Ahrensburg. 9085 Kinder im Kreis leben von staatlicher Unterstützung. Kinderschutzbund: Betroffene in vielerlei Hinsicht benachteiligt.

So viele Fähnchen musste der Kreisverband (KV) Stormarn des Deutschen Kinderschutzbunds noch nie mit Hilfe von Schülern in die Wiese vorm Ahrensburger Schloss stecken, um zu zeigen, für wie viele Kinder in Stormarn Hartz-IV-Leistungen oder der Kinderzuschlag in Anspruch genommen werden.

Aktion zeigt: Zunahme von Kinderarmut im Kreis Storman

„Als wir mit dieser Aktion gegen Kinderarmut vor 15 Jahren begonnen haben, waren es noch 1950 Kinder in Stormarn, heute sind es 9085“, zieht Birgitt Zabel, Vorsitzende des Kinderschutzbundes Stormarn, am Montagnachmittag in Ahrensburg die Bilanz.

Fast ein Drittel mehr bedürftige Kinder als 2019

Im Jahr der 20. Stormarner Kindertage verzeichnet der Kinderschutzbund mit knapp 29 Prozent mehr bedürftigen Kindern in Stormarn eine Steigerung von fast einem Drittel im Vergleich zum Vorjahr. „Mehr als 22 Prozent aller Kinder im Kreis sind arm, das ist mehr als jedes fünfte Kind“, so Zabel.

Grund für den markanten Anstieg ist die von der Bundesregierung 2019 vorgenommene Anpassung des Kinderzuschlags mit dem Starke-Familien-Gesetz. Er steht Familien zu, die zwar berufstätig sind, aber so wenig Geld verdienen, dass es für sie und ihre Kinder nicht zum Leben reicht.

Damit sie keinen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen für ihre Kinder stellen müssen, wurde der Kinderzuschlag eingeführt, auf den in Stormarn fast 4000 Kinder Anspruch haben und der laut Kinderschutzbund bereits für 3950 Kinder beantragt sei.

Alleinerziehend oder kinderreich sind Risikofaktoren

Betroffen von finanzieller Not seien vor allem Alleinerziehende und Familien mit vielen Kindern, so Zabel. „Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, die Armut verfestigt sich, der Handlungsdruck steigt.“ Die Auswirkungen der Corona-Krise wie Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit der Eltern seien in der aktuellen Betrachtung dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Stephanie Wohlers (v. l.), Ingo Loeding und Birgitt Zabel vom Kinderschutzbund sowie Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach und Kreispräsident Hans-Werner Harmuth.
Stephanie Wohlers (v. l.), Ingo Loeding und Birgitt Zabel vom Kinderschutzbund sowie Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach und Kreispräsident Hans-Werner Harmuth. © Petra Sonnag

„Wir haben jetzt schon mehr Familien in unseren drei Kinderhäusern im Kreis und aus dem spendenfinanzierten Familienhilfe-Notfonds versorgt, als im ganzen vergangenen Jahr“, sagt Stefanie Wohlers, Geschäftsführerin des KV Stormarn. 2019 seien aus dem Fonds rund 56.000 Euro für mehr als 1400 Kinder ausgeschüttet worden, um bei der Anschaffung von Schulmaterialien oder Kleidung zu helfen.

In Bad Oldesloe und Glinde sind 41 Prozent der Kinder arm

Berücksichtige man in der Statistik auch jene Kinder, deren Eltern staatliche Hilfen wie Wohngeld, Sozialhilfe oder Asylbewerber-Leistungen in Anspruch nehmen, wären insgesamt 9831 Kinder im Kreis von Armut betroffen, so Ingo Loeding, scheidender Geschäftsführer des KV Stormarn und Armutsexperte beim Kinderschutzbund. „Dann ist tatsächlich jedes vierte Kind in Stormarn arm.“

Traurige Spitzenreiter unter den Kommunen seien Bad Oldesloe und Glinde, wo jeweils 41 Prozent der Kinder von Hartz-IV-Leistungen leben. Aber auch in Ahrensburg, der zweitgrößten Stadt des Kreises, lebe mit 24 Prozent fast jedes vierte Kind in Armut, in Bargteheide seien es 15 Prozent.

„Kinderarmut ist Einkommensarmut“, sagt Loeding. Der Ausbau der Hartz-IV-Leistungen habe keinen positiven Effekt für Kinder gehabt. Die Kindergrundsicherung sei der einzige Weg, der das Wohl von Kindern sicherstellen könne.

Bildungsschere klafft durch Corona weiter auseinander

Die Armut treffe die Kinder in vielerlei Hinsicht, so Loeding. „Sie sind arm an Beziehungen, weil 15 Euro im Monat aus dem Bildungs- und Teilhabepaket nun mal nicht reichen, um an Aktivitäten wie Vereinssport oder Musikunterricht teilzunehmen.“

Sie seien darüber hinaus arm an gesunder Ernährung und an Kultur, weil auch diese eine Frage des Geldes seien. Und auch wenn der Zuschuss zu den Schulkosten von 100 auf nun 150 Euro erhöht worden sei, decke er die realen Kosten von 300 Euro pro Kind nicht.

Während des coronabedingten Homeschoolings wären die Kinder einkommensschwacher Familien mangels technischer Ausstattung zudem weiter ins Hintertreffen geraten. Loeding: „Die Bildungsschere ist durch Corona in Stormarn deutlich auseinander gegangen.“

Der Kinderschutzbund fordert deshalb unter anderem eine kostenfreie Bereitstellung von digitalen Endgeräten, Software und Druckern ebenso wie kostenfreie Freizeit-, Sport- und Musikangebote, kommunale Hilfsfonds sowie eine deutliche Reduzierung von Zuzahlungen für Eltern im Bildungssystem.

Hier finden bedürftige Familien Hilfe

Der Familienhilfe-Notfonds des Deutschen Kinderschutzbundes unterstützt Familien in finanzieller Not, beispielsweise mit dem Geld für ein Paar neue Winterstiefel, für Lebensmittel, einen Geburtstagskuchen oder neuen Kühlschrank.

Die Kinderhäuser Blauer Elefant helfen an ihren drei Standorten in Ahrensburg, Bargteheide und Bad Oldesloe beim Antrag auf Hilfe aus dem Fonds und bieten weitere Unterstützung in Form von Mittagessen, Hausaufgabenhilfe, Freizeitaktivitäten, Kleider- und anderen Sachspenden für Kinder. Sämtliche Angebote sind kostenfrei. Mehr Infos online unter www.dksb-stormarn.de oder unter Tel. 04532/28 06 88.