Trittau. Große Umzüge und mehrtägige Feste sind inzwischen eher Ausnahme denn Regel. Akzeptanz in der Bevölkerung schwindet.
100 Jahre alt geworden ist in diesem Jahr der Schützenverein von Trittau und Umgegend. Zwar gab es dafür eine schmucke Urkunde von Landesvater Daniel Günther. Groß gefeiert werden konnte das Jubiläum aber nicht. „Wir hatten ein mehrtägiges Fest mit Umzug, die Serenade auf dem Europaplatz und viele andere Veranstaltungen übers Jahr geplant. Wegen Corona sind aber all die schönen Pläne in der Schublade gelandet, das ist wirklich bitter“, sagt der Erste Vorsitzende Oliver Graf.
Im Kreis gibt es noch 21 Schützenvereine
Dabei brauchen gerade die Schützenvereine in Stormarn dringend Höhepunkte und positive Nachrichten. Seit Jahren sind nicht nur die Mitgliederzahlen rückläufig. Große Umzüge und mehrtägige Schützenfeste sind inzwischen eher Ausnahme denn Regel. Es fehlt an Nachwuchs, engagierten Ehrenamtlern und offenbar zunehmend auch an der Akzeptanz in der Bevölkerung. So herrscht im gebeutelten Schützenwesen latente Alarmstimmung.
21 Vereine listet die Homepage des Kreisschützenverbands aktuell auf, inklusive der Bogenschießsparten. Sie sind vornehmlich in der Mitte und im Norden Stormarns angesiedelt. Als südlichster ist der Schützenverein Barsbüttel ausgewiesen. Laut Hitliste des Kreissportverbands rangieren die Schützen mit 1913 Aktiven derzeit auf Rang sechs. Zwar vor Leichtathleten (1673) und Handballern (1572), aber weit hinter Turnern (13.060) und Fußballern (9762).
Schützenwesen zählt zum Immateriellen Kulturerbe
Dabei gehört das Schützenwesen zu den traditionsreichsten Formen des nationalen Brauchtums überhaupt und zählt sogar zum Immateriellen Kulturerbe. „Schützenvereine sind vielerorts ein wichtiger Bestandteil des Lebens in den Kommunen, historisch gewachsen und damit auch Ausdruck regionaler Identität“, sagt Stormarns Landrat Henning Görtz.
Doch auch er sieht die Schützen im Kreis zunehmend in einem Spannungsfeld aus schwindendem ehrenamtlichem Engagement, großen Nachwuchsproblemen und konkurrierenden Freizeitaktivitäten. „Da geht es den Schützenvereinen nicht besser als den Freiwillen Feuerwehren“, so Görtz.
Schwierigste Phase seit dem Zweiten Weltkrieg
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sieht viele Traditionsvereine des Landes Schleswig-Holstein in „der schwierigsten Phase seit dem Zweiten Weltkrieg“. Dabei repräsentierten sie doch einen bedeutenden Teil der Landesgeschichte. Die Corona-Pandemie habe den Trainings- und Spielbetrieb aber für lange Zeit zum Erliegen gebracht, viele Mitglieder hätten daraufhin gekündigt.
Die Corona-Soforthilfe des Landes konnte zwar oft fehlende Einnahmen ersetzen. „Die größere und schwierigere Aufgabe ist jetzt aber, verlorene Mitglieder zurück in die Vereine zu holen“, so Günther. Besonders für Kinder und Jugendliche seien Bewegung und der Austausch mit anderen wichtig, für die körperliche wie auch für die seelische Gesundheit.
In zwölf Jahren die Hälfte aller Mitglieder verloren
Doch Mitglieder genau aus dieser Bevölkerungsgruppe zu gewinnen, erweist sich als große Herausforderung. Die Uniformen wirken auf Vertreter der jüngeren Generationen ebenso wenig anziehend, wie die oft arg rustikal und altbacken anmutenden Schützenhäuser. So lässt sich die Jugend nur schwer von Spielekonsolen, Netflix-Serien und digitalen Endgeräten weglocken.
Nachdem sich die Mitgliederzahl bei der fast 400 Jahre alten Bürgerschützengilde Bad Oldesloe innerhalb von zwölf Jahren von 300 auf 150 halbiert hatte, waren Uniformenzwang und Schützenfeste kurzerhand abgeschafft worden. Eine Konsolidierungsphase ist dann vor allem mit der Konzentration auf das sportliche Schießen gelungen.
Lichtpunktgewehre für die jungen Schützen
Doch selbst das gestaltet sich mitunter schwierig, weiß Oliver Graf. Dabei kann der Nachwuchs auf dem Luftgewehr-Stand des Schützenvereins Trittau bereits seit geraumer Zeit mit modernen Lichtpunktgewehren üben. „Die fallen nicht unter das Waffengesetz, da keine Projektile verwendet werden, und sind deshalb vollkommen ungefährlich“, so der Erste Vorsitzende. Zumal positive Effekte des sportlichen Schießens auf Heranwachsende längst nachgewiesen sind. „Es schult die Konzentration und das Fokussieren auf eine Aufgabe. Eigenschaften, die auch bei den höheren Anforderungen in den Schulen wichtig sind“, sagt Graf. Dort gebe es aber anscheinend größere Vorbehalte als gedacht.
„Als wir uns vor einigen Jahren an einer weiterführenden Schule an einer Vereinsmesse beteiligen wollten, sind wir von der Leitung mit dem Hinweis ausgeladen worden, Waffennarren seien an der Schule unerwünscht“, berichtet Oliver Graf. Ob das eine Reaktion auf die Amokläufe in verschiedenen deutschen Städten gewesen sei, ließe sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. „Unserem Image war es jedenfalls nicht zuträglich“, sagt Trittaus Schützenkönig von 1998.
Dabei biete der Verein neben viel Tradition doch auch Bindung und Halt durch jahrzehntelange Freundschaften, Geselligkeit und Lebensfreude in einer familiären Gemeinschaft“, ist Elsbe Gerdau überzeugt, die mit 82 Lebens- und 48 Mitgliedsjahren zu den Vorbildern des Schützenvereins Trittau gehört.