Grossensee. Unbekannter hetzt in Brief an Bürgermeister der Gemeinde gegen DLRG und droht dem Politiker mit Anzeige.
„Diese Art, mit unseren ehrenamtlichen Lebensrettern umzugehen, macht mich einfach traurig“, sagt Karsten Lindemann-Eggers und Entrüstung klingt in seiner Stimme mit. Vor wenigen Tagen erhielt Großensees Bürgermeister einen Brief, dessen Inhalt sprachlos macht: In dem Schreiben pöbelt ein Unbekannter gegen die Retter von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), die die Badeaufsicht am Freibad Südstrand führen. Der anonyme Absender droht dem Bürgermeister auch mit einer Anzeige.
„Der Absender, der sich als Anwohner des Sees bezeichnet, fühlt sich offenbar durch das Training der DLRG mit dem Motorboot gestört“, sagt Lindemann-Eggers. Er könne nachvollziehen, dass Anwohner gern ihre Ruhe hätten. „Aber die Formulierungen, die hier gebraucht werden, sind eine Zumutung, und das ist noch eine Untertreibung.“
Anonymer Absender spart nicht mit vulgären Ausdrücken
In dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt, spart der anonyme Absender nicht mit vulgären Ausdrücken. So heißt es etwa: „So, Lindemann-Eggers, wir haben die Schnauze voll!“ Und: „Einerseits ist der See für Wasserfahrzeuge gesperrt, aber andererseits ballert hier ständig die DLRG mit ihren Gummibooten übers Wasser.“
Wo die Boote herkämen und warum „die wie besenkte Sau“ auf dem See fahren dürften, möchte der Unbekannte mit orthografisch fragwürdigen Worten wissen. An einer anderen Stelle schreibt er: „Und dann den ganzen Scheiß immer schön auf Facebook posten. Geile Typen sind das.“
Durch Retter verursachter Lärm sei schon einmal Thema gewesen
Dann wird der Absender persönlich, schreibt an Lindemann-Eggers gerichtet: „Sieh zu, dass Du dem Treiben Einhalt gebietest.“ Andernfalls könne der Bürgermeister mit einer Anzeige rechnen. „Eine hohle Drohung ohne jede Rechtsgrundlage“, sagt Lindemann-Eggers. Der Politiker wird deutlich: „Es ist einfach feige, sich hinter der Anonymität zu verstecken.“ Lindemann-Eggers betont: „Man kann über alles reden, aber das setzt natürlich voraus, dass beide Seiten mit offenen Karten spielen.“
Der Lärm durch die Übungen der Lebensretter auf dem Großensee sei in seiner zwölfjährigen Amtszeit schon mal Thema gewesen. „Ich wurde hin und wieder von Anliegern des Sees darauf angesprochen“, so der Bürgermeister. Dabei handele es sich aber um einige wenige Bürger, ein Großteil der Großenseer habe mit den Trainingseinheiten kein Problem. „Ich habe deutlich gemacht, warum das Training so wichtig ist und verständnisvolle Reaktionen bekommen“, sagt Lindemann-Eggers. Eine Ahnung, wer Urheber des aktuellen Schreibens sein könnte, habe er nicht.
Entsetzen über das Schreiben ist auch bei der DLRG groß
Die Mitglieder der DLRG trainieren nach eigenen Angaben ausschließlich am Wochenende und dann für maximal eine Stunde. „Wir machen das alle ehrenamtlich, in der Woche arbeiten viele aus unserem Team“, sagt Jan Wrobel, Technischer Leiter bei der DLRG Stormarn. Die Lärmbelästigung versuche man so gering wie möglich zu halten. Das Training mit dem Gummiboot mit dem 30-PS-Motor sei unverzichtbar.
„Im Notfall müssen alle Handgriffe sitzen, da entscheiden Sekunden, ob ein Ertrinkender überlebt“, betont Wrobel. Und dazu sei es notwendig, auch Manöver mit höheren Geschwindigkeiten zu proben. Befinde sich ein Ertrinkender weiter draußen, außerhalb des 100 Meter messenden Freibadbereichs, sei er für die Retter nur mit Boot zu erreichen, bevor nach drei Minuten ohne Sauerstoff bereits die ersten Hirnzellen begännen abzusterben.
Das Entsetzen über das Schreiben ist auch bei der DLRG groß. „Es ist einfach schade, dass unsere Arbeit nicht von allen Bürgern wertgeschätzt wird“, so Wrobel. Zwischen Mai und September sind an jedem Wochenende mindestens fünf Ehrenamtler am Großenseer Südstrand im Einsatz.
Karsten Lindemann-Eggers hat inzwischen reagiert und auf der Internetseite der Gemeinde ein offenes Schreiben an den unbekannten Pöbler gerichtet. „Ich konnte das nicht unbeantwortet stehen lassen“, sagt er zum Abendblatt. Der Bürgermeister schreibt: „Gern hätte ich das Thema direkt mit der Absenderin/dem Absender besprochen, leider hat sie/er sich aber nicht getraut, mir gegenüber diese Vorhaltungen unter Angabe seines Namens zu äußern.“
In sozialen Netzwerken fanden Nutzer lobende Worte
Es sei selbstverständlich, dass die Retter sich mit dem Boot und dem Motor vertraut machen müssten, dazu gehörten auch Übungsfahrten mit hoher Geschwindigkeit. Andere Anwohner des Sees hätten die Vorwürfe des Unbekannten nicht nachvollziehen können. „Die in dem anonymen Brief aufgezeigte verbal äußerst negative und aggressive Reaktion konnte niemand nachvollziehen“, so Lindemann-Eggers.
In sozialen Netzwerken fanden zahlreiche Nutzer lobende Worte für die Reaktion des Bürgermeisters. „Chapeau Herr Bürgermeister! Eine fundierte und klare Antwort auf ein Schreiben, das fassungslos macht“, kommentierte eine Nutzerin einen Beitrag zu dem Thema auf einer örtlichen Facebook-Seite. „Gute Reaktion des Bürgermeisters. Mein Respekt gilt Herrn Lindemann-Eggers und den ehrenamtlichen Rettern des DLRG“, schrieb ein anderer. Die Kritik des Unbekannten stieß auf Unverständnis: „Was ist denn das für ein Umgangston?“, empörte sich eine Userin. „Auf welch perfide Ideen manche Menschen kommen. Unbegreiflich“, so ein anderer. Am Freitagnachmittag hatten bereits 126 Menschen den Eintrag kommentiert.