Glinde. Steuerberater will Grundstück kaufen, den hinteren Teil bebauen und die Suck’sche Kate Glinde schenken. Sanierung ist kostspielig.
Das Grundstück an der Dorfstraße in Glinde ist zugewachsen. Über die Pforte, die offen steht, reichen Äste von Bäumen. Ein älterer Herr ist an diesem Morgen von seinem Fahrrad gestiegen. Er schiebt das Dickicht zur Seite, um einen Blick auf das Gebäude zu erhaschen. Dann schüttelt er den Kopf und zieht von dannen. So dürfte es vielen Glindern gehen bei genauerer Betrachtung der Suck’schen Kate, ein reetgedecktes Fachwerkhaus, das Kulturdenkmal ist und zusehends verkommt. Die Kaufverhandlungen der Stadt mit dem Eigner kommen nicht wirklich voran. Jetzt gibt es einen neuen Plan. Ein ortsansässiger Steuerberater will nach Informationen dieser Redaktion das Areal erwerben, auf dem hinteren Teil ein Haus bauen und die 1855 erstellte Immobilie Glinde schenken.
Voraussetzung für das Gelingen des Vorhabens ist auch, dass der Bebauungsplan geändert wird. Deshalb muss der Interessent die Politik überzeugen. Es macht für ihn also Sinn, die Parteien zeitig einzuweihen, bevor in Ausschüssen Beschlüsse gefasst werden. So vermeidet er, Geld für die Planung auszugeben und dann doch noch zurückgepfiffen zu werden. Der Meinungsaustausch mit Entscheidungsträgern läuft offenbar unter strengster Geheimhaltung. Bestätigen will die Ambitionen des Steuerberaters keiner. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Rainer Neumann sagt lediglich: „Ich habe von gewissen Gedanken erfahren, die in diese Richtung zielen.“ Eine solche Lösung wäre ein Ausweg aus dem Dilemma, allerdings sei es ein erheblicher Aufwand, das Gebäude zu sanieren. Die Rede ist von einer Million Euro oder mehr. Marlies Kröpke, die stellvertretende SPD-Fraktionschefin, hält sich genauso bedeckt wie der Christdemokrat: „Ich habe von Interessenten gehört, mehr kann ich dazu nicht sagen.“
Stadt nutzte das Vorkaufsrecht nicht
Thomas Kopsch, Fraktionsvorsitzender der FDP, verneint, dass der Steuerberater bei seiner Partei vorgesprochen hat. Eine Bebauungsplanänderung samt Schenkung der Kate an die Stadt kommentiert er so: „Das klingt nach einer guten Lösung.“ Bei den Gesprächen der Verwaltung mit dem Eigner sei seiner Kenntnis nach nichts passiert, was Substanz habe. Bürgermeister Rainhard Zug wurde vor geraumer Zeit von der Politik in die Spur geschickt, um einen Kauf zu erwirken.
Die Suck’sche Kate ist ein Wahrzeichen der Stadt. Neben ihr gibt es drei weitere eingetragene Kulturdenkmale in Glinde: die ehemalige Kupfermühle samt Wehr, die jetzt als Museum dient, das Gutshaus an der Möllner Landstraße sowie die Strohdachsiedlung „Oher Weg“. In der Kate lebte einst der Schuhmacher Johannes-Hinrich Suck, der 28 Jahre lang Gemeindevorsteher war. Als seine Enkelin starb, veräußerten die Erben das Haus. Glinde machte nicht von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch, was Politiker heute bereuen.
Sie gingen davon aus, dass die Kate bei einem Geschäftsmann aus Hamburg-Bergedorf in guten Händen ist. Dieser sicherte sich das Gebäude im September 2012 und versprach, es zu sanieren und in den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Außerdem wollte er dort einziehen. Es geschah nichts bis 2016. Damals setzte der Bauunternehmer Stützbalken an die Außenwand, damit das Haus nicht zusammenbricht. Aber auch nur auf Druck der Denkmalschutzbehörde. Später wurde gegen den Mann ein sogenanntes Zwangsgeld verhängt, weil er Nachbesserungsforderungen des Kreises ignorierte.
Einladungen zum Bauausschuss nahm er nicht an. Die Wut der Politiker stieg. Sie liebäugelten mit dem Gang vor ein Gericht zwecks Enteignungsverfahren. Eine Wissenschaftlerin fertigte ein Gutachten an, um Glindes Erfolgsaussichten auszuloten, schätzte diese als gering ein. Das Thema war vom Tisch.
Bürgerproteste lassen den Eigentümer kalt
Die Grünen initiierten eine Unterschriftensammlung und Demonstrationen für den Erhalt, das beeindruckte den Eigner keineswegs. Er lässt das Haus verrotten. Scheiben von Fenstern und der seitlichen Eingangstür sind zerstört. Wo kein Schutz ist, hat der Regen leichtes Spiel. Womöglich ist das Mauerwerk schon jetzt irreparabel geschädigt. Und drinnen sieht es schlimmer aus als bei Hempels unterm Sofa. Petra Grüner, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, sagt über die Pläne des Steuerberaters, von denen sie nach eigener Aussage bislang nichts wusste: „Wenn es einen Käufer gibt und der eine B-Planänderung will, muss er sich an den Sanierungskosten beteiligen.“ So eine teure Angelegenheit nur durch die Stadt vorzunehmen, das könne man dem Steuerzahler nicht erklären.
Jan Schwartz hat 2020 eine Bürgerinitiative mit dem Namen „Rettung der Suck’schen Kate“ mitgegründet. Er ist gut vernetzt in Glinde, sagt: „Es kommt Bewegung rein.“ Namen nennt er nicht, nur, dass es mehrere Interessenten gibt. Schwartz möchte, dass das Fachwerkhaus bald der Stadt gehört. Er könnte sich dort eine Begegnungsstätte vorstellen. Sein Vorschlag: Das Gebäude wird in die Sönke-Nissen-Park-Stiftung integriert. So macht es Glinde auch mit seiner Volkshochschule. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg, denn es gibt viele Unwägbarkeiten.