Trittau. Behörde keine Auskunft zum Infektionsgeschehen mehr geben, Test-Labore “am Limit“. So erlebte ein Disco-Gast Weihnachen im Fun-Parc.

Nach dem Omikron-Ausbruch unter den Besuchern zweier Weihnachtspartys in der Trittauer Großraumdiskothek Fun-Parc kommt das Stormarner Gesundheitsamt mit der Nachverfolgung der Kontakte der Infizierten kaum noch hinterher. „Wir werden gewissermaßen überrollt“, sagt Kreissprecherin Larissa Bebensee. Das Gesundheitsamt sei derzeit nicht in der Lage, „konkrete Zahlen dazu vorzulegen, wie sich das Infektionsgeschehen ausgehend von den beiden Partys ausgeweitet hat“.

Am vergangenen Donnerstag hatte die Oldesloer Behörde bekannt gegeben, dass bei neun Besuchern der beiden Weihnachtsfeiern in der Trittauer Diskothek am 24. und 25. Dezember die Omikron-Variante des Coronavirus nachgewiesen wurde. Inzwischen gibt es weitere Verdachtsfälle, der Kreis rechnet laut Bebensee „mit einer deutlich höheren Zahl“ Infizierter als bisher bestätigt. Konkrete Zahlen lägen noch nicht vor. „Wir sind in einer Lage, in der der Sieben-Tage-Inzidenzwert das reale Infektionsgeschehen im Kreis infolge des Rückstands bei der Auswertung nicht mehr widerspiegelt“, warnt Bebensee. Die tatsächliche Zahl liege deutlich höher.

Corona News: Rund 2000 Gäste des Fun-Parc betroffen

Da die Omikron-Mutation als deutlich ansteckender als andere Virusvarianten gilt und die bisher zugelassen Impfstoffe Studien zufolge weniger wirksam dagegen sind, hat das Gesundheitsamt für sämtliche Besucher der beiden Feiern eine zweiwöchige Quarantäne bis Freitag, 7., beziehungsweise Sonnabend, 8. Januar, angeordnet.

Die Pflicht zur Isolation gilt auch für Geimpfte und Genesene. Schätzungen der Kreisverwaltung zufolge sind rund 2000 Partygäste betroffen. Erschwert wird die Arbeit des Gesundheitsamtes dadurch, dass nicht von allen Besuchern Kontaktdaten vorliegen. „Es galt die 2G-plus-Regel, eine Pflicht zur Erfassung der Kontaktdaten ist dann nicht vorgesehen“, sagt Bebensee.

Kreis appelliert an Fun-Parc-Gäste: "Halten Sie sich an die Quarantäne"

Ihren Angaben zufolge hatte der Fun-Parc den Gästen zwar die Möglichkeit gegeben, sich freiwillig per Luca-App zu registrieren. Wie viele Besucher die Anwendung genutzt haben, ist aber unklar. Die Behörde forderte Betroffene deshalb auf, sich eigenständig über das Online-Formular auf der Internetseite des Kreises zu melden.

Es scheint allerdings fraglich, wie viele der Gäste dem tatsächlich nachkommen. Laut Kreisverwaltung haben sich bereits „Hunderte“ auf diesem Weg registriert. Die genaue Zahl lasse sich derzeit noch nicht sagen. Bebensee appelliert: „Bitte halten Sie sich an die Quarantäne!“ Diese gelte laut Allgemeinverfügung des Kreises auch ohne Kontaktaufnahme durch das Gesundheitsamt für alle Besucher. Die Behörde fokussiere sich derzeit darauf, die positiv Getesteten anzurufen und deren Kontakte zu ermitteln.

Fun-Parc: Symptomlose sollen keine PCR-Tests machen

Die Kreissprecherin bittet Betroffene ohne Symptome, nicht vorsorglich einen PCR-Test zu machen. „Die Labore arbeiten bereits am Limit“, sagt sie. Kontaktpersonen sollten sich konsequent isolieren. „Auch mit einem negativen Test kann die Quarantäne bei Kontakt zu einer nachweislich mit der Omikron-Variante infizierten Person nicht vorzeitig beendet werden“, betont Bebensee.

Die Fälle von Omikron-Infektionen nach Weihnachtspartys in Diskotheken haben sich in Schleswig-Holstein zuletzt gehäuft. Auch in Clubs in Kiel, Kampen auf Sylt (Kreis Nordfriesland), Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg), Rendsburg und Pahlen (Kreis Dithmarschen) war es zu Ausbrüchen gekommen, in deren Folge sich Tausende Besucher nun in Quarantäne befinden.

Fun-Parc: SPD wirft Landesregierung Versäumnisse vor

Anders als in den meisten anderen Bundesländern dürfen Diskotheken in Schleswig-Holstein weiter öffnen. Es gilt die 2G-plus-Regel. Erst nach Weihnachten, am 28. Dezember, trat zusätzlich eine Maskenpflicht beim Tanzen in Kraft. Die Opposition wirft der Jamaika-Regierung unter Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) Versäumnisse vor.

„Diese Situation ist einzig und allein aufgrund der Fahrlässigkeit der Landesregierung entstanden“, sagt der Stormarner SPD-Landtagsabgeordnete Tobias von Pein. Durch die Entscheidung, die Clubs nicht zu schließen, habe das Kabinett Möglichkeiten für Superspreading-Events geschaffen.

Fun-Parc: Landesregierung verteidigt Regeln

Die Landesregierung sieht hingegen keine Versäumnisse in ihrer Pandemiepolitik. „Maßnahmen müssen verhältnismäßig und angemessen sein“, sagt Marius Livschütz, Sprecher des Gesundheitsministeriums in Kiel, auf Abendblatt-Anfrage. Schleswig-Holstein habe eine der höchsten Impfquoten bundesweit, auch bei der Boosterimpfung. Vor Weihnachten sei die Inzidenz im Norden im Vergleich niedrig gewesen, die Lage in den Kliniken sei nach wie vor stabil.

„Die Maßnahmen waren für die aktuellen Verhältnisse sogar strenger als in anderen Ländern“, so Livschütz. Für eine Schließung der Diskotheken gebe es aktuell zudem keine Rechtsgrundlage. Dafür brauche es die epidemische Lage auf Bundes- oder Landesebene. Diese hatten die Ampel-Parteien am 25. November auslaufen lassen. Die Verantwortung sieht die Landesregierung zunächst beim Bund, das machte Ministerpräsident Günther am Sonntag deutlich.

Discobesuche fortan nur mit negativem PCR-Test möglich

Der CDU-Politiker hat die Ampel-Koalition aufgefordert, die epidemische Lage nationaler Tragweite wieder festzustellen. Sollte dies bis kommenden Montag, 10. Januar, nicht geschehen sein, werde der Landtag bei einer Sondersitzung eine entsprechende Feststellung für Schleswig-Holstein treffen. Schon vorher will die Landesregierung eine verschärfte Landesverordnung beschließen. Sie sieht unter anderem eine Beschränkung der Teilnehmerzahl für private Treffen im Freien auf zehn Personen und eine Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske für Besucher in Pflegeeinrichtungen vor.

Clubs sollen weiterhin offen bleiben. Für Besucher soll es Einlass dann allerdings nur noch mit einem negativen PCR-Test geben, der nicht älter als 24 Stunden ist. Auch soll die maximale Zahl Gäste auf 50 begrenzt werden. Bereits ab heute sollen die Regeln gelten.

Fun-Parc-Betreiber Knut Walsleben reagiert weiterhin nicht auf Anfragen dieser Redaktion. Laut einer Bandansage auf seinem Telefon ist er im Urlaub.

John-Lund Sternberg war an Heiligabend im Fun-Parc in Trittau
John-Lund Sternberg war an Heiligabend im Fun-Parc in Trittau © privat

Weihnachten im Fun-Parc: Ein Partygast berichtet

John-Lund Sternberg hat gerade noch einmal Glück gehabt. So scheint es zumindest nach einer Woche Quarantäne, in die sich der 19 Jahre alte Student aus Lütjensee seit dem 28. Dezember begeben hat. Ein Tag, der für ihn mit gehörigem Schrecken begann. Denn in einem Gruppenchat auf dem Smartphone hatte ein Freund die Nachricht hinterlassen, dass er sich mit Corona infiziert habe. Sternberg hatte mit ihm am Heiligabend wie jedes Jahr im Trittauer Fun-Parc gefeiert, hatte am 27. Dezember Freunde besucht, die einen Tag zuvor noch Kontakt mit dem jetzt Infizierten gehabt hatten.  Die Wahrscheinlichkeit, dass auch er sich angesteckt hatte, schien daher dementsprechend groß.

Als er am 24. Dezember gegen Mitternacht in der Warteschlange vor der Diskothek stand, hatte er sich noch relativ sicher gewähnt. Denn für Besucher galt die Regel 2G-plus, also geimpft oder genesen plus aktueller negativer Test-Nachweis.

Fun-Parc: Einlasskontrolle verlief normal

Die Kontrollen seien normal verlaufen, sagt Sternberg. In der Warteschlange hätten alle eine Maske getragen. „Ich musste nicht lange warten, es ging zügig voran. Sie haben den Personalausweis und den Impfpass kontrolliert und eingescannt, und ich musste das vorbestellte Ticket vorzeigen.“ Wie der Ablauf an der Abendkasse gewesen sei, dazu könne er nichts sagen. Doch drinnen sei es außergewöhnlich voll gewesen. „Die Cocktailbar und auch alle anderen Bereiche waren ziemlich ausgelastet“, berichtet der Student. Die Zahl der Gäste in dieser Nacht schätzt er auf etwa 1000.

Im Club hatte er sich mit einer 20-köpfigen Gruppe Gleichaltriger verabredet. Sieben davon sind bis heute positiv auf Corona getestet. Doch davon ahnte erst einmal keiner aus der Gruppe etwas, die Treffen setzten sich in verschiedenen Konstellationen fort. Erst am Abend des 27. Dezember entwickelte der Erste Symptome, machte einen Schnelltest und ging beruhigt schlafen, weil der auch nach der üblichen Wartezeit nichts anzeigte. Als er mitten in der Nacht aufwachte und einen Blick darauf warf, war er aber positiv. „Nachts um drei hat er das dann in den Gruppenchat geschrieben“, berichtet John-Lund Sternberg.

"An dem Abend waren auch viele Auswärtige im Fun-Parc"

Er selbst hatte sich am 27. Dezember boostern lassen und offensichtlich Glück gehabt, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht infiziert war. „Ich mache immer wieder Schnelltests, die bisher alle negativ waren“, sagt er. „Ich bin absolut fit, es ist nur ein bisschen nervig, die Zeit so ganz allein in meinem Zimmer zu verbringen.“ Auch Silvester habe er isoliert verbracht. „Das war kein schöner Start.“ Für Abwechslung sorgen immerhin Onlinespiele mit anderen Betroffenen.

Viele von ihnen hätten gar keine bis leichte Krankheitssymptome. Er wisse nur von einem Pärchen, das anfangs über Schwierigkeiten beim Atmen und Grippesymptome geklagt habe. Es gehöre zu den vielen jungen Leuten, die weggezogen seien, aber zur Weihnachtszeit ihre Familien in Stormarn besuchten. „An dem Abend waren auch viele Auswärtige im Fun-Parc“, so Sternberg.

Galten für das Personal weniger strenge Corona-Regeln?

Von einer Freundin mit Kontakt zum Personal habe er erfahren, dass für die Beschäftigten nur 3G gegolten habe. „Ich bin davon ausgegangen, dass 2G-plus für den gesamten Fun-Parc gilt“, moniert der Lütjenseer. „Das wäre keine gute Regelung, weil diese Leute dann Corona einschleppen können.“ Dass der Discobetreiber erst am 30. Dezember die Öffentlichkeit über den ersten Omikron-Fall informiert habe, finde er verwerflich. „Ich bin mir sicher, dass die Verantwortlichen schon vorher davon wussten.“ So hätten Betroffene in der Zwischenzeit vielleicht schon ihre Großeltern oder andere besonders vulnerable Personen unwissentlich angesteckt.

Für diese Vermutung spricht, dass bereits am 28. Dezember die Kommentarfunktion des Instagram-Accounts der Disco deaktiviert gewesen sei, wie Sternberg berichtet. Denn darüber hätten sich die Nutzer sicher über die Corona-Fälle ausgetauscht. Für viele, die sich jetzt fragen, ob so der Ruf der Disco gewahrt werden sollte, hinterlässt das Vorgehen zumindest einen faden Nachgeschmack.