Ahrensburg. Nach der Suspendierung der Direktorin der Stormarnschule in Ahrensburg: Ministerium setzt erfahrenen Lehrer kommissarisch ein.

Der suspendierten Leiterin der Ahrensburger Stormarnschule droht möglicherweise auch ein Gerichtsverfahren. Die Staatsanwaltschaft Lübeck hat aufgrund einer Strafanzeige des Landesbildungsministeriums Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue eingeleitet, so Oberstaatsanwältin Ulla Hingst, Sprecherin der Behörde. „Zum genauen Gegenstand des Verfahrens kann ich zum Schutze der Ermittlungen keine Auskunft erteilen“, sagt sie. Das Disziplinarverfahren des Landes läuft parallel.

Offensichtlich werden der 57 Jahre alten Ahrensburger Oberstudiendirektorin finanzielle Unregelmäßigkeiten vorgeworfen. In Paragraf 266 („Untreue“) des Strafgesetzbuches steht: „Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Ehemaliger Chef vom Gymnasium in Glückstadt übernimmt

Das Ministerium hat bereits einen Pädagogen gefunden, der das Gymnasium mit seinen rund 750 Schülern nach den Osterferien in ein ruhigeres Fahrwasser steuern soll: Hartmut Appel, der bis zu seiner Pensionierung Ende Januar das traditionsreiche Detlefsengymnasium in Glückstadt (Kreis Steinburg) geleitet hat. Er wird den Direktorenposten bis zu den am 19. Juni beginnenden Sommerferien kommissarisch übernehmen.

Hartmut Appel sprang schon mal in einer schwierigen Situation ein: 2015/16 leitete er das Gymnasium Schenefeld kommissarisch.
Hartmut Appel sprang schon mal in einer schwierigen Situation ein: 2015/16 leitete er das Gymnasium Schenefeld kommissarisch. © HA | Katy Krause

Der 66-Jährige hat ein erstes Arbeitstreffen mit der aktuellen Schulleitungsrunde absolviert. Die ist offenbar sehr optimistisch, die Herausforderungen zu meistern. „Wir haben Herrn Appel als einen begeisterten, engagierten Kollegen kennengelernt, der die Leitung kompetent in die Hand nehmen wird“, heißt es in einer über die Elternvertreter verteilten Nachricht. Die durch den Ausfall der Englisch- und Geschichtslehrerin, die die Stormarnschule schon seit 2004 leitet, erforderlichen Änderungen im Stundenplan werden zügig umgesetzt.

Vor zwei Jahren gratulierte die Ministerin noch zur „Europaschule“

Die genauen Gründe für die Suspendierung seien auch den Kollegen nicht näher erläutert worden. Das Ministerium habe nur mitgeteilt, dass die Direktorin bis auf Weiteres ihren Dienst nicht wahrnehmen könne. Üblicherweise besteht in solchen Fällen der Verdacht eines erheblichen Dienstvergehens.

Ein Mitarbeiter des Landes soll der Direktorin die Nachricht am Mittwoch vor den Osterferien persönlich überbracht haben. Im Anschluss soll er sie aufgefordert haben, ihre Schlüssel abzugeben und das Gebäude zu verlassen. Im Februar 2019 stand sie noch neben Bildungsministerin Karin Prien (CDU) auf der Bühne, nahm das Qualitätssiegel „Europaschule in Schleswig-Holstein“ entgegen. Die Direktorin hat sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Elternvertreter hat Gespräch mit Interims-Chef vereinbart

Der Vorsitzende des Schulelternbeirats, Thomas Miltsch, hat für diese Woche ein Gespräch mit dem kommissarischen Schulleiter vereinbart. „Es gibt viele Brennpunkte, die schnellstens bearbeitet werden müssen“, sagt Miltsch. Am kommenden Montag ist der erste Schultag nach den Ferien, am Dienstag sind Abiturprüfungen in Deutsch und am Freitag in Englisch. Corona-Selbsttests für alle Kinder und Wechselunterricht müssen organisiert werden. Es sei wichtig, dass der Schulbetrieb in den neun Wochen bis zu den Sommerferien vernünftig ablaufe, so Miltsch. Sein Ausblick: „Es muss viel geheilt werden.“

Hartmut Appel soll daran maßgeblich mitwirken. Der gebürtige Kieler war nach Studium und Referendariat zunächst Lehrer in Itzehoe. 2005 übernahm er die Leitung des Gymnasiums in Glückstadt an der Elbe, die er bis zum 31. Januar 2021 innehatte. Um die Einweihung der von ihm vorangetriebenen neuen Sporthalle noch im Amt mitzuerleben, hatte er extra eine Verlängerung seiner Dienstzeit beantragt.

Der Neue war schon einmal eine Art Feuerwehrmann

2015/2016 war Hartmut Appel schon mal als eine Art Feuerwehrmann eingesetzt worden. Das Gymnasium Schenefeld (Kreis Pinneberg) war nach der Abberufung des Leiters in der Probezeit führungslos, der Krankenstand und der Unterrichtsausfall hoch, die Eltern waren sauer. In Teilzeit übernahm der Mann aus Glückstadt nebenbei die Chefrolle für ein halbes Jahr, erledigte lange aufgeschobene Projekte und brachte Ruhe in den Alltag. „Wir haben einen Glücksgriff gemacht“, sagte damals die stellvertretende Schulelternbeiratsvorsitzende über die Arbeit.

Jetzt wartet überraschenderweise eine ähnlich große Herausforderung auf Hartmut Appel. Der wollte eigentlich im Ruhestand mehr Muße zum Lesen und Reisen haben – und sein Golf-Handicap verbessern, wie er der Norddeutschen Rundschau im Interview verriet. „Das Hauptproblem wird für mich sein, keine Verantwortung mehr zu haben. Das muss ich noch lernen“, sagte Appel. Ab Montag hat er ein Problem weniger.