Reinbek. Investoren planen im Holzvogtland in Reinbek 230 Mietwohnungen. Erteilt die Stadt Baurecht, erhält sie eine Kindertagesstätte.
Die Zeit drängt. Alsbald muss sich die Reinbeker Politik entscheiden, ob sie ein neues Wohnquartier mit dem Namen Kampsredder gegenüber der Wohltorfer Straße zulässt. Sie weiß seit vielen Monaten von den Plänen der Projektentwickler Kai Dusenschön (48) und Janno Krieger (45), doch bislang gibt es nicht einmal einen Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan. Der ist zwar nicht bindend, aber zumindest eine Absichtserklärung. Je länger das Vorhaben in der Warteschleife steckt, umso teurer wird es ob der Baukostensteigerung. Die Investoren haben sich ein Zugriffsrecht auf das Grundstück gesichert, allerdings zeitlich befristet. „Wenn binnen neun Monaten keine Klarheit herrscht, dann ist es auch nicht gewollt“, sagt Dusenschön. Es bestehe die Gefahr, dass man die Sache beende. Druck wolle er mit dieser Aussage nicht ausüben, das sei ihm wichtig. Womöglich ist der Frust über das Hinhalten bald beendet. Denn es gibt positive Signale aus den Parteien.
„Ich bin guter Dinge, dass wir im Juni einen Grundsatzbeschluss fassen und den Weg für neuen Wohnraum ebnen“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Patrick Ziebke am Morgen nach einer Online-Videokonferenz, wo Dusenschön und Krieger Kennzahlen lieferten. Die Präsentation dauerte eineinhalb Stunden, beinhaltete ein Verkehrsgutachten sowie eine fiskalische Wirkungsanalyse. In ihr ist zum Beispiel die Bewohnerstruktur nach Altersgruppen aufgeführt, zudem geht es um zusätzliche Einnahmen für die Kommune durch Grund- und Gewerbesteuer. Zugeschaltet waren Vertreter aller Fraktionen und Bürgermeister Björn Warmer.
Investitionsvolumen liegt bei rund 55 Millionen Euro
„Die Idee eines Bürgerhauses ist sehr reizvoll. Die Vorstellung war umfangreich, so kannte ich das von anderen Investoren nicht“, sagt Ziebke. Die Wohnbauer GmbH, deren Geschäftsführender Gesellschafter Dusenschön ist, will der Stadt das Projekt nicht nur mit Sozialwohnungen schmackhaft machen. Als Gegenleistung für das Baurecht schenkt das Unternehmen Reinbek eine Kindertagesstätte mit Platz für 60 Jungen und Mädchen. Das Investitionsvolumen beträgt rund 55 Millionen Euro für den Fall, dass der Plan auch in der angedachten Dimension umgesetzt wird.
Nach Vorstellungen der Geschäftspartner gestaltet sich die Bebauung des 5,3 Hektar großen Ackers, der Bestandteil des Holzvogtlands ist, so: Es entstehen rund 230 Mietwohnungen, 25 Prozent davon öffentlich gefördert. Die Größen in diesem Segment richten sich nach dem Bedarf, der von der Verwaltung ermittelt wird. Die Stadt hat das Belegungsrecht bei einer Bindungszeit von 35 Jahren. Hinzu kommen jeweils 20 Prozent altersgerechte Einheiten sowie raumoptimierte mit zwei bis fünf Zimmern. Bei einer Vier-Raum-Wohnung mit 75 Quadratmetern soll die Kaltmiete weniger als 900 Euro betragen.
Außerdem stehen im Konzept bis zu 40 Einheiten mit zehn Prozent unterhalb der ortsüblichen Miete. Reinbeker werden bei der Vergabe bevorzugt behandelt, vor allem auch Mitarbeiter von in der Stadt ansässigen Unternehmen. 30 Grundstücke für Einzel- und Doppelhäuser ergänzen die Mietimmobilien.
Das Interesse, sich an diesem Fleck niederzulassen, ist offenbar groß. „Wir haben Anfragen von zwei Baugemeinschaften. Die Senioren würden gern Gebäude mit bis zu zehn Wohnungen schaffen“, sagt Krieger. Neben Kita und Bürgerhaus umfasst der Plan unter anderem einen Abenteuerspielplatz, ein Café, Büro- und Gewerbeflächen zum Beispiel für Ärzte sowie Räume zum Sporttreiben. Krieger: „Die TSV Reinbek möchte mieten, Kinder- und Seniorengruppen unterbringen.“ Damit nicht genug: Es soll einen Mobilitäts-Hub mit Car-Sharing und Lastenrädern geben. Mindestens sechs Elektroautos können Bewohner kostenlos nutzen. Dieses Angebot ist auf zwei Jahre begrenzt, bei den Fahrrädern, die sich für Großeinkäufe eignen, ist es dauerhaft.
FDP strebt einen Bürgerentscheid an
Im Verkehrsgutachten heißt es im Fazit: „Aus verkehrsplanerischer Sicht bestehen hinsichtlich der Entwicklung des Quartiers in der Stadt Reinbek grundsätzlich keine Bedenken.“ Die Experten empfehlen an der Quartierseinfahrt eine vierarmige Kreuzung oder alternativ einen Kreisel mit 35-Meter-Durchmesser.
„Wir unterstützen die Investoren und sind dafür, dass es zeitnah vorangeht“, sagt der stellvertretende SPD-Vorsitzende Philipp Quast. Die Grünen haben auch eine Position: Bei der Zusage für das Projekt soll das übrige Holzvogtland von Bebauung frei bleiben. „Und die Kita reicht uns nicht, wir möchten von den Investoren auch eine Fläche für eigenen Wohnungsbau“, sagt Fraktionschef Günther Herder-Alpen.
Die FDP will das Holzvogtland so belassen wie jetzt, hat für die Stadtverordnetenversammlung an diesem Donnerstag einen Antrag gestellt mit dem Ziel, dass Reinbek einen Bürgerentscheid zur möglichen Bebauung herbeiführt. Dafür dürfte es nach Information unserer Redaktion keine Mehrheit geben. Fraktionschef Bernd Uwe Rasch: „Nach Rückmeldungen aus der Bevölkerung bin ich sicher, dass es auch ohne politischen Beschluss zu einem Bürgerbegehren kommt.“ Mehr als 2000 Unterschriften müssten gesammelt werden, damit das Begehren in einer Abstimmung mündet. Sollte es soweit kommen und eine Mehrheit gegen die Bebauung votieren, würde die Fläche für mindestens zwei Jahre unangetastet bleiben.
Bürgermeister Björn Warmer lobt den Mobilitäts-Hub
Reinbeks Verwaltungschef findet das Kampsredder-Projekt „richtig interessant“. Björn Warmer sagt: „Es gibt Ansätze, die wir hier gut gebrauchen können, zum Beispiel den Mobilitäts-Hub.“ Der Aufstellungsbeschluss liege in seiner Schublade. „Darüber wurde in den vergangenen Monaten nicht diskutiert, weil sich die Politiker in den Ausschüssen während Corona nur mit den ganz wichtigen Dingen befasst haben.“
Die Projektentwickler haben ihre Planungen trotzdem verfeinert, Geld in Gutachten investiert. Krieger sagt mit Blick auf die Entscheider: „Ich glaube, sie haben sich jetzt warm gelaufen“. Er sei guter Dinge.