Barsbüttel/Trittau. Zum zehnten Geburtstag würdigt die Gemeinde das ehrenamtliche Engagement der Einrichtung. Sie versorgt 158 Menschen mit Lebensmitteln.
Nicht alle Menschen haben ihr täglich Brot – und doch gibt es Lebensmittel im Überfluss. Die
Tafeln in Stormarn
bemühen sich um Ausgleich für die Bedürftigen. Die Barsbütteler Tafel ist für ihr Engagement jetzt mit der Ehrennadel der Gemeinde ausgezeichnet worden. Für die 45 Aktiven ist die Ehrung ein schönes Geschenk zum zehnjährigen Bestehen. Für Bürgermeister Thomas Schreitmüller ist der runde Geburtstag indes ein fröhliches und trauriges Jubiläum zugleich. Er sagt: „Ich befürchte, wir werden auch noch in zehn Jahren eine Tafel hier im Ort haben.“
Am Anfang wurden 20 Menschen versorgt, jetzt sind es 158
Gestartet waren die Barsbütteler 2007 mit elf Helfern und 20 Kunden. Heute versorgen sie fast achtmal so viele: Derzeit sind es 158 Empfänger, hinter denen meist ganze Haushalte stehen. Schreitmüller ist den Ehrenamtlichen dankbar, sagt: „Ihre Arbeit sorgt für eine Verbesserung des sozialen Friedens und Zusammenlebens untereinander.“ Das gilt auch für die Integration der rund 220 Flüchtlinge in der 12.500-Einwohner Gemeinde. Denn einige helfen bei der Tafel mit. Der Einsatz dort gehört zu den gemeinnützigen Tätigkeiten, die Asylbewerber ausüben dürfen. Bis zu 20 Stunden können sie für die Gemeinde arbeiten und bekommen 80 Cent Stundenlohn dafür. „Die Flüchtlinge freuen sich, dass sie helfen können. Und sie lernen die Sprache und das Leben hier kennen“, sagt Jan Grewe, Fachdienstleiter im Barsbütteler Rathaus.
Für die Tafel sind die jungen, männlichen Flüchtlinge eine Bereicherung. „Anpacken zu können ist wichtig. Denn die Kisten, die wir abholen, sind oft richtig schwer“, sagt Karin Eickenrodt vom Fahrerteam. Zusammen mit Petra Stadler hat sie heute Wurst in den aus Spenden finanzierten Kleintransporter geladen. Damit geht es zur Bergedorfer Tafel, denn die hat im Tausch abzugeben. Die Barsbütteler arbeiten auch eng mit der Trittauer Tafel zusammen.
Deshalb können sie sich bald über einen dringend benötigten weiteren Kühlwagen freuen. Die Trittauer geben ihr altes Fahrzeug ab, denn das neue, finanziert durch Rückstellungen des Vereins und eine großzügige Spende des Lionsclubs Hahnheide, wird bald geliefert. Die Trittauer wiederum versorgen auch die Tafeln in Ahrensburg, Mölln und Ratzeburg mit ihrem Überhang an FeinkostSalaten und Produkten der örtlichen Meierei.
Bundesweit versorgen die Tafeln rund 1,5 Millionen Bedürftige
Bundesweit holen wöchentlich rund 60.000 Ehrenamtliche nicht verkaufsfähige, aber noch verwertbare Nahrungsmittel bei Großhändlern, Herstellern, Supermärkten und Bäckereien ab. Mehr als 920 Tafeln verteilen diese Spenden an rund 1,5 Millionen bedürftige Menschen: an Sozialhilfeempfänger, Rentner und Flüchtlinge. 2016 suchten bundesweit 280.000 Flüchtlinge Unterstützung bei den Tafeln, das waren 19 Prozent der Bedürftigen. Deutlich angestiegen ist auch die Zahl der Senioren. Fast jeder fünfte Tafel-Gast ist im Rentenalter. Waren es vor zehn Jahren noch zwölf Prozent, so sind es heute mit 24 Prozent fast doppelt so viele Ältere, rund 360.000, die auf die Lebensmittelausgabe angewiesen sind.
Mit der Flüchtlingswelle, die 2015 die Tafeln fast überrollte, seien letztlich aber alle gut klargekommen, sagt Marion Jüstel, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit im Bundesverband der Tafeln in Berlin. Mittlerweile habe sich die Anzahl der Kunden auf dem höheren Niveau stabilisiert. „Flüchtlinge sind unter dem Strich gar kein Problem“, sagt Frank Hildebrandt, Vorsitzender des Landesverbandes Schleswig-Holstein und Hamburg, dem 60 Tafeln angehören. Kontakt und Begegnung seien die besten Mittel, um Vorurteile abzubauen, sagt Hildebrandt und erzählt die Geschichte einer Jesidin aus dem Irak, die Kundin seiner Heimattafel in Kiel ist: „Als sie zu uns kam, konnte sie nicht lesen und schreiben. Heute übersetzt sie für uns, wenn neue Flüchtlinge kommen.“ In Trittau hatte sich die Anzahl der Kunden Anfang 2016 durch die Flüchtlingswelle fast verdoppelt. Seitdem wird die Ausgabe an die 189 Kunden auf zwei Tage verteilt. „Das ist leichter für die Ehrenamtlichen“, sagt Jürgen Heuseler, Erster Vorsitzende der Trittauer Tafel, der auf 46 Aktive zurückgreifen kann. Insgesamt versorgen die Trittauer 517 Personen.
Die Barsbütteler Tafel sucht noch ehrenamtliche Helfer
In Barsbüttel werden noch Helferinnen und Helfer für die Ausgabe und als Fahrer gesucht. Jeden Mittwoch von 12 bis 13.30 Uhr versorgen die Barsbütteler ihre Kunden im Jugendzentrum Am Akku. Vor der Ausgabe ist Auspacken und Einsortieren angesagt. Deshalb treffen sich die Aktiven schon morgens um 9.30 Uhr. „Ein Vormittag in der Woche ist ein begrenzter Aufwand, und trotzdem hat man das Gefühl, es war sinnvoll“, sagt Jutta Plöger, Erste Vorsitzende der Tafel. „Man muss nicht jede Woche dabei sein, es geht auch alle zwei Wochen oder als Aushilfe“, erklärt Gerda Enkhusen, die für die Einteilung der Helfer-Zeiten zuständig ist.
Die ehemalige Schulleiterin Angelika Neumann aus Willinghusen gibt seit zwei Jahren Lebensmittel aus. Sie sagt: „Ich schätze den Kontakt zu anderen Menschen, auch zu den vielen Flüchtlingen, die dazu gekommen sind.“ Das mache Spaß und erfülle einen, meint die 66-Jährige. Außerdem sei es gut, dass die Lebensmittel nicht weggeworfen würden. „Wenn die Augen unserer Kunden leuchten, das gibt einem viel zurück“, sagt ihre Freundin Anneliese Bülow. Wer mithelfen möchte, ruft Jutta Plöger an (Tel. 040/67 08 19 54) oder schreibt eine E-Mail an: barsbuetteler-tafel@web.de. Wie die Barsbütteler versorgen auch die Trittauer bedürftige Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind, per Bringdienst. Sechs Lebensmittelkisten werden in Barsbüttel und zehn in Trittau zu gebrechlichen Kunden nach Hause gefahren.
Die Finanzierung der Tafel-Arbeit läuft ausschließlich über Mitglieder, Sponsoren und Spender. Als privat organisierte Initiativen erhalten die Tafeln keine Mittel vom Bund oder Ländern, mitunter jedoch von Kommunen. Die Gemeinde Barsbüttel unterstützt die Tafel beispielsweise mit 2000 Euro im Jahr. In einigen kreisfreien Städten und Kreisen müssen die Ehrenamtlichen dagegen die notwendige Hygieneschulung noch selbst bezahlen. Das wurmt den Landesvorsitzenden Frank Hildebrandt: „Ehrenamtliche sollten keine Gebühr dafür zahlen müssen, dass sie helfen wollen“, sagt er.
Die Barsbütteler Tafel heißt wohl bald Tafel Barsbüttel
Auf dem Bundestafeltreffen Anfang Juli haben sich die Lebensmittelretter jetzt ein neues Logo gegeben. Aus „Die Tafeln – Essen, wo es hingehört“ wurde „Tafel Deutschland“. Das neue Logo, das wie bisher durch ein Piktogramm von Teller, Messer und Gabel ergänzt wird, soll im kommenden Jubiläumsjahr für einen einheitlichen Auftritt sorgen. 2018 bestehen die Tafeln in Deutschland seit 25 Jahren. Bundesweit können die mehr als 920 lokalen Tafeln jetzt freiwillig umfirmieren: Aus der Barsbütteler Tafel könnte dann die Tafel Barsbüttel werden.
Mit dem einheitlichen Auftritt will sich der Verband bei Gesprächspartnern in Politik und Wirtschaft besser für die Belange der Aktiven und gegen Armut und Lebensmittelverschwendung einsetzen. 2016 kam mit dem Einsatz gegen Rassismus ein weiteres Thema hinzu. Aufgrund ihres Engagements für geflüchtete Menschen waren die Tafeln zum Teil erheblichen Anfeindungen ausgesetzt. Der Dachverband hat dazu mit einer Kampagne gegen Rassismus Stellung bezogen.