Lübeck/Grande. Hamburger soll in Grande bei Trittau vier Frauen betäubt und vergewaltigt haben. Muss der 31-Jährige in Sicherheitsverwahrung?

Im Prozess um die Vergewaltigung von vier Frauen in Grande bei Trittau vor dem Lübecker Landgericht haben am Montag zwei Sachverständige ihre Gutachten vorgestellt. Dabei ging es unter anderem um die Frage, ob der 31 Jahre alte Angeklagte als Wiederholungstäter nach einer möglichen Haftstrafe in Sicherheitsverwahrung kommt.

Die Staatsanwaltschaft wirft Eren K. (Namen geändert) vor, sich zwischen April 2018 und Februar 2021 an vier Frauen sexuell vergangen zu haben. Der Hamburger soll die Opfer in eine angemietete Gartenlaube eingeladen haben, um gemeinsam Alkohol zu trinken. Unbemerkt soll K. den Frauen die Flüssigkeit Gammabutyrolacton (GBL), umgangssprachlich auch K.o.-Tropfen oder Liquid Ecstasy genannt, ins Glas gemischt haben.

Aufmerksame Freundin eines Opfers alarmierte den Rettungsdienst

Die Substanz wird im Körper in das Schlafmittel Gammahydroxybuttersäure (GHB) umgewandelt. Die Opfer wurden bewusstlos, was der 31-Jährige ausgenutzt haben soll, um sie zu vergewaltigen. Im Februar 2021 flog K. jedoch auf, als er sich an Natalie S. vergangen hatte. Eine Freundin des Opfers hatte den Rettungsdienst alarmiert, nachdem sie S. bewusstlos auf einem Sofa liegend gefunden hatte. Daraufhin konnte im Krankenhaus in Reinbek die Substanz GHB im Blut der jungen Frau nachweisen.

Welche bedrohliche Wirkung das Mittel auf Menschen hat, machte Rechtsmediziner Prof. Dr. Christoph Meißner in seinem Gutachten deutlich. Der Experte vom Universitätsklinikum Lübeck sprach von einer „massiven Bewusstseinseinschränkung“ bei Natalie S., in deren Folge die Hamburgerin habe intensivmedizinisch behandelt werden müssen.

Substanz wird eigentlich zum Entfernen von Graffitis verwendet

GHB wird laut Meißner eigentlich als Felgenreiniger und zum Entfernen von Graffitis verwendet. In kleinen Mengen sei die Wirkung der von Alkohol ähnlich, doch bereits ab einer Dosierung von 4 Gramm könne die Substanz zum Tod führen. „Im Fall der Geschädigten hat aber keine akute Lebensgefahr bestanden“, so Meißner. Bei allen anderen Opfern sei die Einnahme von GHB nicht mehr nachweisbar gewesen. Die Frauen hatten sich erst im Laufe der Ermittlungen im Februar 2021 bei der Polizei gemeldet.

Das ist auch der Grund, warum das Verfahren in einem Fall überraschend eingestellt wurde. Die 22 Jahre alte Ayla Z. hatte angegeben, im April 2018 mutmaßlich Opfer einer Vergewaltigung durch K. geworden zu sein. Doch dessen Anwalt Urs Pause zweifelte die Glaubwürdigkeit der Hamburgerin an und verwies darauf, dass Z. ihren Verdacht erst geäußert habe, als sie durch die Polizei bereits über die Vorwürfe gegen K. informiert gewesen sei. Zudem hatte die 22-Jährige auf Nachfrage eingeräumt, vor ihrer Aussage mit einem Psychologen gesprochen zu haben.

Psychiater: „Entmenschlichung der Partner bis hin zum Objekt“

Auch Staatsanwältin Magdalena Salska sah die Beweislage in diesem Fall als nicht ausreichend gesichert an und beantragte die Einstellung des Verfahrens, zumal die Tat angesichts der Schwere der übrigen Vorwürfe nicht ausschlaggebend für das zu erwartende Strafmaß sei. Anzeichen dafür, dass eine Persönlichkeitsstörung tatursächlich sei, gebe es nicht, sagte der psychiatrische Sachverständige Dr. Wolfgang Schreiber.

Gleichwohl sei bei K. eine „starke Einengung auf eine bestimmte Art Sexualpraxis“ festzustellen, die auf eine „Entmenschlichung der Partner hin zu einem Objekt“ ziele. Diesen Eindruck stütze auch die Tatsache, dass K. eine der Taten gefilmt habe. Auf dem Handy des 31-Jährigen waren Aufnahmen gefunden worden, die ihn bei der Vergewaltigung der 53 Jahre alte Olga M. aus Hamburg im November 2019 zeigen, so der Psychiater.

Voraussetzungen für Sicherheitsverwahrung laut Sachverständigem nicht gegeben

Die Voraussetzungen für eine Sicherheitsverwahrung sieht Schreiber dennoch nicht gegeben. „Wir haben es hier zwar mit eingeschliffenen Verhaltensmustern zu tun, aber ich kann nicht mit hinreichender Sicherheit sagen, dass der Hang zur Wiederholung derart ausgeprägt ist, um das zu rechtfertigen“, sagte der Gutachter. Die Beweisaufnahme in dem Verfahren ist damit fast abgeschlossen. Bereits am Donnerstag, 2. Juni, sollen Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklage ihre Plädoyers halten. Das Urteil wird für Mittwoch, 8. Juni, erwartet.