Lütjensee. Damit gibt es kaum noch Einkaufsmöglichkeiten im Ort. Warum und wann es nun zur Schließung des beliebten Ladens kommt.
„Ich geh eben mal schnell zu Fielmann, was fürs Abendessen einkaufen.“ Mit solchen Bemerkungen hat sich wohl schon mancher Ortsunkundige von gewitzten Lütjenseer Bürgern aufs Glatteis führen lassen. Denn in dem Dorf wird der Name Fielmann weniger mit Brillen, sondern vor allem mit dem Hof Lütjensee assoziiert. Dort betreibt die Familie, deren Optikerkette im dritten Quartal 2021 ein zweistelliges Umsatzwachstum erzielt hat, seit mehr als 30 Jahren ökologische Land- und Viehwirtschaft und vermarktet die hofeigenen Produkte zusammen mit einem Bio-Sortiment für den täglichen Bedarf im Laden auf dem Gelände.
Seuchenschutzverordnung definiert Sperrzonen
Doch nicht mehr lange, die Schließung des Ladens ist beschlossene Sache. Katrin Carstens, Leiterin Kommunikation bei der Fielmann AG, begründet das so: „Ausschlaggebend für die Schließung des Hofladens ist die Afrikanische Schweinepest, eine hochansteckende Viruserkrankung, die Haus- und Wildschweine befällt.“ Eine Seuchenschutzverordnung regele deshalb Sauberkeit und Hygiene sowie strenge Zugangsbeschränkungen zu Höfen mit Schweinehaltung in definierten Sperrzonen.
Ein Großteil des Hofes habe seit 2019 abgesperrt werden müssen, ein Füttern der Tiere durch Besucher sei nicht mehr möglich gewesen. „Durch die stark eingebrochene Besucherzahl kamen zuletzt deutlich weniger Neu- und Gelegenheitskunden in den Hofladen als früher“, sagt Carstens.
Der Kundenservice wird als persönlich geschätzt
Das Team plane jetzt die Abwicklung. Am 31. Mai öffnet der Laden, in dem aktuell noch vier Vollzeit- und sieben Teilzeitkräfte beschäftigt sind, zum letzten Mal seine Türen. Zum Bedauern von Kunden wie Elke Ring Lual. Die Betreiberin der Tennishalle Lütjensee kauft seit mehr als 25 Jahren im Hofladen ein. Sie sagt: „Ich bin sozusagen eine Superkundin, habe zu jedem einzelnen der Mitarbeiter persönlichen Kontakt.“ Mit der Schließung gehe nicht nur eine Einkaufsmöglichkeit verloren, sondern viel mehr. „Man fühlt sich dort fast wie zu Hause, der Service ist exzellent, die Belegschaft erfüllt auch spontane Wünsche und das soziale Engagement der Verwalterin ist immens.“
Bürgermeisterin Ulrike Stentzler (CDU) bestätigt das, sagt: „Man wird mit Namen angesprochen, die Angestellten wissen um die jeweiligen Vorlieben, die Bedienung ist individuell und persönlich.“ Als sie vor einer Woche vom baldigen Aus des Ladens erfahren habe, sei das für sie „wirklich ein Schock“ gewesen. „Das ist zum einen ein Qualitätsverlust, weil man hochwertige biologische Waren nicht mehr im Ort kaufen kann, und zugleich ein herber Verlust für die Nahversorgung.“
Örtliche Nähe für viele Senioren wichtiger Faktor
Nicht nur junge Mütter und Familien hätten das Angebot genutzt, auch viele Senioren, „die nur zu Fuß mobil sind“. Auch die Lütjenseerin Juliane Ebert-Schulz findet es „schade, dass der Hofladen schließt“. Zwar seien die Waren nicht gerade billig, „aber viele lieben es, dort einzukaufen“. Sie selbst habe den Online-Handel genutzt, der seit einiger Zeit angeboten werde. „Das war super, gerade auch wegen Corona.“ Gerettet hat er das Geschäft jedoch nicht. Dazu Fielmann-Sprecherin Katrin Carstens: „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht und alles versucht, um den Fortbestand des Hofladens zu ermöglichen.“ Dazu habe auch der Versuch gezählt, durch den Versand neue Kunden zu gewinnen. „Leider haben sich unsere Erwartungen nicht bestätigt, sodass wir auch den Lieferdienst einstellen müssen.“
Elke Ring Lual sagt: „Ich bin auch deshalb überrascht von dem Schritt, weil ich gehört hatte, dass sich der Betrieb im Gegenteil zukunftsfähig aufstellen will.“ Sie habe angenommen, das neue Online-Bestellsystem sei Teil des Plans. Sollte das der Fall gewesen sein, ist er gescheitert. Laut Carstens hat die Familie Fielmann die Fielmann AG beauftragt, für die betroffenen Mitarbeiter passende Anschlussbeschäftigungen auf den anderen Höfen oder in einem der weiteren Familienunternehmen zu finden.
Weg zu guten Bio-Produkten wird künftig länger
Für die Kunden ist das kein Trost. Wer nicht auf Bio-Lebensmittel verzichten will, muss künftig weite Wege in Kauf nehmen. „Das ist definitiv ein Verlust für Dorf und Dorfleben“, sagt Anja Bokelmann. Die Lütjenseerin geht zu Fuß zum Einkaufen in den Hofladen. „Man bekommt dort ziemlich alles für den täglichen Bedarf, auch Putzmittel“, zählt sie auf. Sie werde das „Wohlfühleinkaufen“ vermissen. „Dann haben wir hier nur den Penny und den Bäcker.“
Bürgermeisterin Stentzler sucht derweil nach Alternativen. Eine Erweiterung des Wochenmarktes oder ein mobiler Verkaufsstand, der heimische Produkte anbietet. Dafür würde die Gemeinde sogar einen Platz zur Verfügung stellen. Oder doch hofeigene Produkte im Direktverkauf statt gleich ein ganzes Sortiment im Geschäft? „Das wäre zumindest ein Trost, der vielleicht machbar ist“, sagt Stentzler. „Ich hoffe, dass Wege gefunden werden, etwas Ähnliches in Zukunft zu schaffen.“ Eine Hoffnung, die viele Lütjenseer teilen dürften.