Glinde. Entwicklungsgesellschaft strebt Grundstückstausch mit Sportverein an. Beschaffenheit des Bodens macht den Parteien allerdings Sorgen.

Im jüngsten Bauausschuss hatte die Entwicklungsgesellschaft Gut Glinde ihren Wohnbauplan im öffentlichen Teil vorgestellt – auf Wunsch der Politiker, die nicht hinter verschlossenen Türen informiert werden wollten, nachdem diese Zeitung zuvor über das Projekt berichtet hatte.

Demnach soll der örtliche Sportverein 200 Meter weiter Richtung Norden umziehen, auf dessen Areal das Team um den Geschäftsmann Hauke Asmussen dann bis zu 600 Wohnungen bauen möchte. Die Ausschussmitglieder stellten viele Fragen, zu einer Diskussion kam es aus Zeitgründen aber nicht. Wie geht es jetzt weiter? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Was ist an der Straße Am Sportplatz geplant?

Hauke Asmussen, Matthias Sacher, der 2017 seinen Baustoffhandel in Glinde verkauft hat, und Birgit Lebender stehen hinter der Entwicklungsgesellschaft. In diese hat die in Hamburg lebende Frau Grund eingebracht. Das Trio möchte das Grundstück, auf dem die Fußball- und Tennisplätze des TSV Glinde beheimatet sind, gegen ein eigenes tauschen.

Auf der 40.000 Quadratmeter großen Fläche und einem 1,4 Hektar angrenzenden Areal, das der Entwicklungsgesellschaft gehört, sollen bis zu 600 Einheiten in Geschossbauweise entstehen – je zu einem Drittel Eigentums-, frei finanzierte und Sozialwohnungen.

Der TSV soll dafür Richtung Norden hinter dem Hotel auf 4,5 Hektar eine neue Anlage bekommen – mit zwei großen Kunstrasenplätzen sowie einem kleinen, zehn Tenniscourts, zwei Kleinfeldern und zwei Beachvolleyballplätzen. Ein zweigeschossiges Gebäude soll das alte Sportlerheim beim Tennisclub ersetzen.

Kann der TSV über Grundstückstausch entscheiden?

Nein. Das Gelände, auf dem der Sportverein aktiv ist, gehört der Stadt. Er hat die Fläche per Erbbaurechtsvertrag gepachtet. Maßgeblich ist, was die Politik will. Sie entscheidet auch, ob Bebauungspläne aufgestellt werden. Im Februar dieses Jahres hatten der 2700 Mitglieder zählende TSV Glinde und die Entwicklungsgesellschaft eine Zusammenarbeit bei dem Projekt vereinbart.

Dem hauptamtlichen Vorstandsvorsitzenden Joachim Lehmann wurde versprochen, dass der Sportverein bei Umsetzung des Vorhabens kein zusätzliches Geld in die Hand nehmen muss. Eine neue Anlage kostet geschätzt rund vier Millionen Euro. Auch die Stadt soll laut Entwicklungsgesellschaft nicht draufzahlen. Sie beziffert das Investitionsvolumen auf 190 Millionen Euro.

Wie soll Glinde überzeugt werden?

Zum Beispiel mit der Möglichkeit, eine kommunale Wohnbaugesellschaft zu gründen, die vor allem Grüne und SPD immer wieder zum Thema machen. Asmussen hat vorgeschlagen, 300 Wohnungen in eine solche einzubringen, 200 davon wären dann öffentlich gefördert. Auf einer Liste im Rathaus sind 300 Menschen registriert, die eine Sozialwohnung suchen.

Sacher und seine Mitstreiter haben diesbezüglich schon konkrete Gespräche mit potenziellen Partnern geführt. Er sagt: „Die Volksbank Stormarn würde bei einer Wohnbaugesellschaft miteinsteigen.“ Sacher und Asmussen haben den Parteien angeboten, auf Fraktionssitzungen zu erscheinen, dort Rede und Antwort zu stehen. Auf ihrer Homepage will die Entwicklungsgesellschaft Unterlagen präsentieren und somit Transparenz vermitteln.

Was ist das größte Projekt-Hindernis?

Bis 2015 war das Areal, auf das der TSV ziehen soll, eine sogenannte Altlastenverdachtsfläche, die 30 Jahre nicht bebaut werden durfte. Die ehemalige Kiesgrube wurde verfüllt, unter anderem mit Stoffen, durch die es zum Entweichen von Methan kam. Die Entwicklungsgesellschaft hat den Sachverständigen Jens Skowronek eingesetzt, der auch im Bauausschuss einen Vortrag hielt. Er sagt: „Ein Sportplatzstandort ist dort möglich unter Sicherungsmaßnahmen.“

Er nennt zum Beispiel Gassperren im Boden sowie Drainagen. Methan sei noch im Boden, eine Ausgangsmessung habe man nicht gemacht. „Das ist an der Oberfläche auch nicht zwingend erforderlich.“ Einen Bodenaustausch in bis zu 60 Zentimeter Tiefe nennt er als eine Möglichkeit und als weitere das Überschütten des Grunds.

Skowronek: „Die HafenCity in Hamburg hat eine höhere Methanbelastung. Dort wurden Wohnungen gebaut und die Gebäude unterkellert. Das ging bis in die organischen Weichschichten.“ Matthias Sacher verspricht, man werde weitere Untersuchungen machen. „Das ist mit dem Kreis Stormarn so abgestimmt.“ Die Behörde in Bad Oldesloe ist zuständig für das Thema Boden.

Verträgt die Stadt Hunderte neue Wohnungen?

In einem Grundsatzprogramm hat sich Glinde für ein Wachstum auf rund 20.000 Einwohner ausgesprochen. Die Grenze soll nicht in großem Maße überschritten werden. Derzeit leben 18.750 Menschen in der Kommune. „Ich rechne pro Wohneinheit mit zwei neuen Bürgern“, sagt Verwaltungschef Rainhard Zug. Allerdings ist das TSV-Gelände nicht der einzige Ort, wo Wohnungen entstehen sollen.

An der Ecke Möllner Landstraße/Am Sportplatz plant das Wohnungsunternehmen Semmelhaack 89 Wohnungen, davon 62 öffentlich gefördert, und 30 Reihenhäuser zur Miete. Die Politik hat den Bebauungsplan längst abgesegnet. Doch das Projekt am Gleisdreieck befindet sich in der Warteschleife, weil Anwohner ein Normenkontrollverfahren initiiert haben. Noch ist unklar, wann es losgeht.

Zudem gibt es ein Ortsmittekonzept. Zentraler Bestandteil der City-Neugestaltung ist die Schaffung von 300 Wohnungen, 100 davon öffentlich gefördert. Den entsprechenden Rahmenplan soll die Stadtvertretung am 27. August absegnen. Ob so viele Einheiten auch gebaut werden, ist nicht sicher.

Braucht Glinde mehr Kitas?

Bürgermeister Zug will zeitnah Gespräche mit Investoren führen und ausloten, ob Immobilienbesitzer zum Beispiel ihre Häuser zwecks Schaffung von Wohnungen aufstocken möchten oder womöglich auf ihrem Areal neue Gebäude beabsichtigen. „Man muss natürlich fragen, wie verträglich das alles ist“, sagt Zug und deutet damit auch auf die Infrastruktur hin.

Womöglich braucht Glinde dann mehr Kitas. Geld in Bildung hat die Stadt zuletzt viel investiert, allein 30 Millionen Euro seit 2010 in Schulen. Weitere 20 Millionen sind in den kommenden Jahren eingeplant, unter anderem für die Grundschule Tannenweg. Vier Millionen Euro entfallen auf die Digitalisierung.

Was sagen Glindes Politiker?

„Wir müssen uns zuerst ein Bild davon in der Fraktion machen“, sagt SPD-Fraktionschef Frank Lauterbach. „So, wie es vorgestellt wurde, haben wir noch tausend Fragen.“ Wohnungsbau sei prinzipiell gut, man könne über alles reden. „Das Gelände muss aber schadstofffrei sein, sonst geht mit uns nichts.“

Genauso argumentiert die Grünen-Fraktionsvorsitzende Petra Grüner: „Vorbedingung ist ein unabhängiges Gutachten zum Boden, erst dann können wir uns unterhalten.“ Wenn man diese Sache mal ausklammere, seien Punkte wie die kommunale Wohnungsbaugesellschaft ein verlockendes Angebot. „Und für den TSV wäre es auch ein Vorteil.“

Das findet auch CDU-Fraktionschef Rainer Neumann. Er sagt: „Und 600 neue Wohnungen würden ein Problem in Glinde lösen.“ Seine Partei sei solchen Projekten gegenüber immer offen. „Es kann aber nur funktionieren, wenn die Bodenbelastung vertretbar ist.“

FDP-Fraktionschef Thomas Kopsch sagt: „Wir stehen am Scheideweg und müssen uns wegen mehrerer Großprojekte überlegen, wo Glinde in Sachen Wachstum hin will. Ich bin aber skeptisch, dass insbesondere die Anwohner der Straße Am Sportplatz eine Wohnbebauung mittragen.“ Interessant sei, dass der TSV seine Probleme so lösen könnte. Ein unabhängiges Gutachten für das Areal sei für seine Partei Bedingung.

Zeitplan für TSV-Umzug und Wohnungsbau?

Eher einen Wunsch, denn die Entwicklungsgesellschaft will keinen Druck auf die Politik ausüben. Hauke Asmussen hofft, 2023 mit der Erschließung des Wohngebiets beginnen zu können. Zuvor müsste der TSV umgezogen sein.

Ob und wann es Beschlussvorlagen der Verwaltung für die politischen Gremien gibt, darüber will Bürgermeister Zug nicht spekulieren. Er sagt: „Bevor irgendetwas passiert, wird sich ein externes Büro das Gelände für die Stadt anschauen.“ Es seien noch so viele Dinge ungeklärt.