Bad Oldesloe. Der Kreis muss für eine effiziente Alarmierung in Krisenfällen nachrüsten. Das Land will 2023 eigenes Förderprogramm auflegen.
Wie wichtig und unverzichtbar eine verlässliche Alarmierung der Bevölkerung in Krisen- und Katastrophensituationen ist, hat sich jüngst in den Hochwassergebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gezeigt. Auch in Stormarn hat das Thema inzwischen höchste Priorität. „Wir müssen hier erheblich nachrüsten und das gesamte System neu aufstellen“, sagte Landrat Henning Görtz im Finanzausschuss des Kreises. Es habe dazu bereits ausführliche Gespräche mit den Bürgermeistern der Kommunen geführt, die ihre Unterstützung zugesichert hätten.
Probealarme offenbarten erhebliche Probleme
Kreisweite Probealarme offenbarten zuletzt erhebliche Probleme. Sowohl beim nationalen Warntag am 10. September 2020 als auch beim Probealarm am 10. Juli dieses Jahres. „Der von der Integrierten Regionalleitstelle Süd in Bad Oldesloe programmierte Alarm ist zwar ausgelöst worden, war aber mit dem falschen Signal verknüpft“, erklärte Andreas Rehberg, Leiter des Fachbereichs Sicherheit und Gefahrenabwehr der Kreisverwaltung. Statt des auf- und abschwellenden Heultons für eine Katastrophenschutzwarnung sei in vielen Gemeinden nur das Signal für den gewöhnlichen Feuer(wehr)alarm zu hören gewesen.
Experten des Schweizer Unternehmens Swissphone, das sich auf die Entwicklung und Herstellung von Alarmierungslösungen für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben spezialisiert hat, nahmen inzwischen eine eingehende Fehleranalyse vor. „Sie haben das Problem ausfindig gemacht und ein umfassendes Software-Update vorgenommen“, berichtet Carsten Horn, Chef der Oldesloer Regionalleitstelle.
Die Flächenabdeckung liegt bei 50 Prozent
In einem nächsten Schritt soll es jetzt örtlich begrenzte Funktionstests einzelner Sirenen mittels eines transportablen Signalgebers geben. Er kann die digitalen Radio Identification Codes (RIC) ebenso versenden und auf diese Weise den Warnton auslösen.
Zuvor war es bereits zu einer kritischen Bestandsaufnahme der gesamten, jahrelang vernachlässigten technischen Infrastruktur gekommen. Ein flächendeckendes Netz gibt es im Kreis nicht mehr. Die Abdeckung beträgt höchstens noch 50 Prozent, seit Warnsirenen nicht mehr verpflichtend vorgehalten werden mussten. Sie sind zwar noch in viele Gemeinden vorhanden, die sie zumeist zur Alarmierung der Freiwilligen Feuerwehren nutzen. Nicht aber in Städten wie Ahrensburg, Bargteheide und Reinfeld.
Aktuell gibt es im Kreis 157 Sirenen
„In Stormarn gibt es aktuell 157 Sirenen“, sagt Andreas Rehberg. Dem Kreis selbst gehörten allerdings nur einige wenige im 25-km-Radius um das ehemalige Atomkraftwerk Krümmel an der Elbe, die sich vornehmlich im Südosten des Kreises zwischen Trittau und Reinbek befänden. „Darüber hinaus hat der Kreis als untere Katastrophenbehörde aber Informationen darüber eingeholt, welche Gemeindesirenen mit welchem Ton ausgestattet sind“, so Rehberg.
Über die weit verbreitete Sirene E 57 können nur bestimmte Warntöne ausgespielt werden. „Es gibt noch uralte Modelle, die bei einem Stromausfall nicht mehr funktionieren“, weiß Leitstellen-Leiter Carsten Horn. Modernere Fabrikate seien hingegen mit einem Akku ausgestattet, der sie vollkommen unabhängig von einer externen Stromquelle mache. „Außerdem sind sie in der Lage, Signale für verschiedene Warntöne zu empfangen und durch integrierte Lautsprecher sogar Sprachmitteilungen auszustrahlen“, so Horn.
Kreis plant Aufbau eines eigenen Sirenennetzes
Inzwischen plant der zuständige Fachdienst des Kreises sogar ein eigenes Netz mit elektronischen Sirenen. Um die Standorte zu optimieren, seien unter anderem Schallgutachten notwendig. „Sirenen der neuesten Generation sind oft deutlich lauter als ältere Modelle. Dadurch können sie zwar größere Flächen abdecken. Die Lärmbelastung am eigenen Standort muss dabei aber auch beachtet werden“, erläutert Rehberg.
Die Bemühungen der Kreisverwaltung werden untermauert durch einen Zehn-Punkte-Plan der Landesregierung zur nachhaltigen Verbesserung des Bevölkerungsschutzes in Krisensituationen. „Ein Schwerpunkt wird der Wiederaufbau eines Sirenennetzes im Land sein“, sagte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) bei der Präsentation im August. Die verheerende Hochwasserkatastrophe im Juli habe gezeigt, dass auf Sirenen nicht verzichtet werden könne.
Der Bund will 88 Millionen Euro investieren
Um ein flächendeckendes Netz wieder aufbauen zu können, werde sich Schleswig-Holstein an einem mit 88 Millionen Euro dotierten Förderprogramm des Bundes beteiligen und ab 2023 zusätzlich ein eigenes Sirenen-Förderprogramm auflegen, kündigte die Ministerin an. Der genaue Bedarf werde zeitnah durch ein Gutachten ermittelt. Es sei aber sicher davon auszugehen, dass mehrere tausend Sirenen landesweit angeschafft werden müssten.
Die Kreisverwaltung Stormarn geht laut Andreas Rehberg momentan von einem Zuwachs im Umfang von bis zu 100 Sirenen aus. Bis dahin bleibe die bekannte Warn-App Nina das Hauptwarnmittel. Im Falle einer erheblichen Gefahrenlage würden bei der Übermittlung wichtiger Informationen indes auch Radio- und Fernsehsender einbezogen. Um auf diesem Wege auch ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger mit weniger technischem Verständnis zu erreichen.