Ahrensburg. Neuausschreibung ließ laut Experten nur billigstem Anbieter realistische Chance. Stand Sieger Damm schon vor Auswertung fest?

Endzeitstimmung beim Entsorgungsunternehmen Grabau (GEG) in Geesthacht. Nach dem Verlust des Auftrags der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) für die Bio- und Restmüllabfuhr in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg zum Jahresende steht die Firma vor dem Aus. „Da die AWSH unser einziger Vertragspartner war, ist uns die wirtschaftliche Grundlage entzogen worden. Somit sind wir zur Geschäftsaufgabe gezwungen“, bestätigte GEG-Prokuristin Stefanie Conte dieser Zeitung. Allerdings nicht ohne Kritik an der Verfahrensweise zu äußern.

Firma Grabau hat sich an Ausschreibung beteiligt

Wie bereits berichtet, hat die AWSH den Auftrag nach massiven Abfuhr-Problemen Mitte 2018 am 21. August 2019 neu ausgeschrieben. Sechs Firmen beteiligten sich an dem Vergabeverfahren. Den Zuschlag erhielt Anfang Dezember des vergangenen Jahres schließlich die Buhck-Tochter Willi Damm GmbH mit Sitz in Grambek südlich von Mölln.

Auch die Firma GEG hatte sich erneut beworben. „Wir haben viel Erfahrung bei der Sammlung von Siedlungsabfällen, insbesondere mit der Abfuhr von Haus- und Bioabfall“, sagt Conte. Dem Entsorgungsauftrag in den Kreisen Stormarn und Lauenburg sei GEG während der Vertragslaufzeit in aller Regel zuverlässig nachgekommen. „Deshalb halten wir die Nichtverlängerung des Vertrags für nicht gerechtfertigt“, so Conte.

Dass es 2018 zu erheblichen Problemen gekommen ist, bezeichnete die Prokuristin als „höhere Gewalt“. Der Ausfall von 30 Kollegen im Zuge der landesweiten Grippewelle sei einfach nicht zu kompensieren gewesen. Im Frühjahr dieses Jahres habe dann der coronabedingte Lockdown, von dem auch Kitas und Schulen betroffen waren, zum Ausfall je einer Leerung von Bio- und Hausmüll geführt. Weil sich Mitarbeiter in Quarantäne begeben oder die Betreuung ihrer Kinder sicherstellen mussten.

Die GEG habe keine realistische Chance gehabt

„Es gab viele Jahre eine gute Zusammenarbeit mit der AWSH. Dass wir von deren Ende zuerst aus der Zeitung erfahren haben, ist deshalb umso bedauerlicher“, sagt Conte. Das will die AWSH so nicht stehen lassen. „Dass es für das bestehende Vertragsverhältnis keine Verlängerung geben wird, war der Firma GEG bereits seit dem Frühsommer 2019 bekannt. Spätestens aber mit Bekanntgabe der neuen Leistungsausschreibung im August“, sagt AWSH-Sprecher Olaf Stötefalke.

So, wie die Neuausschreibung abgefasst war, hatte die GEG laut Logistik-Experte Beat Sanne aus Trittau unterdessen kaum eine realistische Chance, im Geschäft bleiben zu können. Zu den Kriterien gehörten unter anderem Umweltverträglichkeitsaspekte wie die Minimierung von Entfernungen für die Sammeltransporte und die Energieeffizienz der eingesetzten Fahrzeuge, die Entlohnung der Fahrer und Lader sowie der Barwert der angebotenen Entgelte und Rabatte. „Dadurch war letztlich sichergestellt, dass sich nur das billigste Angebot für beide Landkreise durchsetzen wird“, sagt Sanne.

Einkommenseinbußen trotz diverser Zulagen denkbar

Dafür spricht etwa, dass die AWSH an einer Umstellung von garantierten Monats- auf Stundenlöhne offenbar keinen Anstoß nahm. In seiner Sitzung im Mai 2019 hatte der Aufsichtsrat lediglich festgelegt, dass die Untergrenze durch den gesetzlichen Mindestlohn fixiert sei. Um Anreize zum Lohndumping zu vermeiden, wurde von den Bietern zudem die vertragliche Zusicherung eines bestimmten Durchschnittslohns verlangt. Weil kein Tarifvertrag angewendet werden könne, sollten die Stundenlöhne allenfalls in jenem Bereich liegen, der in der Branche üblich ist.

Damm-Geschäftsführer Jens Göhner ist dennoch überzeugt, dass viele Fahrer und Lader in der für den neuen Entsorgungsvertrag gegründeten Tochterfirma Damm Entsorgung Südholstein GmbH (DESH) besser verdienen werden, als zuvor bei Grabau. „Für einen Mehrverdienst müssen dann aber auch erhebliche Überstunden geleistet werden“, ist Beat Sanne überzeugt. Andererseits wären bei einer Entlohnung auf Stundenbasis trotz diverser Zulagen aber auch Einkommenseinbußen denkbar.

Damm will 100 Mitarbeiter und 34 Fahrzeuge einsetzen

Die GEG wollte unterdessen ihren Mitarbeitern eine Perspektive bieten und stimmte deshalb Übernahmegesprächen mit Vertretern der DESH und der AWSH in ihren Räumen bereits Anfang dieses Jahres zu. „Es hatte ja keinen Sinn mehr, sich gegen das Unvermeidliche zu wehren“, sagt Stefanie Conte. Dass das für zusätzliche Unruhe in der Belegschaft sorgte und für eine erneute Gefährdung des Entsorgungsauftrags durch vorzeitige Abwanderung heraufbeschwor, wollte sie so nicht bestätigen.

Laut Jens Göhner sei Damm wichtig gewesen, den GEG-Mitarbeitern Sicherheit hinsichtlich ihrer beruflichen Zukunft zu vermitteln. „Wir wollen einen reibungslosen Übergang der Abfallentsorgung sicherstellen. Dazu braucht es Kollegen, die sich mit den Touren in beiden Kreisen auskennen und ihre Erfahrungen einbringen“, so der Manager. Außerdem kalkuliere Damm ja mit rund 100 Mitarbeitern und 34 Fahrzeugen. Auch diese Zahlen sollten für Entspannung bei Kunden und Kollegen sorgen.

Ob das Ausschreibungsverfahren indes tatsächlich ordnungsgemäß verlief, steht weiter infrage. Laut Informationen dieser Zeitung sollen Damm-Mitarbeiter schon vor Ende der Ausschreibung gewusst haben, dass Damm gewinnt.