Trittau. Ausschuss stimmt für Tragen von Mund-Nasen-Schutz während der Sitzungen. Gemeindevertreter hält sich nicht daran. Das sorgt für Ärger.

Schnell, effizient und sachorientiert: So wollten die Trittauer Politiker ihre Sitzungen in Corona-Zeiten angehen. Doch was sich gerade auf der jüngsten Zusammenkunft des Hauptausschusses abgespielt hat, ist meilenweit von diesem Wunschdenken entfernt und lässt alle Beteiligten fassungslos zurück. Der Streit entzündete sich an der Weigerung des Gemeindevertreters Peter Sierau von der Bürgergemeinschaft Trittau (BGT), während der Sitzung eine Mund-Nasen-Bedeckung anzulegen. Das war der Anlass für eine nervenaufreibende und in Teilen sehr emotional gefärbte Debatte, die letztendlich dazu führte, dass zwei Mitglieder mitten in der Sitzung den Saal verließen.

Der Konflikt zeichnete sich bereits im Vorfeld ab

Dem Treffen vorausgegangen war ein reger E-Mail-Verkehr, der unserer Redaktion vorliegt. Der Ausschussvorsitzende Harald Martens (CDU) hatte die anderen Vertreter schriftlich über die Bitte seiner Fraktionskollegin Sandra Plehn in Kenntnis gesetzt, dass alle Anwesenden die Maske während der Sitzung aufbehalten sollten. Sie wolle außerdem einen Eilantrag einbringen, um bis auf weiteres die Festschreibung einer Maskenpflicht während aller Sitzungen zu erreichen.

Plehn gehört selbst einer Risikogruppe an, pflegt außerdem ihre Mutter. Alle Politiker signalisierten Zustimmung, auch Michael Amann von der BGT. Peter Sierau sprach sich als Einziger dagegen aus und schrieb: „Abstand halten bei Gesprächen von mindestens einen Meter (Face to Face) schützt vor direkten Erregerkontakten und macht das Tragen von Masken überflüssig.“ Grundsätzlich halte er es in beengten Situationen für sinnvoll. Eine solche liege aber im Sitzungssaal nicht vor. Und er kündigte an: „Ich werde keine Maske während der Sitzung tragen.“

Bei Sitzungen sind auch viele Ältere anwesend

Und dabei blieb er. Zu Beginn der Sitzung wurde Plehns Antrag mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit auf die Tagesordnung gesetzt. Als das Thema zur Sprache kam, appellierten mehrere Politiker an die Solidarität Sieraus.

Doch auch die Appelle konnten den Fraktionsvorsitzenden nicht umstimmen. Er sagt: „Wenn man anderer Meinung ist, heißt das noch lange nicht, dass man unsolidarisch ist.“ Sandra Plehn argumentiert dagegen, sagt: „Für mich ist das ein Wir, das gegenseitige Rücksichtnahme erfordert.“ Es gehe auch darum, andere zu schützen. „Es sind ja viele ältere Menschen am Tisch.“ Sie sei selten sprachlos, aber auch einen Tag nach der Sitzung komme sie kaum über das Verhalten Sieraus hinweg. „Er hat behauptet, dass die Ansteckung vorwiegend über die Hände erfolgt“, berichtet sie. Und dass es „schädlich sei, die eigene Atemluft einzuatmen“.

Plehns Antrag wurde mehrheitlich beschlossen

Ihr Antrag, dass der Ausschuss der Gemeindevertretung empfiehlt, die Maskenpflicht festzuschreiben, wurde mit fünf Ja-Stimmen bei einer Enthaltung (Michael Amann, BGT) und einer Nein-Stimme (Sierau) beschlossen. Daraufhin legten auch die übrigen Versammelten – bis auf Sierau – den Mund-Nasen-Schutz an. Plehn: „Da habe ich ihm gesagt, dass ich maßlos enttäuscht bin und es nicht verstehe. Dabei ist er mir noch mehrmals ins Wort gefallen.“

Sie zog die Konsequenz und verließ die Sitzung. „Bei so einer Lappalie so einen Aufriss: Wenn man ein bisschen Empathie hat, ist das wohl eine Selbstverständlichkeit“, schimpft sie. Ihr Parteikollege Jens Hoffmann springt ihr bei: „Sogar von Schülern erwarten wir, dass sie im Unterricht Masken tragen. Mit ein bisschen Rücksichtnahme hätte Peter Sierau sicher einlenken können.“

Beschluss der Politik ist nicht rechtlich bindend

Die Politik habe die Verwaltung gebeten zu prüfen, ob es überhaupt eine rechtliche Handhabe zur Durchsetzung eines solchen Beschlusses gebe. Das verneint Kreis-Pressesprecher Gregor Tuscher: „Die Gemeinde hat keine Handhabe, den Gemeindevertreter aufgrund des Beschlusses auszuschließen.“ Man könne diesen als Aufforderung werten, rechtlich bindend sei er nicht.

„Auf der Ebene des Hausrechts könnte sich die Verwaltung aber ein eigenes Hygienekonzept geben und das Tagen eines Mund-Nasen-Schutzes darin festschreiben.“ Dann habe man bei einer Weigerung eine Handhabe. Zur Vorgehensweise empfiehlt Tuscher: „In einem Fall wie diesem könnte der Vorsitzende die Sitzung unterbrechen, damit sich die Fraktionsvorsitzenden besprechen können.“ Und sich beispielsweise darauf einigen, die Sitzung zu verschieben, bis ein neues Hygienekonzept erarbeitet ist. Es gehe darum, sich selbst Regelungen aufzuerlegen und mit gutem Beispiel voranzugehen, so Tuscher. „Wir haben darauf hingewiesen, dass dies dem Schutze aller dient, auch der Gäste.“

Bürger fordert höflichen Umgang trotz Kontroversen

Dieter Schmoll hat schon viele Ausschusssitzungen verfolgt. Der Trittauer war auch diesmal dabei. Er sagt: „Wenn ich als Zuschauer eine solche Sitzung verfolge, erwarte ich von den Politikern einen sachlichen und höflichen Umgang trotz kontroverser Meinungen.“ Statt dessen habe er zum wiederholten Male Ausfälle und Schimpftiraden erlebt.

Einen dieser persönlichen Angriffe habe Sierau gegen Detlef Ziemann (Grüne) gerichtet: „Du hast doch wohl einen Pfeil im Gehirn“, habe er zu ihm gesagt. Dazu Sierau: „Herr Ziemann hat mich in einer E-Mail auf eine Ebene mit der AfD gestellt.“ Derlei Angriffe werde er sich auch in Zukunft nicht gefallen lassen. „Wenn ich dann in Rage gerate, ist das auch mein gutes Recht, alle müssen sich an die Regeln halten.“ Er habe „wütend auf die Zurufe reagiert, die da gekommen sind, ich sei unsolidarisch“.

SPD-Mann Lange sieht die Verwaltung in der Pflicht

Ziemann sagt: „Was sich da abgespielt hat, ist ein Theater ohne Ende.“ Kurze Zeit nach Plehn habe auch Sierau den Saal verlassen. „Er hat noch erklärt, er verhalte sich jetzt solidarisch mit Frau Plehn, ist dann gegangen.“ Der Sinn dieser Aussage habe sich den Anwesenden an dieser Stelle jedoch nicht erschlossen.

Auch Peter Lange (SPD) hält das Tragen von Masken angesichts steigender Infektionszahlen für sinnvoll. Er sagt: „Als Gemeindevertreter kommen wir unserer Präsenzpflicht nach.“ Er sehe die Verantwortung auch bei der Verwaltung, sie habe eine Fürsorgepflicht gegenüber den Ausschussmitgliedern. Lange setzt jetzt auf Online-Sitzungen.

Diese haben die verbliebenen Politiker einstimmig und unaufgeregt durch Änderung der Hauptsatzung auf den Weg gebracht. Eine Maskendiskussionen wird es dann wohl nicht mehr geben.