Ahrensburg. Das Tier wurde am Ostring überfahren. Ergebnisse der DNA-Analyse sind da. In Stormarn wurden auch weitere Wölfe gesichtet.
GW 2015 m – diese Bezeichnung hat das Senckenberg-Institut in Hessen dem Wolf gegeben, der vor rund einem Monat in Ahrensburg totgefahren wurde. „GW“ bedeutet Grauwolf, danach folgt eine fortlaufende Codenummer, der Zusatz „m“ steht für männlich. Doch von woher ist das Tier nach Stormarn gekommen? Darüber rätseln Experten weiterhin.
Ein Autofahrer hatte den Wolf am Freitag, 26. März, zur Mittagszeit auf dem Verlängerten Ostring zwischen der Auffahrt Ahrensfelde und der Autobahn-1-Anschlussstelle mit seinem Wagen erfasst. Das tote Tier wurde zur Untersuchung ins Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin gebracht, parallel dazu erfolgte eine genetische Analyse in einem Labor im hessischen Gelnhausen. Nun liegen die Ergebnisse vor.
Toter Wolf in Ahrensburg - Experten rätseln über Herkunft
„Wir wissen jetzt, dass es sich um einen Rüden und einen Jährling handelt, ein etwa ein bis eineinhalb Jahre altes Tier“, sagt Jens Matzen, Koordinator der Wolfsbetreuer in Schleswig-Holstein. „Aber mehr leider nicht. Er ist vorher noch nicht in Erscheinung getreten.“ Anhand der DNA-Untersuchung können Experten unter anderem nachweisen, ob der Wolf für Nutz- oder Wildtierrisse verantwortlich ist, wenn von den Funden Proben entnommen wurden. Teilweise wird auch Kot analysiert, wenn er wolfstypische Merkmale aufweist.
Anhand der Spuren lässt sich dann ein Bewegungsprofil des Tieres erstellen. In diesem Fall ist das nicht möglich, da keinerlei Daten über GW 2015 m vorliegen. In dem nationalen Referenzzentrum für genetische Wolfsanalysen erfolgen pro Jahr bis zu 2000 genetische Wolfsnachweise anhand von Kot, Haaren, Urinspuren oder Speichelabstrichen an getöteten Beutetieren.
Es ist unklar, aus welchem Rudel der Ahrensburger Wolf stammt
Trotz der großen Datenmenge konnten die Experten nicht herausfinden, aus welchem Rudel der Ahrensburger Wolf stammt. Der Grund: Verwandte des Jungtieres sind bislang nicht beprobt und damit auch nicht registriert worden. „Es werden aber laufend aus dem gesamten Bundesgebiet neue Proben eingeschickt und Abgleichungen vorgenommen“, sagt Matzen. „Irgendwann werden wir erfahren, wo er herkommt.“
Vermutlich war der junge Wolf erst seit kurzer Zeit allein unterwegs. Denn sobald die Tiere geschlechtsreif werden, verlassen sie ihr Rudel oder werden vertrieben. „Das passiert spätestens im Alter von zwei Jahren“, sagt Matzen. So soll Inzest vermieden werden.
Tiere können pro Tag 30 bis 50 Kilometer zurücklegen
Die meisten Wölfe kommen aus dem Südosten über Mecklenburg-Vorpommern ins nördlichste Bundesland, etwa aus Brandenburg oder Sachsen-Anhalt. „Schleswig-Holstein ist für sie bislang nur Durchzugsland“, sagt Matzen. „Paare oder Rudel gibt es hier nicht.“ Pro Tag können die Tiere nach Angaben des Experten 30 bis 50 Kilometer zurücklegen, Kanäle oder Flüsse stellen für sie keine Hürden dar. Dafür aber Autobahnen.
Besonders gefährlich sind für sie in Stormarn die A 1 und die A 24, die sie überqueren müssen. Immer wieder werden dort Wölfe überfahren. Am 1. April 2013 wurde ein Tier auf der A 1 bei Siek von einem Auto erfasst, am 26. April 2014 starb ein anderes auf der A 24 zwischen Reinbek und Witzhave. Am 21. April 2019 wurde eine junge Wölfin auf der A 1 bei Pölitz getötet.
Einzelne Wölfe benötigen ein rund 200 Quadratkilometer großes Areal
„Für Wölfe ist es in Schleswig-Holstein nicht einfach“, sagt Jens Matzen. „Hier gibt es sehr viele Straßen, das Gebiet ist zersiedelt. Es fehlen große Flächen.“ Ein einzelner Wolf benötige ein rund 200 Quadratkilometer großes Areal, in dem es ausreichend Wild gebe, er vor allem aber seine Ruhe habe. „Wölfe möchten gern ungestört leben, das ist in Schleswig-Holstein nicht möglich.“ Auf den Äckern werde gearbeitet, in den Wäldern seien viele Spaziergänger unterwegs.
Das Nahrungsangebot sei dagegen gut. „Sie fressen gern Rehwild und Hasen, davon gibt es hier genug“, sagt Matzen. Die Wölfe seien ständig auf der Suche nach einem besseren Lebensumfeld, liefen deshalb bis nach Dänemark. Dort endet ihre Tour wegen der Sackgassenlage des Landes. Einige bleiben laut Matzen da, andere kommen zurück nach Schleswig-Holstein.
Am 19. April wurde ein Wolf in Trittau beobachtet
In Stormarn wurden in den vergangenen Wochen weitere Wölfe gesichtet, dokumentiert von Bürgern per Video oder Foto. Am 19. April wurde ein Tier in Trittau beobachtet, das Experten zweifelsfrei als Wolf identifizierten, ein sogenannter C-1-Nachweis. Wenige Tage zuvor, am 16. April, gab es ebenfalls eine C-1-Sichtung im Bereich des Amtes Bargteheide-Land. „Ein Wolf kann sich schon mal ein bis zwei Tage, manchmal auch eine Woche in einem Bereich aufhalten“, sagt Forstwirt Jens Matzen. „Aber dann zieht er weiter. In unserer Region ist es ein Kommen und Gehen.“
Wölfe sind in Deutschland weiterhin akzeptiert:
Die Akzeptanz von Wölfen ist in Deutschland weiterhin hoch. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle repräsentative Forsa-Umfrage, die der Naturschutzbund (Nabu) in Auftrag gegeben hat. 77 Prozent der Befragten sind demnach der Meinung, dass die Tiere genauso wie Füchse, Rehe und Biber zu unserer Landschaft gehören. 75 Prozent gaben an, die Lebensweise spannend zu finden. Obwohl die Zahl der Wölfe in den vergangenen Jahren gestiegen ist, habe sich die Stimmung im Vergleich zu den Umfragen von 2015 und 2018 nicht signifikant verändert, heißt es vom Nabu. „Menschen in Deutschland stehen der Anwesenheit von Wölfen nach wie vor positiv gegenüber“, sagt Ralf Schulte, Fachbereichsleiter Naturschutz. „Wir müssen wieder lernen, mit Wölfen zu leben.
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Dazu gehören neben Information und Aufklärung vor allem auch Unterstützung für Nutztierhalter beim Herdenschutz.“Erstmals wurden die Menschen bei der Umfrage auch danach gefragt, ob es Wölfe in ihrer Region gibt. 28 Prozent bejahten dies. 52 Prozent verneinten es, 20 Prozent konnten dazu keine Angaben machen. In Schleswig-Holstein sind seit 2007 wieder Wölfe unterwegs, seitdem steigt die Zahl der Sichtungen stetig an. Auch in Gegenden mit Wölfen werden die Tiere mehrheitlich von der Bevölkerung akzeptiert – und zwar laut Umfrage von 73 Prozent.
„Menschen in Wolfsgebieten sind zwar eher von der Rückkehr der Tiere betroffen – ein steiles Meinungsgefälle zwischen Stadt und Land oder Wolfsgebiet und Nicht-Wolfsgebiet ist jedoch nicht erkennbar“, sagt Wolfsexpertin Marie Neuwald. Der Naturschutzverein sieht sich durch die Ergebnisse in seiner Arbeit bestätigt. „Wölfe gehören als heimische Tiere in unsere Landschaft“, sagt Neuwald. „Von der Politik erwarten wir, dass sie anstatt sich um Obergrenzen und Bejagung zu streiten, sich der Unterstützung der Weidetierhaltung und des Herdenschutzes widmet