Hamburg/Barsbüttel. Nach vier Tagen finden Zielfahnder den untergetauchten Schwerverbrecher in Barsbüttel. Dann wird dem 52-Jährigen schlecht.

Vier Tage war der Schwerverbrecher Karl L. (52) auf der Flucht, nachdem er sich am vergangenen Sonnabend bei einem Freigang abgesetzt hatte. Zielfahnder des Landeskriminalamtes spürten ihn in einer Handwerker-Pension in Barsbüttel auf. Nachdem er am Mittwochabend im Polizeipräsidium Kreislaufprobleme bekommen hatte, ging es statt zurück ins Gefängnis zunächst ins Krankenhaus Barmbek. Dort wurde er auch am Donnerstag noch behandelt.

In diesem Versteck wähnte sich Karl L. sicher: Eine Appartementanlage in Barsbüttel im Kreis Stormarn, Wohnungen und Zimmer sind möbliert und werden vor allem an Handwerker vermietet. Der Zugang ist ausschließlich per Chip möglich. Es gibt nur zwölf Einheiten, und in diesem Bereich der Willinghusener Landstraße sind auch tagsüber nicht viele Menschen unterwegs.

"Santa-Fu"-Ausbrecher in Barsbüttel von Zielfahndern überrascht

Hier war der Ausbrecher-König untergetaucht, anstatt nach einem Freigang in die Sicherungsverwahrung der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel zurückzukehren. Doch nach vier Tagen ist die Flucht beendet. Zielfahnder des Hamburger Landeskriminalamtes drangen am Mittwochabend um kurz nach 19 Uhr in das Gebäude ein und nahmen den 52-Jährigen fest. „Er leistete keinen Widerstand”, sagt eine Polizeisprecherin.

Der Kriminelle hatte sich in dem dreigeschossigen Haus inklusive Spitzdach bei einem Bekannten eingenistet, war also nicht in den Unterlagen des Vermieters registriert. Zum Zeitpunkt, als ihn die Beamten überraschten, war er allein im Zimmer mit der Nummer 1.3 im Erdgeschoss. Andere Bewohner bekamen nichts mit. Es ging alles blitzschnell und ohne großes Aufsehen, vor allem geräuschlos.

Hinweis bringt die Polizei auf die Pension

Auf die Pension war die Polizei durch einen Tipp gekommen. Über die Flucht von Karl L. war in großem Umfang berichtet worden. Die Fahnder kontaktierten den Eigentümer der Immobilie bereits am Morgen und erkundigten sich nach den Namen der Bewohner. Zudem besorgten sich die Beamten Pläne von Grundrissen, um bei dem Einsatz mögliche Fluchtwege abzuschneiden. „Der eigentliche Mieter des Zimmers ist seit Oktober bei uns. Er zahlt regelmäßig und hat sich hier nichts zuschulden kommen lassen“, berichtete der Vermieter. Allerdings sei der Mann seit geraumer Zeit dort nicht gesehen worden.

Auch im Umfeld bekamen Nachbarn von dem Zugriff nichts mit. Am Morgen danach brachte eine Seniorin, die in einem angrenzenden Mehrfamilienhaus lebt, den Müll vor die Tür. Sie sagte: „Ich habe hier weder Polizei gehört noch gesehen.“ So erging es auch einer jungen Frau, die einen Steinwurf vom Appartementkomplex entfernt wohnt und auf diesen direkten Blick von ihrem Badezimmerfenster aus hat. Auf die Ereignisse angesprochen, schüttelte sie den Kopf.

Die Handwerker waren bereits zur Arbeit, der Parkplatz war am Donnerstagmorgen leer. Licht brannte im Erdgeschoss. Eine Reinigungskraft, die gebrochen deutsch spricht, zog frische Bettlaken auf. Die Zimmer wirken sauber, sind mit braunem Laminatboden, Kühlschrank und Flachbildfernseher ausgestattet. Es gibt eine Gemeinschaftsküche. Neben dem Eingang an der Seite zur Hauptstraße sind zwei rustikale Sitzbänke aus Holz installiert, auf dem Tisch steht ein Aschenbecher mit einem Dutzend ausgedrückter Zigaretten. Der Bereich ist überdacht.

Karl L. kauft nach Flucht im Getränkemarkt ein

Auf einem Buchungsportal im Internet haben 20 Gäste eine Bewertung abgegeben. Sie benoten das Haus im Durchschnitt mit 7,5. Zehn ist das Maximum. „Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Alles sauber. Ohne Frühstück“, heißt es  da zum Beispiel. Das Haus ist als „gewerbliches Wohnen auf Zeit“ angemeldet. Die Preise beginnen bei 22 Euro pro Nacht und Person.

Nebenan und nur getrennt durch die Straße mit dem Namen Bergredder befindet sich ein Getränkemarkt, wo es auch Backwaren zu kaufen gibt. Dort traf Karl L. am Mittwochmorgen gegen 9 Uhr ein. Er kaufte einen Kaffee sowie eine Mund-Nasen-Bedeckung, redete aber nicht mit dem Personal. Das erzählte eine Verkäuferin aus der Frühschicht, die den Verbrecher bedient hatte, einen Tag später. Nachdem sie im Internet einen Artikel über die Festnahme inklusive Foto des Mannes entdeckt habe, sei sie sicher, dass es Karl L. gewesen ist. „Er kam in unseren Laden und hatte sich den Arm vor Mund und Nase gehalten.“

2017 hatte Karl L. einen Freigang zur Flucht genutzt

Nach der Festnahme fuhren die Zielfahnder mit Karl L. zunächst ins Polizeipräsidium. Der Mann sollte von dort mit der “Knastkutsche”, einem Gefangenensammeltransport, ins Untersuchungsgefängnis gebracht werden. Das ist der übliche Weg. Noch im Zellentrakt des Erkennungsdienstes bekam Karl L. dann Kreislaufprobleme. Von dort ging es deshalb zunächst per Rettungswagen mit Polizeibewachung ins Krankenhaus Barmbek. Dort wurde er der Justiz übergeben.

Karl L. sitzt in der berüchtigten Haft-Anstalt “Santa Fu”. Er war 2008 unter anderem wegen Raubes und räuberischer Erpressung in mehreren Fällen zu insgesamt fünf Jahren und sechs Monaten Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Seit Herbst 2019 hatte er mehrfach Freigang. Seit etwa einem halben Jahr durfte er auch unbegleitet raus. Das war von einem Gericht angeordnet. „Mittlerweile hat er mehr als 40 unbegleitete Ausgänge zu unterschiedlichen Zwecken wahrgenommen”, so die Justizbehörde.

Es war nicht die erste Flucht. Karl L. hatte sich am Sonnabend bereits zum vierten Mal abgesetzt. Zuletzt war er 2017 entkommen.