Reinbek. Reinbeks FDP hält große Neubaugebiete für unnötig. Sie hat eine Idee, wie Wohnungen mit günstigen Mieten auch so entstehen können.
Die Liberalen haben die Coronazeit mit ihren vielen Sitzungsausfällen genutzt, um ein umfassendes Konzept für die Wohnbauentwicklung Reinbeks zu verfassen. Auf 33 DIN-A4-Seiten sind viele Zahlen aufgeführt. Daten lieferte das Rathaus sowie das Statistikamt Nord. Mit deren Hilfe untermauert die FDP ihre Argumente. Die Kernaussage ist: Stormarns zweitgrößte Kommune braucht keine großen Neubaugebiete. Und selbst auf kleinere könnte womöglich verzichtet werden.
Fünf Parteimitglieder haben das Dokument binnen sechs Monaten erarbeitet, darunter der Fraktionsvorsitzende Bernd Uwe Rasch und Volker Dahms. „Alle in der Vergangenheit aufgestellten Untersuchungen zur Bevölkerungsentwicklung entsprachen nicht der Realität“, sagt Rasch. Die Stadt müsse jetzt selbst ein Ziel festlegen. Der 61-Jährige will maximal 30.000 Einwohner bis 2040. Ende Dezember vergangenen Jahres waren es 28.196.
Extremes Wachstum nicht zuzulassen, ist eine Bedingung, damit der FDP-Plan aufgeht. „Mit großen Neubaugebieten versuchen wir nur, die Hamburger Probleme zu lösen. Dafür ist Reinbek aber zu klein“, so der Fraktionschef und spielt damit auf den Wunsch vieler Hansestädter an, in den Speckgürtel zu ziehen. Dennoch brauche die Stadt neue Mitbürger von außerhalb ihrer Grenzen. „Rein rechnerisch wird durch die Fluktuation infolge der Altersstruktur jährlich mehr Wohnraum frei, als durch nachkommende Reinbeker belegt werden kann“, heißt es in dem Konzept.
Bewohner von Neubaugebieten sind mehrheitlich Zugezogene
Die Liberalen haben das Jahr 2019 genau betrachtet. Damals sind 2051 Personen nach Reinbek gezogen bei 1649 Abwanderungen. Die Neubürger benötigten nach FDP-Logik rund 1000 Wohnungen, kamen zu einer Zeit, wo kein Neubaugebiet entstanden ist. Rasch und seine Kollegen untermauern ihre These, dass genug Immobilien für Reinbeker frei sind, mit Zahlen aus den zuletzt entwickelten Gebieten. Aufgeführt ist das Quartier Schröders Koppel im Stadtteil Neuschönningstedt mit 429 gemeldeten Personen im Dezember 2020. Nur 26,2 Prozent der Bewohner sind innerhalb Reinbeks dorthin gezogen, der Rest kommt von woanders her.
Die Politiker betonen zudem, dass Neubauwohnungen im frei finanzierten Bereich deutlich teurer seien als gemietete im Bestand. Was aus ihrer Sicht noch gegen voluminöse Projekte spricht: Der Charakter Reinbeks als Stadt im Grünen werde gefährdet, eine Verschärfung der Parkplatznot in angrenzenden Wohngebieten sowie der ohnehin vorhandenen Verkehrssituation auf den Straßen, die steigende Bodenversiegelung, Mangelverwaltung bei Kitas und Schulen durch erhöhte Nachfrage und unter anderem hohe Folgekosten für die Stadt.
Für letzteren Punkt legt die FDP eine Modellrechnung vor, hat ein fiktives Quartier gewählt mit 50.000 Quadratmetern, 240 Wohneinheiten über einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahren. Demnach nimmt die Stadt durch das Projekt rund 8,6 Millionen ein, Variablen sind Einkommens- und Grundsteuer, Kostenübernahmen vom Investor etwa für die Verkehrsanbindung. Auf der Gegenseite stehen Folgekosten in Höhe von rund 14,5 Millionen Euro für Schule, Kita, Krippe und zusätzliches Personal in der Verwaltung.
Liberale wollen nicht, dass Stadtteile zusammenwachsen
Das Beispiel in dieser Dimension ist bewusst gewählt und in Anlehnung an das Projekt des Unternehmens Wohnbauer im Holzvogtland. Kai Dusenschön und Janno Krieger planen ein Quartier mit dem Namen Kampsredder. Es umfasst 230 Mietwohnungen, 25 Prozent davon öffentlich gefördert, und Grundstücke für Einzel- und Doppelhäuser. Die Investoren wollen auch eine Kita bauen und der Stadt schenken. Trotzdem lehnt die FDP das Vorhaben ab. Sie will nicht, dass Stadtteile zusammenwachsen. Eine Bürgerinitiative sieht das genauso und strebt ein Bürgerbegehren für Mai kommenden Jahres an.
Dass der Bedarf an Sozialwohnungen derzeit nicht gedeckt wird, ist auch Rasch bewusst. Er will ein Netzwerk spannen mit Wohnungsbaugenossenschaften, Unternehmen, Arbeitgebern, sozialen Einrichtungen, Beiräten, Politikern und vor allem Eigentümern von Bestandsgebäuden, die vermieten. Seine Idee: Jene wandeln ihre Bleiben, die sie jetzt auf dem freien Markt anbieten, in Sozialwohnungen um. Im Gegenzug nehmen sie Förderprogramme der Investitionsbank Schleswig-Holstein in Anspruch, können ohne Eigenmittel sanieren und modernisieren.
Grundstücksvergabe nur noch per Erbbaurecht
Die zweite Option: Reinbek erwirbt Belegungsrechte, zahlt die Differenz zwischen alter und der dann günstigeren Miete. Außerdem wünscht sich die FDP eine Anlaufstelle für ältere Menschen zwecks Umbau auf einen seniorengerechten Standard und entsprechenden Fördermöglichkeiten. Das Konzept beruht auf der Prämisse, möglichst wenig Flächen zu verbrauchen.
Wenn überhaupt, dann soll die Stadt nur kleine Gebiete für Wohnungsbau verwenden. Die FDP nennt in diesem Zusammenhang ein 0,8-Hektar-Areal östlich der Schönningstedter Kita. Grundstücke werden nach Vorstellungen der Partei in Erbbaurecht vergeben – entweder an Unternehmen oder direkt an junge Reinbeker Familien. „Ich bin optimistisch, dass es für Kauf von Belegungsrechten durch die Stadt eine politische Mehrheit gibt“, sagt Rasch. Er habe bereits mit Eigentümern gesprochen, Bereitschaft sei vorhanden.