Ahrensburg. Hartmut Appel leitet nach der Suspendierung der Direktorin das Ahrensburger Gymnasium. Ein Interview zum Neustart.
Seine Bürotür steht offen. Er kommt schnell vom Sie zum Du. Zeigt Nähe statt Distanz. Hartmut Appel, der nach der überraschenden Suspendierung der Direktorin der Ahrensburger Stormarnschule die kommissarische Leitung übernommen hat, soll einen Neustart auf den Weg bringen.
Denn das Gymnasium, dessen Vorläufer eine 1906 gegründete Privatschule für Mädchen war, macht die schwierigsten Monate seiner Geschichte durch. Das Landesbildungsministerium hat ein Disziplinarverfahren gegen die Oberstudiendirektorin eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelt wegen des Verdachts der Untreue. Die 57-Jährige war seit August 2004 im Amt.
Der kommissarische Chef war schon einmal Krisenmanager
„Freundlich, witzig, durchsetzungsfähig“: So beschrieb sich Hartmut Appel mit drei Adjektiven für die Schülerzeitung an seinem vorherigen Arbeitsplatz, dem Detlefsengymnasium in Glückstadt. Dort war der 66-Jährige Ende Januar in den Ruhestand verabschiedet worden.
Hartmut Appel hat Erfahrung als Krisenmanager. 2015/2016 sprang er am Gymnasium Schenefeld (Kreis Pinneberg) ein, das nach der Abberufung des Leiters in der Probezeit führungslos war. Mehr als in Theorieseminaren habe er für sein Berufsleben bei seinem großen Hobby Fußball gelernt, sagt Appel. Der ehemalige Jugend-Nationalspieler trainierte später unter anderem den Heider SV und TSV Altenholz in der Oberliga.
Auf sportlichen Teamgeist setzt er nun auch in der Stormarnschule. Zur Leitungsrunde zählen die neue Stellvertreterin Manuela von Werder, Silke Vierck (Orientierungsstufenkoordinatorin), Silke Hörberg (Mittelstufenkoordinatorin) und Kerstin Schmidt (Oberstufenkoordinatorin). Das Bildungsministerium in Kiel geht davon aus, dass es im Juni einen Fahrplan gibt, um zum Start des neuen Schuljahrs Anfang August wieder eine reguläre Schulleitung zu haben.
Das Ahrensburg-Gastspiel von Hartmut Appel endet somit mit den Sommerferien schon wieder. Im Abendblatt-Interview spricht der Itzehoer über seine auch für ihn überraschende Rückkehr ins Berufsleben, Führungsqualitäten und Kommunikation mit Eltern.
Welchen Eindruck haben Sie nach den ersten Wochen in Ahrensburg von der Stormarnschule, dem Lehrerkollegium, Schülern und Eltern?
Hartmut Appel Ich habe ja schon Anfang April in den Osterferien angefangen mit Sitzungen der Schulleitung, um auszuloten, wo die Schwierigkeiten liegen. Es ist eine klassische Schule, wie man sie im Hamburger Rand findet. Wir haben sehr engagierte Eltern, das finde ich auch gut. Der Übergang zwischen dem Engagiertsein und Dingen, wo man glaubt, auch noch mitsprechen zu müssen, führt natürlich dazu, dass man sich mit Themen beschäftigen muss, die Schule selbst zu entscheiden hat. Dafür ist man als Schulleiter da. Die Kolleg*innen sind alle sehr offen, auch wenn ich sie nur hinter Masken sehe. Sie freuen sich darauf, dass sich mit einem anderen Blick auch Dinge eröffnen. Es ist ein Neustart, und da sind wir ganz gut davor.
Die Kinder haben Sie bisher auch überwiegend aus der Distanz kennengelernt?
Ich spreche sie im Gebäude auch an. Sie kennen mich ja gar nicht, und dann kommt noch die Maske dazu. Alles in allem ist es eine Schule, die viele gute Sachen macht, die man jetzt wieder zusammenbringen muss. Wir müssen sehen, wo unsere Stärken für die Zukunft sind, damit man nicht ständig als altehrwürdig bezeichnet wird. Wenn damit das Gebäude gemeint ist, finde ich das richtig. Ich liebe alte Gebäude, war in Kiel und Itzehoe selbst in welchen. Aber altehrwürdig hat noch etwas Anrüchiges, das ist etwas problematisch als Image.
Also beispielsweise beim Unterrichtsstil?
Da kann ich noch gar nicht viel zu sagen. Aber es gibt eine ganze Menge, worauf man den Blick haben kann, und das will ich auch gern tun.
Was sehen Sie denn als ihre Hauptaufgaben für die drei Monate?
Dass eine Schulleiterin suspendiert wird, kommt nicht so oft vor. Der stellvertretende Leiter ist weggegangen (Lars Troche leitet seit Februar das Eckhorst-Gymnasium Bargteheide, d. Red.), die Stelle ist mit Frau von Werder gerade erst hervorragend besetzt worden. Wir haben eine Situation, die sehr herausfordernd ist. Jeder macht sich seine eigenen Gedanken. Wir sind im Personalzuweisungsverfahren, sechs befristete Verträge laufen aus. Die geburtenschwachen Jahrgänge führen demografisch an allen Schulen dazu, dass wir oben große Jahrgänge abgeben und von unten weniger Schüler*innen nachkommen. Damit hat man keinen oder wenig Anspruch auf neue Stellen, auch wenn man das Gefühl hat, man benötige neue Lehrkräfte. Und Kunstlehrer*innen findet man beispielsweise momentan überhaupt nicht. Die wichtigsten Aufgaben sind das Personalgeschäft mit Ausschreibungen und Einstellungen, die Unterrichtsverteilung und natürlich die Corona-Herausforderungen im Alltag. Ein Gymnasium gleicht da schon einer unteren Landesbehörde, die selbstregulierend und gestaltend tätig ist.
Oder einem mittelständischen Unternehmen?
Ja, in Steinburg habe ich meinem Landrat immer deutlich gemacht, dass ich – wenn es zum Beispiel um digitales Arbeiten und Administration geht – mehr Mitarbeiter habe als er in der gesamten Kreisverwaltung mit einer eigenen IT-Abteilung. Dann geht es beispielsweise um Dinge wie IT-Netzwerke und Administration. Ich komme von einer Schule, die den Digitalpakt schon 2011 erfüllt hatte. Am Detlefsengymnasium sind wir bei der zweiten Generation digitaler Tafeln angekommen. Wir müssen also loslegen.
Wie schätzen Sie im Vergleich den Stand hier ein?
Es ist schon einiges passiert, die Stormarnschule ist ja auch Modellschule für digitales Lernen. Der Breitbandanschluss kommt, darüber habe ich gerade mit dem Bürgermeister gesprochen. Sämtliche Kommunikationskanäle müssen eingebunden werden, auch die WLAN-Ausleuchtung. Du musst heute in jedem Raum digital arbeiten können. Ob der Lehrer das will, kann er pädagogisch selbst entscheiden, nicht aber, ob dort eine digitale Tafel hinkommt. Da muss man mit dem Schulträger laufend sehen, was möglich ist. Sich darauf auszuruhen, dass man früher mal etwas gemacht hat, ist nicht gut. Es bedarf einer professionellen Administration der Netzwerke und der Endgeräte.
Wie sind Sie überhaupt zu dieser Aufgabe gekommen? Sie waren ja bereits im Ruhestand und hatten ganz andere Pläne.
Ich war auch immer Fußballtrainer in höhren Klassen, deshalb konnte man bestimmte längere Urlaube nie machen. Meine Frau und ich wollten eigentlich länger nach Sizilien, doch das war wegen Corona nicht möglich. Das Problem war nicht, dass ich nichts zu tun habe. Aber ich hatte schon immer Verantwortung, war immer Chef. Der Mitarbeiter des Bildungsministeriums, der für den Fall zuständig ist, war früher mein Stellvertreter in Glückstadt. Wir sind auch befreundet. Er wollte dann gern etwas Dienstliches mit mir besprechen. Wir hatten mal darüber geredet, dass ich jüngere Schulleiter*innen bei Alltagsfragen unterstützen könnte. Als er mir dann den Ahrensburger Fall schilderte, war ich menschlich schon erschüttert. Als Schulleiter kennt man sich ja seit Jahrzehnten. Der entscheidende Punkt war dann meine Frau, die selbstständige Architektin ist und momentan auch sehr viel zu tun hat. Sie sagte mir, wenn ich helfen könne, sollte ich das doch machen – zumal sie mit meiner häuslichen Arbeit nicht zufrieden war.
Gibt es Grundsätze für Ihren Führungsstil?
Ich komme vom Sport, also ist Teammanagement ein ganz wichtiges Anliegen. Grundvoraussetzung ist, dass ich transparent und offen kommuniziere. Zur Schule gehört das gesamte Personal inklusive Sekretärinnen und Hausmeistern. Als Sportler kenne ich das nicht anders. Das ist wie eine Familie, da geht es nicht nach Hierarchie. Andererseits muss man als Vorgesetzter aber auch klar sagen, wie wir Dinge umsetzen. Die Pädagogik muss entscheiden, wie Schule sich entwickelt, und dazu gehört auch der Ort, an dem gelernt wird. Im Idealfall unterstützt der Schulträger die schulisch-pädagogische Entwicklung, indem er nicht nur verwaltet, sondern auch fördert.
Und was sollte ein Chef niemals machen?
Sich allein einschließen und glauben, dass man von oben alles machen kann. Diese Zeiten sind vorbei, bestimmte Führungsstile gehen heute nicht mehr. Wenn man die Kommunikation abbricht, hat man eigentlich schon verloren.
In Ihrem Gruß an Eltern und Schüler appellieren Sie daran, dass offene Briefe und direkte Schreiben an das Ministerium wie in der Vergangenheit an der Stormarnschule nicht mehr notwendig sein sollten. Zugleich bieten Sie offene Türen und direkten Kontakt an.
Viele Sachen sind jetzt aufgebrochen, die ich nicht beurteilen kann. Aber alles, was an der Schule läuft, habe ich zu verantworten. Wenn jemand hier ein Problem hat, muss er hier kommunizieren. Daraus dürfen aber keine Zeitfresser werden. Es gibt ganz viele Dinge, die wir inhaltlich aufarbeiten und bei denen wir Transparenz herstellen müssen.
Ihr Aufgabenpensum bedeutet, dass die Verbesserung ihres Golf-Handicaps noch ein bisschen warten muss?
Ich befürchte ja. Ich habe hier jeden Tag so viel zu bereden und bin abends erst gegen acht oder neun zurück in Itzehoe. Und die Tage im Homeoffice sind auch voll mit Arbeit.