Grönwohld. Nadja Oetjen hat die Clubstube der legendären Büttenwarder-Kneipe „Unter den Linden“ in einen Friseursalon verwandelt.
24 Jahre lang war der Grönwohlder Gasthof „Unter den Linden“ einer der Hauptschauplätze der legendären NDR-Fernsehreihe „Neues aus Büttenwarder“. Nach dem Tod des unvergessenen Jan Fedder alias Kurt Brakelmann Ende 2019 und dem Ausstieg von Peter Heinrich Brix alias Arthur „Adsche“ Tönnsen verkündete der Sender Anfang August das Aus für die Kultserie. Dass es nun auf dem Hof der Familie Oetjen deutlich ruhiger zugehen wird, ist indes nicht zu erwarten. Dafür sorgen nicht nur ganze Busladungen eingefleischter „Büttenwarder“-Fans, für die der urige Schankraum längst zu einer Art Wallfahrtsort geworden ist. Auch Oetjen-Tochter Nadja. Mit einem Friseursalon direkt neben der Gaststube.
„Wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere“, wusste schon der berühmte französische Dramatiker Molière. Dessen Sentenz ist für die 26-Jährige so wahr wie weise. „Das Büttenwarder-Ende hatte sich seit Längerem abgezeichnet. Also habe ich 2020 vorgeschlagen, die ehemalige Clubstube, in einen Frisiersalon zu verwandeln“, sagt Nadja.
Land- oder Gastwirtin war nie eine Option
Obwohl sie auf dem elterlichen Hof mit vielen Tieren aufgewachsen ist und in der Gastwirtschaft oft mitgeholfen hat, war ein Leben als Land- oder Gastwirtin nie eine ernsthafte Option. „Ich hatte schon als kleines Mädchen ein ausgesprochenes Faible für Haare. Mich zu kämmen und hübsch zu machen, bereitete mir von jeher großes Vergnügen“, erzählt Nadja.
So überraschte es in der Familie niemanden als sie bereits als 13-Jährige im Brustton tiefster Überzeugung erklärte: „Ich werde Friseurin und sonst gar nichts!“ Vater Enno, der gemeinsam mit Schwester Ruthild die Gastwirtschaft betreibt, versuchte gar nicht erst, seine Tochter von einem anderen Berufsweg zu überzeugen. „Sie hat, wie alle Oetjens, ihren eigenen Kopf“, weiß er.
Schon nach dem Krieg Friseur beherbergt
Außerdem ist der langjährige Land- und Gastwirt inzwischen von einer gewissen Skepsis geprägt, was seine eigenen Professionen angeht. „Offensichtlich stillen die Leute ihren Durst zunehmend lieber zu Hause. Dass die Dorfschänke das Zentrum eines Ortes und Umschlagplatz für neueste Nachrichten und Gerüchte ist, sowas gibt’s doch eigentlich nur noch im Film“, sagt er. Auch die Landwirtschaft erscheine zunehmend problembeladen, viele Bauern würden in eine ungewisse Zukunft blicken. „Aber Haare“, so Oetjen, „die wachsen immer und überall.“
Zumal ein Barbier auf dem Oetjen-Hof nicht mal etwas gänzlich Neues sei. „Nach dem zweiten Weltkrieg waren hier Flüchtlinge einquartiert. Sie wohnten oben im ersten Stock. Unter ihnen war auch ein Friseur, der 1948/49 in einem Raum genau über Nadjas Salon nicht nur den Hausbewohnern, sondern auch anderen Grönwohldern die Haare geschnitten hat“, berichtet Enno Oetjen.
Meisterin Strandenaes in Trittau hat sie geprägt
So begann im Mai des Vorjahres der Umbau jener Clubstube, die zuvor viele Jahre das Domizil von Nadjas Großmutter Hermine war. „Ich glaube, Oma Mine hätte das so gewollt“, ist Nadja überzeugt. Die zudem froh ist, dass Vater Enno immer an ihrer Seite stand. „Er hat akzeptiert, dass ich einen anderen Weg einschlage und gesehen, wie viel mir dieser Beruf bedeutet“, sagt Nadja.
Nach der Hauptschule begann sie mit 15 ihre Ausbildung in einem Salon in Trittau. „Bei Anja Strandenaes habe ich unglaublich viel gelernt. Sie war eine gestrenge Meisterin, die absolute Disziplin einforderte, dafür aber viel von ihrem Können vermittelte“, sagt Nadja. Sie könne sich noch gut erinnern, wie oft sie Steckfrisuren mit dem Lösen der Klemmen und Nadeln wieder auflöste, weil das Ergebnis sie noch nicht zufriedenstellte. „Daher rührt sicher auch mein nicht zu leugnender Hang zum Perfektionismus“, so die gebürtige Möllnerin.
Farben und Interieur des Salons selbst ausgesucht
Das wird auch bei einem Besuch in ihrem Salon spürbar. Farben und Interieur sind bis zur Deko mit Kandelabern auf dem Fensterbrett absolut stimmig. „Ich weiß, ich habe meinem Lebenspartner Enrico und meiner ganzen Familie viel zugemutet. Aber ich denke, der Aufwand und die Mühen haben sich gelohnt. Meine Kunden kommen jedenfalls gern und fühlen sich wohl“, sagt die Mutter der dreijährigen Mila.
Bei den Dreharbeiten für die letzten Büttenwarder-Folgen musste sie ihr neues Reich noch mit der Filmcrew teilen, die dort eine Garderobe für Gaststar Suzanne von Borsody eingerichtet hatte. Für Nadja kein Problem, weil sie sich inzwischen auch einen Namen als die Frau gemacht hat, die eine Braut zur Prinzessin macht.
Bei Hochzeit als Friseurin und Visagistin gefordert
„Ich mag diese Herausforderung. Weil du dabei als Friseurin und Visagistin in besonderer Weise gefordert bist und große Verantwortung übernehmen musst“, sagt Nadja Oetjen. Kleid, Schuhe, Schmuck, Schleier und natürlich die Frisur – alles müsse an diesem bedeutsamen Tag zusammenpassen, an dem sich Frauen für den großen Moment vor dem Altar in eine Prinzessin verwandeln wollen und sollen.
Gefragt sei sie indes oftmals auch als Vertrauensperson. Die Torschlusspanik und aufkeimende Zweifel am formvollendeten Auftritt zerstreuen, Mut zusprechen und Ha(a)rmonie herstellen muss. So wie jüngst auf Gut Basthorst, als Jana Weber gestylt werden wollte. „Ich war völlig überdreht, panisch und gereizt. Doch dann hat mich Nadja mit einer Kopfmassage entspannt, meine nervige Naturkrause gebändigt, mich einfühlsam abgelenkt und mir wie eine gute Fee die Vorfreude und den Zauber für den ersehnten Augenblick zurückgegeben“, berichtet Jana Weber.
Schon 40 Bräute auf dem Weg zum Altar begleitet
So ähnlich beschreibt es auch Brinja Schmidt, die Nadja Oetjen schon mehrfach als Fotografin begleitet hat. „Nadja lebt und liebt ihren Beruf, das wird in jedem Augenblick spürbar“, sagt Schmidt. Die kleine Powerfrau verwandle eine Braut in ein Gesamtkunstwerk, mit Geduld und Hingabe, liebevoll und detailversessen. „Sie nimmt sich die Zeit, die es braucht, hat die Ruhe weg und verschafft der Braut dadurch ein sicheres Gefühl“, so Schmidt.
Nadja Oetjen hat auf diese Weise seit 2013 schon 40 Bräute begleitet. Am Schaalsee, in Scharbeutz und Schwerin. Und wann steht sie selbst vor dem Altar? Nach acht Jahren gemeinsamen Lebens hat Partner Enrico ihr Mitte Juli in der Ostsee vor Rügen den Verlobungsring übergestreift. Im Sommer 2022 darf sie dann endlich selbst Prinzessin sein.