Siek. Jedes Jahr säubern die Storcheneltern Kerstin Kommer und Andreas Hack einen Teil der 44 Horste. Das Abendblatt hat sie begleitet.

Zwei Eimer mit gehäckseltem Geäst und Reisig stehen neben Andreas Hack auf der Plattform des Hubsteigers. Mit der Schaufel hebt er getrockneten Schlick und Grassoden aus dem Horst. Schwindelfrei muss der Steinburger sein – zwölf Meter trennen ihn vom Boden. In den Sommermonaten haust hier hoch oben über dem Sieker Ortsteil Meilsdorf ein Storchenpaar. Doch jetzt, wo die Bewohner längst unterwegs in ihr afrikanisches Winterquartier sind, ist auf dem Horst Großputz angesagt.

Intaktes Nest ist wichtig für Fortpflanzungserfolg

Kerstin Kommer  und Helfer Rainer Engling zeigen eine Kunststoffkordel und einen Müllbeutel, den sie in einem Horst gefunden haben.
Kerstin Kommer und Helfer Rainer Engling zeigen eine Kunststoffkordel und einen Müllbeutel, den sie in einem Horst gefunden haben. © Filip Schwen

Das Putzkommando sind Andreas Hack und Kerstin Kommer. Der Steinburger und die Bargteheiderin vom Naturschutzbund (Nabu) Bad Oldesloe sind Stormarns ehrenamtliche Storchengebietsbetreuer. Jedes Jahr im Herbst gehen die beiden auf Tour, säubern und reparieren einen Teil der 44 Horste im Kreis, sodass die Bewohner bei ihrer Rückkehr im Frühjahr ein aufgeräumtes Eigenheim vorfinden. Alle zwei bis drei Jahre wird so jeder Horst einmal instand gesetzt. Den Hubsteiger mietet der Nabu, die Kosten trägt die Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn.

Ein intaktes Nest sei entscheidend für den Fortpflanzungserfolg der Zugvögel, sagt Hack. „Setzt sich der Horst mit Schlick zu, kann Gras darauf gedeihen“, erklärt der Experte. Der Regen könne nicht mehr abfließen und es sammele sich Stauwasser in dem Nest. „Für die Jungvögel ist das gefährlich, weil sie noch kaum über wärmendes Gefieder verfügen“, sagt der Ehrenamtler. „Sie erfrieren dann in der Nässe.“

Für die Störche stellt Müll ein großes Problem dar

Dabei trügen die Störche selbst ungewollt dazu bei, dass sich die Horste zusetzten. „Bei dem Schlick handelt es sich vor allem um Gewölle, Nahrungsreste wie Knochenstücke“, erklärt Kerstin Kommer. Wie auch Eulen und Greifvögel würgen Störche unverdauliche Nahrungsbestandteile wieder hoch. „Das Gewölle sammelt sich auf dem Horst und wird festgetreten“, so Kommer. Darüber hinaus sei auch Müll ein großes Problem für die Störche. Schnüre, Plastiktüten und Verpackungsreste – allen möglichen Abfall hätten sie schon von den Horsten gesammelt. „Die Störche lesen herumliegenden Müll auf und verwenden ihn für den Nestbau“, sagt die Ehrenamtlerin.

Auch auf ihrer diesjährigen Tour wurden die Storcheneltern fündig. „Die haben wir aus einem Horst in Bargfeld-Stegen geholt“, sagt Kerstin Kommer und zeigt auf eine mehrere Meter lange blaue Kunststoffkordel in ihrer Hand. „Sie war komplett in das Nest eingearbeitet.“ In dem Abfall könnten sich die Vögel verheddern und verletzen, im schlimmsten Fall verendeten sie. Auch einen Müllbeutel zogen die Storchenschützer in diesem Jahr aus einem Nest. „Wir haben einige regelrechte Müll-Störche“, sagt Kommer. „Die sammeln alles Mögliche an Abfall, was sie finden, und das häuft sich dann im Horst.“ Besonders Mülldeponien in der Nähe von Nestern seien ein Problem.

Bestand auf Stormarner Gebiet hat sich spürbar erholt

Andreas Hack hat derweil den Meilsdorfer Horst fertig gereinigt. „Müll war zum Glück nicht darin“, sagt er. Mit einer Forke bringt er frisches Gehäckseltes auf den Horst auf und verteilt es. „Das hier ist der 16. Horst heute, 19 stehen dieses Jahr auf dem Programm“, sagt der Ehrenamtler. Seit 8 Uhr am Morgen sind die Storcheneltern unterwegs, es ist bereits später Nachmittag. Drei Nester haben sie noch vor sich. „Gut zehn Stunden sind wir jedes Jahr unterwegs“, sagt der Storchenbetreuer.

Doch die Arbeit lohnt sich. „Der Bestand hat sich in Stormarn spürbar erholt“, sagt der Experte. 39 Paare lebten in diesem Jahr in Stormarn, ein neuer Rekord. Im Durchschnitt waren es seit Beginn der Aufzeichnungen 1971 mit 20,4 Paaren je Jahr nur etwa halb so viele. 67 Junge brachten die Stormarner Störche 2020 zur Welt, nur knapp wurde der bisherige Spitzenwert von 69 aus dem vergangenen Jahr verfehlt. „In Meilsdorf gab es in diesem Jahr das erste Mal Nachwuchs, seit der Horst 2016 errichtet wurde“, sagt Kerstin Kommer stolz.

Die Storcheneltern investieren jährlich rund 100 Stunden

Andreas Hack verteilt mit der Forke frisches Gehäckseltes auf dem Meilsdorfer Horst. 
Andreas Hack verteilt mit der Forke frisches Gehäckseltes auf dem Meilsdorfer Horst.  © Filip Schwen

Andreas Hack und Kerstin Kommer blicken bereits auf zwölf Jahre als ehrenamtliche Storcheneltern zurück: 2008 hatte sich Stormarns langjähriger Storchenvater und Nabu-Vorsitzender Hermann Wulf aus Altersgründen zurückgezogen. Zunächst hatte sich kein Nachfolger gefunden. „Wir haben uns dann entschieden, uns das Amt zu teilen“, sagt Kerstin Kommer. „Anders als unser Vorgänger, der Rentner war, sind wir beide berufstätig.“ Die Bargteheiderin betreut seitdem die Horste westlich der Autobahn 1, Andreas Hack die östlich davon. Weitere Ehrenamtler unterstützen sie hin und wieder, vor allem bei der großen Tour im Herbst benötigen sie zusätzliche helfende Hände.

Rund 100 Stunden investieren die beiden laut eigener Aussage jedes Jahr. Neben der Pflege der Horste führen sie jährlich zweimal eine Bestandsaufnahme durch. „Zuerst schauen wir im Frühjahr, wie viele Paare nach Stormarn zurückgekommen sind, im Juni oder Juli dokumentieren wir dann die Zahl der Jungtiere“, so Kommer. Zusätzlich sind die Storcheneltern auch Ansprechpartner für die Horstbesitzer und sorgen für die Inobhutnahme von verletzten Vögeln. „Manchmal werden Junge aus dem Nest geworfen, weil die Elterntiere sie nicht ernähren können“, sagt die Storchenmutter. „Wir werden dann informiert und bringen die Tiere zur Aufzuchtstation in den Wildpark Eekholt.“

Netzkonstruktion schützt den Horst vor Nesträubern

„Ich bin auf einem Bauernhof quasi mit Störchen groß geworden“, sagt Andreas Hack. Schon seit seiner Jugend ist der Steinburger im Nabu aktiv. Kerstin Kommer engagiert sich seit 25 Jahren bei den Naturschützern. „Ich denke, es ist wichtig, die Natur nicht nur zu betrachten, sondern auch aktiv zu werden und sie zu erhalten“, sagt sie. Der Meilsdorfer Horst ist inzwischen fast fertig hergerichtet. Unterstützt von Sven Herwägehr von der Meilsdorfer Feuerwehr befestigt Andreas Hack einen kegelförmigen Aufsatz mit einem Netz auf dem Horst.

„Es verhindert, dass andere Vögel, die früher aus dem Süden zurückkommen, das Nest besetzen“, sagt Hack. Besonders die Nilgänse seien dreiste Nesträuber, die den Störchen Konkurrenz machten. Mit einem Seil binden sie die Vorrichtung fest, im kommenden Frühjahr wird die Meilsdorfer Wehr sie rechtzeitig bevor die Störche einfliegen, wieder entfernen. Mit dem Hubsteiger fahren die beiden zurück nach unten. Dann geht es weiter zum nächsten Horst im Barsbütteler Ortsteil Stemwarde.