Ahrensburg. Verein Theater und Musik unterhält das Publikum mit neuem Programm aus Show, Schauspiel, Crossover, Kindertheater und Autorenlesung.
Der Berliner Künstler Tobias Wegner ist ein begnadeter Geschichtenerzähler. Nicht mit Worten, sondern mit einer universellen Sprache, die überall auf der Welt verstanden wird. Als Kommunikationsmittel nutzt er seinen Körper – wer jetzt an schlichte Pantomime denkt, liegt allerdings falsch: In der Ein-Mann-Show „Leo“ stellt Wegner die Wahrnehmung der Zuschauer auf die Probe, lässt sie an der Bedeutung von Begriffen wie oben und unten zweifeln. An diesem Sonntag, 13. September (20 Uhr), eröffnet der Künstler mit seiner Performance die Spielzeit des Vereins Theater und Musik in Ahrensburg.
Zeichnungen des Darstellers entwickeln Eigenleben
Den Inhalt des vielfach preisgekrönten Stücks beschreibt Wegner so: „Ein Mann findet sich plötzlich in einer Box wieder. Er ist völlig auf sich allein gestellt, versucht sich in der neuen Situation mit ihren spezifischen Herausforderungen zurechtzufinden.“ Dabei entdecke die Figur Talente, probiere sich im Tanzen, Musizieren und Zeichnen aus.
„Die gezeichneten Dinge erwachen in einem Video zum Leben. Dadurch entspinnt sich eine verrückte Geschichte“, sagt der Künstler. Die Animation sei in Zusammenarbeit mit einem Zeichner von der „Sendung mit der Maus“ entstanden. Die Videoprojektion auf einer Leinwand direkt neben der Kulisse ist Teil der Show. Das Bühnengeschehen ist auch auf der Leinwand zu sehen, allerdings aus einer ganz anderen Perspektive. Der Akrobat erläutert, warum: „Dadurch entsteht ein Kontrast. Was auf der Leinwand ganz leicht aussieht, enthüllt erst beim Blick auf die Bühne, wie schwierig die Umsetzung ist.“
Performance weist Parallelen zu aktueller Situation auf
Angelika Möller ist beim Verein Theater und Musik für die Sparte Schauspiel zuständig. Sie hat die Aufgabe vor einiger Zeit von der Vereinsvorsitzenden Sabine Schwarz übernommen. Vorerst kommissarisch, da die Wahl des neuen Vorstands wegen Corona auf Oktober verlegt werden musste. Die gelernte Buchhändlerin ist selbst eine begeisterte Theatergängerin. Sie sagt: „Die Absage der eigentlich für diesen Sonntag geplanten Aufführung von ,Alte Liebe‘ des Detmolder Theaters kam ziemlich kurzfristig.“
Ersatz musste her, und zwar schnell. Die Wahl fiel auf „Leo“. „Es spricht für die Professionalität des Teams, innerhalb von zwei, drei Wochen eine solche Performance auf die Bühne zu bringen“, so Möller, die das Spiel mit Illusionen und Schwerkraft „unheimlich spannend“ findet. Es passe auch gerade deshalb in Corona-Zeiten, weil es einen anderen Blick aufs Theater eröffne. Tobias Wegner teilt diese Einschätzung. Er sagt: „Das Stück hat witzigerweise tatsächlich etwas von Quarantäne.“ Dabei sei es sehr lustig und unterhaltsam, könne durchaus als Ode an die schönen Künste verstanden werden.
Jagd nach mehr Geld, Erfolg und Status ist in vollem Gange
Für die aktuelle Saison hat Angelika Möller neun Veranstaltung geplant. Am Freitag, 2. Oktober, steht ein Gastspiel der Hamburger Kammerspiele auf dem Programm, auf das sie sich besonders freut. „Glücklich in 90 Minuten“ heißt die musikalische Revue, in der sich alles um Sinn und Unsinn des Lebens und die persönliche Entwicklung des Einzelnen dreht. Während ein Coach einen Vortrag zum Thema Glück hält, wird er immer wieder durch das Klingeln eines Handys unterbrochen, denn einer seiner Zuhörer steckt mitten in den Verhandlungen zu einem lukrativen Geschäft.
Szenen liefern Einblicke in das Leben des Investmentbankers und werden prompt vom Coach als Fallbeispiele in den Vortrag übernommen. So entsteht ein amüsantes Wechselspiel zwischen Szenen, Musik und Vortrag, das die Hetzjagd nach mehr Geld, fetteren Deals und Statussymbolen infrage stellt.
Programm ist in Sparten Konzert und Theater aufgeteilt
Am Donnerstag, 19. November, stehen Anna & der Swing Klub auf der Bühne des Alfred-Rust-Saals. Die Hamburger Schauspielerin Anna Schäfer und ihre Combo interpretieren Musik der 20er-Jahre und Jazz-Klassiker auf neue, erfrischende Art. Angelika Möller sagt: „Ich habe mit Sabine Schwarz darüber gesprochen, dass wir auch vermehrt Crossover ins Programm aufnehmen wollen.“
Michael Klaue, beim Verein für das Konzertprogramm verantwortlich, komme sie damit nicht in die Quere. „Ich lasse die Finger von der Klassik, das ist sein Gebiet.“ Sie habe in dem Musiker einen tollen Kollegen gefunden, mit dem sie in regem Austausch stehe, so Möller.
Zur Weihnachtslesung kommt Frido Mann nach Ahrensburg
Am Dienstag, 1. Dezember, liest Frido Mann im Park Hotel (Lübecker Straße 10) aus seinem Buch „Das Weiße Haus des Exils“. Möller hat den Autoren bereits persönlich auf einer Lesung erlebt: „Er erzählt frei mit einer sehr warmen Stimme, geht auch auf Fragen des Publikums ein.“ Sie habe Mann als „wunderbaren, liebenswerten Menschen“ kennengelernt, ohne jede Allüren – untypisch für „einen Großen wie ihn“.
Im Februar geht es weiter mit einem seltener aufgeführten Schauspiel von August Strindberg: In „Fräulein Juli“ entwickelt sich ein erotisch aufgeladener Zweikampf zwischen Judith Rosmair und Dominique Horwitz. Der Charakterdarsteller ist ein Publikumsmagnet, der die Zuschauer durch seine Bühnenpräsenz und sein glaubwürdiges Spiel in den Bann zieht.
Hauptfigur in „Tyll“ tingelt mit Schaustellern durchs Land
Im März wird Eulenspiegel in „Tyll“ in die Wirren des 30-jährigen Krieges in Schleswig-Holstein versetzt. Vorlage ist der Roman von Daniel Kehlmann. Möller: „Das wird ein turbulenter Abend mit viel Gauklervolk auf der Bühne.“ Er zeige aber auch, wie ausgeliefert die Menschen in diesen Zeiten gewesen seien. „Es herrschte viel Willkür. Das Stück zeigt, wie der junge Mann versucht hat zu überleben.“
Für Kinder ist „Feuerwehrmann Sam – live“ vom Theater auf Tour gedacht. Es folgt das Schauspiel „Spatz und Engel“, in dem die Geschichte der Freundschaft zwischen Edith Piaf und Marlene Dietrich erzählt wird. Es ist der Nachholtermin für die Ende April wegen der Pandemie ausgefallenen Veranstaltung.
Darsteller bringen die großen Themen des Lebens zur Sprache
Im April setzen die Hamburger Kammerspiele mit dem Stück „Was man von hier aus sehen kann“ den Schlusspunkt hinter die Bühnenaufführungen des Vereins in der Spielzeit 2020/2021. Angelika Möller sagt: „Als Buchhändler hat man ja einiges gelesen und ich finde die Umsetzung des Stoffs fürs Theater spannend.“ In dem Zwei-Personen-Stück mit den renommierten Schauspielern Gilla Cremer und Rolf Clausen kämen große Themen wie Liebe und Tod zur Sprache. „Die beiden bringen das pragmatisch auf die Bühne, aber die Geschichte ist auch ein bisschen skurril“, so Möller. „Das Ganze spielt in einem kleinen Dorf und immer, wenn die Oma von einem Okapi träumt, stirbt jemand.“
Für Besucher aller Veranstaltungen gilt: Die Maske muss aufbehalten werden, bis sie auf dem jeweiligen Platz angelangt sind. Bei „Leo“ gibt es keine Garderobe, die Kleidung muss am Platz abgelegt werden. Das dürfte jedoch kein Problem sein, denn von den mehr als 400 Plätzen im Alfred-Rust-Saals können nach den geltenden Hygiene- und Abstandsbestimmungen gerade 162 belegt werden.