Niendorf. Sandra Schink testet Co-Working-Spaces in Niendorf an der Stecknitz. Kreis Herzogtum Lauenburg fördert das Projekt mit 10.000 Euro.

Felder, Wiesen, Kühe, schlechte Infrastruktur und Nahversorgung sowie Bewohner, die sich abgehängt fühlen – wovon ist die Rede? Richtig: von einem Dorf. Doch es geht auch anders, mit Gemeinsinn, frischen Ideen und einem Konzept, das die Arbeitswelt ordentlich durchwirbeln könnte. Das zeigt ein Projekt der freien Texterin und Fotografin Sandra Schink. Seit 2006 lebt sie mit ihrer Familie in der 650-Seelen-Gemeinde Niendorf an der Stecknitz im Kreis Herzogtum Lauenburg. Etwa acht Kilometer Luftlinie sind es bis zur Stormarner Kreisgrenze bei Köthel.

Ein Treffpunkt für Menschen aus der Region

Vom 12. August bis zum 10. September will sie in ihrem Heimatdorf testen, wie ein sogenanntes Co-Working-Space mitten im Grünen ankommt. Mit dem Begriff werden voll ausgestattete Büroplätze bezeichnet, die beispielsweise von Selbstständigen oder Unternehmen für ein bestimmtes Stunden- oder Zeitkontingent gebucht werden können, um dort – unabhängig voneinander oder kooperativ miteinander – zu arbeiten.

Doch Schinks Pläne gehen weiter. Es gehe darum, Dörfer durch das Schaffen von Begegnungs- und Austauschorten, an denen gemeinsam gearbeitet, aber auch vernetzt und weitergebildet werden könne, digital zu erschließen und die Menschen niedrigschwellig an die Digitalisierung heranzuführen.Was d ie Digitalisierung angeht, bietet Niendorf beste Voraussetzungen Schink sagt: „Wir haben hier einen Breitband-Internetzugang, der besser ist als vielerorts in Hamburg.“ Und das Dorf ist durch die Autobahn 24 gut angebunden.

Am 10. August kommen die zwei Container

Der grüne Dorfplatz in Niendorf (l.): Neben dem Dorfgemeinschaftshaus (v.) werden die Co-Working-Container aufgebaut.
Der grüne Dorfplatz in Niendorf (l.): Neben dem Dorfgemeinschaftshaus (v.) werden die Co-Working-Container aufgebaut. © Smartville | Sandra Schink

Für den Testlauf hat Schink zwei Container geordert, die vier Wochen lang eine Art Mini-Version ihres Vorhabens simulieren. Sie sollen inklusive Ausstattung am 10. August geliefert werden und Büroplätze, eine Terrasse und Platz für ein kleines Café bieten. Denn was Schink auf lange Sicht plant, ist ein Treffpunkt für die Menschen aus Dorf und Region. Neben dem Co-Working-Space sollen Besucher dann auch eine Werkstatt mit Laserscannern, 3-D-Druckern und weiterem Werkzeug sowie ein Studio für die Aufnahme von Podcasts, Videos oder Fotografien nutzen können.

Unterstützt wird der Test vom Kreis Herzogtum Lauenburg, der rund 10.000 Euro für die Container beisteuert. Es ist das fünfte Vorhaben dieser Art, das der Kreis fördert. Der Erste Kreisrat Norbert Brackmann (CDU) sagt: „Das Projekt Co-Working wird im dritten Jahr durch den Kreis Herzogtum Lauenburg finanziell unterstützt und durch die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises aktiv begleitet.“

Idee kam in der Corona-Pandemie auf

Die Idee sei, das Konzept als innovative Form der Zusammenarbeit bekannter zu machen und es auszuprobieren. Brackmann: „Die Erfahrungen zeigen, dass diese Form des Arbeitens auch in ländlich geprägten Regionen Potenzial hat.“ An allen vier bisherigen Standorten seien die Rückmeldungen durchweg positiv gewesen. Brackmann: „Auch in Kombination mit dem pandemiebedingt verstärkten Homeoffice-Einsatz hat sich das Co-Working-Konzept bewährt.“

Auch Sandra Schink war vor Corona viel unterwegs, auf Kongressen, Workshops, Veranstaltungen. Doch in der Krise fiel ihr auf, wie sich Strukturen und Kommunikation durch die Videokonferenzen veränderten. Eine Entwicklung, der sie viel Gutes abgewinnen kann. Sie sagt: „Viele Arbeitgeber sehen, dass es auch funktioniert, wenn die Angestellten nicht vom Büro aus arbeiten. Außerdem entfallen Kosten, beispielsweise für Büroflächen.“

Viele wünschen sich, hybrid zu arbeiten

Für die Arbeitnehmer bedeute es flexiblere Arbeitszeiten und mehr Freizeit, da das Pendeln entfalle. Zumindest teilweise, denn immer mehr wünschten sich, hybrid zu arbeiten – aber nicht unbedingt allein zu Hause. Lieber in örtlicher Nähe, aber mit klarer Trennung von Privatbereich und Berufsleben. „Alle profitieren: Arbeitnehmer sind zufriedener und gesünder, Arbeitgeber haben motiviertere Mitarbeiter und sparen Kosten, und die Umwelt hat auch etwas davon“, so Schink.

Mittels Umfrage hat sie herausgefunden, was die Bürger sich für ihr Dorf wünschen. Manche Vorschläge, wie ein Automat für Regionalprodukte oder ein Tauschregal, ließen sich bei dem Projekt umsetzen. Schink ist überzeugt, dass viel Potenzial in den Dörfern brach liegt, weil Angebote fehlen. Mädchen beispielsweise lernten viel seltener programmieren. „Früher musste man in die Stadt, um solche Dinge zu lernen“, sagt die Initiatorin. Sie will die Experten zu sich einladen.

Initiatorin sucht noch passendes Gebäude

In der Testphase können die Arbeitsplätze im Co-Working-Space unter cowork.smartville.cafe kostenlos gebucht werden. Schink hat ein ambitioniertes Programm zusammengestellt. Die einzelnen Veranstaltungen sind unter events.smartville.cafe aufgelistet.. „Von der programmierenden Oma mit ihrem Enkel bis zum digitalen Tuning von Einzelhandel und zum Mittelstand ist für jede Zielgruppe etwas dabei“, sagt sie.

„Ich hoffe, dass auch Investoren und Unternehmer vorbeikommen.“ Sie wolle die Chance nutzen, Allianzen zu gründen und zu schauen, wie das Interesse sei. Derzeit hält sie Ausschau nach einem passenden Gebäude. „Gern ein Wirtschaftsgebäude, es kann aber auch eine Scheune sein.“