Barsbüttel. Hans Werner Bünger entging dem Tod nur knapp. Jetzt will ihn die Gemeinde für seine langjährige ehrenamtliche Tätigkeit auszeichnen.

An den Ostermontag dieses Jahres kann sich Hans Werner Bünger noch gut erinnern. Zumindest bis zu jenem Zeitpunkt, als er versuchte, sich an einem Zaun nahe der Barsbütteler Hauptstraße festzuhalten und ihm schwarz vor Augen wurde. Der Senior knallte mit dem Kopf auf den steinigen Gehweg. Ein Krankenwagen brachte ihn in die Asklepios-Klinik St. Georg. Die Ärzte diagnostizierten ein Blutgerinnsel, öffneten den Schädel – das alles erfuhr der 81-Jährige erst eine Woche später, als er aus dem Koma erwachte. „Seitdem habe ich zweimal im Jahr Geburtstag. Jedenfalls fühlt es sich so an“, sagt der Witwer rund sechs Monate nach der Lebensrettung.

Feuerwehr und Sportverein schlugen ihn für Preis vor

Ein bedeutsamer Tag sollte für den gebürtigen Hamburger, der seit 1943 in Barsbüttel lebt, auch der 30. Oktober sein. Da wollte ihn die Gemeinde eigentlich bei einer Zeremonie mit dem Ehrenpreis auszeichnen – für sein jahrzehntelanges Engagement im Barsbütteler SV sowie für die Feuerwehr. Beide Organisationen hatten ihn dafür vorgeschlagen. Und die Gemeindevertreter wählten den Rentner unter mehreren Kandidaten aus. Nun wurde die Feier wegen der steigenden Corona-Infektionszahlen kurzfristig abgesagt und auf einen unbestimmten Zeitpunkt ins kommende Jahr verlegt. „Es hat mich schon überrascht, dass ich auserkoren wurde. Auf jeden Fall muss ich ein Manuskript anfertigen. Als Redner bin ich alles andere als geübt.“

Umso sicherer war er im Umgang mit der Pfeife. Bis vor vier Jahren leitete er als Schiedsrichter Fußballspiele von Jugendteams, früher auch Partien zwischen Herrenmannschaften. Utensilien wie rote und gelbe Karten hat der Ehrenamtler in einer schwarzen Tasche aufbewahrt. Daraus kramt er auch eine Pfeife aus Stahl hervor. „Die ist aus England und besonders laut.“ Die herkömmlichen aus Kunststoff seien ihn zu leise gewesen. Besonders autoritär sei er als Unparteiischer aber nicht gewesen. Bünger sagt, er habe viel durchgehen lassen. „Wenn einer allerdings grob gefoult hat und auch noch mit mir diskutieren wollte, dann war Feierabend.“ Soll heißen: Der Spieler flog vom Platz. Viele rote Karten habe er aber nicht gezeigt, sie ließen sich an einer Hand abzählen.

Seine Großmutter meldete ihn beim Barsbütteler SV an

13 Jahre war er Schiedsrichter-Obmann, aktuell ist der Barsbütteler als Stellvertreter aktiv – und jedem Montag im Büro auf der Sportanlage. Dann zahlt er das Geld für die Schiedsrichter an die Jugendteams, welches am Punktspieltag ausgelegt wurde. Bünger ist gehbehindert, hat Durchblutungsstörungen und seit 2019 einen Bypass. Trotzdem ist das Aufhören kein Thema. Sein Lieblingsverein? Na klar, der BSV. Er freue sich zwar über Siege des HSV und des FC St. Pauli, aber vergleichbar sei das nicht mit der Zuneigung zu seinem Club, dem er 1949 beitrat. Seine Oma hatte ihn zum Kicken angemeldet.

Wenn er über sein Wirken spricht, schwingt Leidenschaft in den Worten mit. Als Spieler habe er keine großen Erfolge gehabt. Viel wichtiger war Bünger jedoch, Kindern und Jugendlichen Teamgeist und Spaß am Sport zu vermitteln. Er trainierte mehrere Mannschaften, Jungen von sechs bis 18 Jahren – und vorübergehend auch die dritte Herren. Für den Nachwuchs organisierte er oft Duelle mit stärkeren Teams. „Damit die wissen, wo sie stehen und was sie noch lernen müssen.“ Dafür erntete er auch Kritik. „Einigen Eltern passte das nicht, sie meldeten ihre Kinder ab.“

Ihm liegt die Arbeit mit dem Nachwuchs am Herzen

Noch immer kümmert sich Bünger um die Jugendschiedsrichter. Er zeigt ein Heft seines Sportvereins, sein Finger tippt auf das Foto eines jungen Mannes, der BSV-Mitglied ist: Fabian Porsch, seit Kurzem DFB-Schiedsrichter und als Assistent in der Zweiten Bundesliga aktiv. „Den habe ich mitausgebildet“, sagt der gelernte Gärtner, der die meiste Zeit seines Berufslebens jedoch als Lkw-Fahrer unterwegs war. Die Entwicklung ehemaliger Zöglinge zu verfolgen, bereitet ihm große Freude.

Der BSV weiß, was er an Bünger hat, ernannte ihn zum Ehrenmitglied. An der Wand seines Hobbyzimmers sind mehrere Urkunden gerahmt. Auch bei der Freiwilligen Feuerwehr hat er diesen Status, obwohl er nur Förderer und nie bei Einsätzen vor Ort gewesen ist. „Mit 45 Jahren wollte ich Aktiver werden, man sagte mir allerdings, dass ich zu alt bin.“ Heute seien die Regeln anders. Manch einer wäre beleidigt abgezogen, doch Bünger, der über seinen Sohn Matthias die Feuerwehr für sich entdeckte, half auf anderer Ebene: Bei Feiern verkauft er Getränke und organisiert viele Dinge. Für das Faschingsfest besorgte er zum Beispiel 90 Kilo Süßigkeiten. Eine Spende seines früheren Arbeitgebers, ein Groß- und Einzelhändler für die Duty-free-Branche.

Bünger überlebte zwei seiner Söhne und seine Ehefrau

Für den Barsbütteler steht das Wohl seiner Mitmenschen im Vordergrund. Er ist keiner, der die eigene Leistung stets betont und in erster Reihe stehen will. Den Nachwuchs voranzubringen, das erachtet er als sinnvoll. Dazu passt seine Aussage über den Zustand des Fußballs in Barsbüttel: „Die Jugendabteilung ist gut aufgestellt, das ist das Wichtigste.“ Hans Werner Bünger ist ein positiv denkender Mensch, den mehrere Schicksalsschläge geprägt haben. Als Kind wurde er in Hammerbrook ausgebombt. Er überlebte zwei seiner Söhne. Der dritte wohnt in Barsbüttel, die Tochter in Hamburg. Vor zwei Jahren starb seine Frau. Welche Ziele er noch hat? „Ich habe alles erreicht, aber bei der Feuerwehr will ich bald wieder hinter dem Tresen stehen.“ Wenn es einen Impfstoff gegen das Coronavirus gibt.

Und da ist noch eine Sache. Gern möchte er auch wieder das Auto lenken. Wegen seiner Operation ist das derzeit nicht möglich. Am 13. November hat er einen Termin beim Arzt, dann werden seine Gehirnströme gemessen. Womöglich darf er danach wieder ans Steuer.