht zu vergessen Balkone mit Blick auf den Mühlenteich. Draußen wird Rollrasen verlegt. Die Vergabe wickelt Heidenreich über Makler der Sparkasse Holstein ab. Er sagt: „Es haben sich schon Interessenten gemeldet. Aber konkrete Gespräche werden erst geführt und Verträge gemacht, wenn die Baugenehmigung vorliegt.“
Mit der Materialbeschaffung habe er auch in diesen Zeiten bislang keine Probleme gehabt. Ein Bauunternehmen ist zwar noch nicht ausgewählt. „Aber ich habe einige im Blick, arbeite mir drei Firmen schon seit vielen Jahren zusammen“, so Heidenreich, der unter anderem als Ingenieur das Projekt der Baugenossenschaft Sachsenwald an der Berliner Straße in Reinbek betreut. Neben der Nathan-Söderblom-Kirche entstehen 36 Mietwohnungen, acht davon sind öffentlich gefördert. Weil Heidenreich gut vernetzt ist, konnte sich die Genossenschaft frühzeitig Handwerker und Material sichern.
Dass er in Glinde die Villa Bode, für viele ein Wahrzeichen der Stadt, verschwinden lässt, schmeckt den Kommunalpolitikern gar nicht. Dabei waren es die Entscheidungsträger, die ihm den Weg geebnet haben – wenn auch unwissend und unter ganz anderen Voraussetzungen. Den Bebauungsplan für das 1317 Quadratmeter große Areal hatten sie nämlich im Januar 2021 ausschließlich für die Erweiterungspläne von Giuseppe Dellavecchia geändert, dem Betreiber des San Lorenzo. Der präsentierte der Stadt bereits 2017 einen Entwurf. Die Politik war skeptisch, also wurde nachgebessert und die Grundfläche verkleinert.
Das italienisches Lokal wurde mehrfach ausgezeichnet
Es gab lange Diskussionen um den Grundstücksanteil, der bebaut werden darf. Der Stadtvertretung wurde versprochen, dass das Gebäude die möglichen Maße nicht ausschöpft. Man benötige gewisse Kennzahlen für die Umgestaltung der Außenanlagen, hieß es.
Dellavecchia und seine Frau Iris eröffneten das Lokal 1998 als Pächter, kauften das Haus 2007. Der Betrieb wurde zu einem Aushängeschild der Stadt und war weit über deren Grenzen bekannt. Die Zeitschrift „Der Feinschmecker“ wählte das San Lorenzo unter die zehn besten italienischen Restaurants in Deutschland. Die Dellavecchias sammelten weitere Auszeichnungen.
Die Nachricht von der Betriebsaufgabe in Corona-Zeiten schockte die Parteienvertreter. Giuseppe Dellavecchia begründete den Schritt damit, dass er kein qualifiziertes Personal gefunden hat. Die meisten Mitarbeiter waren gegangen und hatten sich andere Jobs besorgt. Schließlich verkaufte der Gastronom die Villa. Beschäftigungslos ist er nicht, betreibt in Reinbek gegenüber dem Schwimmbad das Bistro Lorenzino mit mehr als 30 Angestellten inklusive Großhandel. Beliefert werden Hotels, Restaurants und der Einzelhandel in Norddeutschland mit italienischen Speisen und Weinen.
Die Politik erwog nach der Veräußerung eine Veränderungssperre – ein Sicherungsinstrument, mit dem Kommunen kurzzeitig keine weiteren Baugenehmigungen auf einem bestimmten Gebiet erlassen. Diesbezüglich wurde ein Gutachten erstellt. Der Hinweis, dass Heidenreich womöglich eine Entschädigung von mehr als zwei Millionen Euro hätte verlangen können, schreckte dann doch ab. Im März dieses Jahres schlug der Bauingenieur im Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz auf, zeigte Visualisierungen des geplanten Neubaus. Gegenwind hat er jetzt nicht mehr zu befürchten.