Oststeinbek. Warum das Bauwerk als Teil der Kreisstraße 100 zwischen Havighorst und Oststeinbek zur Investitionsruine wurde.

Wer von Havighorst auf der Kreisstraße 100 nach Oststeinbek fährt, passiert kurz vor der Glinder Au eine Brücke. Den meisten ist das vermutlich gar nicht so richtig bewusst. Denn links wogt ein Getreidefeld, und rechts wogt ein Getreidefeld. Die Brücke überspannt also weder eine Straße noch ein Gewässer, keinen Rad- und keinen Fußweg. „Es ist ein nutzloses Bauwerk, das niemand braucht“, brachte es Gesa Dunkelgut (CDU), Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Kreises, in dessen jüngsten Sitzung kurz und bündig auf den Punkt. Doch so einfach ist es nicht.

Brücke ist im Jahr 1969 errichtet worden

Untersuchungen des zuständigen Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr (LSB.SH) haben ergeben, dass das Bauwerk aus dem Jahr 1969 dringend sanierungsbedürftig ist. Im Bauprogramm Kreisstraßen und Radwege 2022 wird die K 100-Brücke über Gelände, so der korrekte Fachbegriff, sogar als Nachrücker der Dringlichkeitsstufe I geführt.

Einer ersten Schätzung aus dem Jahr 2019 zufolge würde das Vorhaben Kosten von mindestens 300.000 Euro verursachen. Angesichts der explodierenden Baustoffpreise und Bauleistungen dürften aktuell finanzielle Aufwendungen von bis zu einer halben Million Euro realistischer sein. Doch ist es wirklich sinnvoll und vertretbar, ein Bauwerk zu erhalten, das de facto keine Funktion hat? Und warum steht es überhaupt in der Landschaft?

Verlegung der L 94 wurde nie umgesetzt

Die Spurensuche führt zurück ins Jahr 1969. Seinerzeit gab es Planungen des Landes Schleswig-Holstein, die Landesstraße 94 zu verlegen. Südlich von Oststeinbek sollte sie die Kreisstraße 100 kreuzen. Der notwendige Trog zur Unterführung samt Brücke ist schließlich auch gebaut worden. Die neue Trasse der L 94 aber nicht.

Inzwischen hat die Investitionsruine mehr als 50 Jahre auf dem Betonbuckel und genügt den hohen statischen Anforderungen an eine sichere Überfahrt in Zukunft nur noch bedingt. „Daher ist nun zu prüfen, ob der Erhalt der Brücke zwingend erforderlich ist und ob eine Sanierung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten darstellbar ist“, sagt Maike Langenbach vom Fachdienst Planung und Verkehr in der Kreisverwaltung.

Abriss wäre einer Sanierung vorzuziehen

Die Prüfung durch den LBV.SH hat inzwischen ergeben, dass ein Abriss der Sanierung vorzuziehen sei. Diese Bewertung erfordert, anders als bei der bisher beabsichtigten Erhaltungsmaßnahme, aber eine Grundsatzabstimmung mit verschiedenen Beteiligten. Dazu zählen neben der Bauabteilung des Kreises die Gemeinde Oststeinbek, vor allem aber die Untere Naturschutzbehörde (UNB).

„Besonders mit Blick auf die künftigen Erhaltungskosten wäre es sicher besser, die Brücke abzureißen, den vorhandenen Trog zu verfüllen und die Straße wieder draufzulegen“, sagt Thilo Scheuber, Bauamtsleiter der Kreisverwaltung. Dafür müsse vorab allerdings auch geprüft werden, ob das mit gravierenden Eingriffen in den Natur- und Artenschutz verbunden wäre. „Keiner weiß bislang genau, ob sich im Laufe der Zeit nicht seltene Tiere und Pflanzen unter der Brücke angesiedelt haben“, so Scheuber.

Brücke liegt im Bereich eines Biotopverbunds

Genau deshalb lässt der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr zunächst einen landschaftspflegerischen und artenschutzrechtlichen Fachbeitrag erstellen. Zumal die Brücke im Schwerpunktbereich eines Biotopverbundsystems entlang der Glinder Au liegt. In diesem Zusammenhang wird nun unter anderem untersucht, inwieweit neue Querungsmöglichkeiten unter der K 100 als Vernetzungselemente für das Fauna-Flora-Habitat (FFH) erforderlich sind.

Und als wäre das nicht alles schon kompliziert genug, hat sich bei einer Vorprüfung des Maßnahmenumfangs ergeben, dass etwa 200 Meter nördlich der besagten Brücke über Gelände eine weitere Brücke existiert. Dort sollte nach Fertigstellung der K 100 Ende der 1970er-Jahre ein Gehweg unter der Straße hindurchgeführt werden. Allerdings ist dieser Gehweg ebenso wenig realisiert worden, wie die Verlegung der L 94. Womit auch dieses Brückenbauwerk ohne sinnstiftende Funktion ist.

Baumaßnahmen werden sich deutlich verzögern

Der Abschluss der Abstimmungen zwischen den beteiligten Instanzen war ursprünglich für Ende 2022 angestrebt worden, um im Jahr 2023 mit dem Abriss der Brücke(n) beginnen zu können. Wegen der nun veranlassten Abklärung natur- und artenrechtlicher Belange wird sich die Umsetzung der baulichen Maßnahmen absehbar deutlich verzögern. Aus diesem Grund werden zu den Haushaltsplanungen des Kreises für das kommende Jahr lediglich Haushaltsmittel für sogenannte bauvorbereitende Arbeiten angemeldet. Die tatsächlichen Baukosten für die K-100-Brücken über Gelände und über Gehweg sollen dann frühestens für 2024 und die folgenden Jahre eingeworben werden.

Für alle, die beide Brücken im Alltag regelmäßig nutzen, dürfte das eine positive Nachricht sein: Vorerst wird es also keine Umleitung, keine Umwege und damit keinen Zeitverzug geben. Wann die Kreisstraße 100 zwischen Havighorst und Oststeinbek für Abriss oder Sanierung gesperrt wird, entscheidet sich aller Voraussicht nach erst Mitte nächsten Jahres.