Ahrensburg. Jährlich mehr als 1100 Zusammenstöße. Anwendung Wuidi meldet Autofahrern Gefahrenstellen erstmals orts- und zeitabhängig.

Alle zwei Minuten passiert auf Deutschlands Straßen rein rechnerisch ein Wildunfall. Der Deutsche Jagdverband (DJV) geht zudem von einer hohen Dunkelziffer aus. In Schleswig-Holstein ist die Zahl der Kollisionen von Autos mit Rehen, Wildschweinen und Co laut Polizei innerhalb von acht Jahren um ein Viertel auf fast 17.600 gestiegen. Im Kreis Stormarn waren es zuletzt stets mehr als 1100 Unfälle jährlich. Um die Gefahr zu senken, startet jetzt die kostenlose Wildwarn-App Wuidi im nördlichsten Bundesland.

B 75 zwischen Oldesloe und Bargteheide ein Schwerpunkt

Marcus Börner, der Geschäftsführer des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein
Marcus Börner, der Geschäftsführer des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein © LJV SH

In die ständige Aktualisierung fließen die Erfahrungen von Jägern und Verkehrsteilnehmern ein. „Die Wildunfalldaten der letzten Jahre wurden vom Wildtier-Kataster Schleswig-Holstein gesammelt, ausgewertet und mehr als 500 Wildunfallschwerpunkte im Land ermittelt“, sagt Marcus Börner, Geschäftsführer des Landesjagdverbands. Das Kataster ist ein Projekt der Jäger und der Universität Kiel. Bundesweit haben bisher etwa 17.000 Nutzer mehr als 69.000 Funde gemeldet.

Der digitale Wildwarner informiert Autofahrer während der Fahrt erstmals orts- und zeitabhängig über Gefahrengebiete. In Stormarn zählen dazu unter anderem die B 75 zwischen Bad Oldesloe und Bargteheide, der Beimoorweg zwischen Ahrensburg und Hammoor sowie die B 404 bei Trittau und Todendorf.

Verkehrsteilnehmer sind verpflichtet, Wildunfälle zu melden

Die Warnung erfolgt entweder über die App per Smartphone oder dank Bluetooth-Kopplung direkt über das Auto. Dank eines Hintergrundmodus ist keine Bedienung während der Fahrt notwendig. Kommt es dennoch zu einem Wildunfall, erhält der Nutzer eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zum genauen Vorgehen und auf Basis der GPS-Lokalisierung die Kontaktdaten der zuständigen Polizeiwache und des Jägers. Dieser wird zudem automatisch über den exakten Unfallort informiert, kann so angefahrene Tiere schneller finden und gegebenenfalls von ihren Qualen erlösen.

Verkehrsteilnehmer sind gesetzlich verpflichtet, Wildunfälle sofort zu melden. Am schnellsten geht das unter dem Polizei-Notruf 110. Tiere dürfen keinesfalls mitgenommen werden – das gilt entweder als Wilderei oder als Diebstahl und kann entsprechend bestraft werden.

Wild sei überwiegend in der Dunkelheit unterwegs

Blaue Wildwarnreflektoren sind ein weiteres Signal.
Blaue Wildwarnreflektoren sind ein weiteres Signal. © T. Reinwald djv

Im registrierungspflichtigen Machmit-Bereich von Wuidi können Jäger und Autofahrer auch selbst aktuelle Daten eingeben. Das können eigene Unfälle sein, aber auch regelmäßige Sichtungen von Wildtieren an denselben Orten. „Die App ist eine gute Sache“, sagt der Stormarner Kreisjägermeister Uwe Danger. Zwar stehen an etlichen Gefahrenstellen bereits die Verkehrszeichen „Achtung Wildwechsel“. Die gehen aber häufig im Schilderwald unter, werden von Autofahrern kaum beachtet. Die Experten hoffen, dass die konkreten App-Warnungen in Echtzeit mehr Wirkung zeigen.

„Wild ist ja überwiegend in der Dunkelheit unterwegs“, sagt Uwe Danger. Deshalb sei die Wahrscheinlichkeit von Zusammenstößen zwischen Abend- und Morgendämmerung größer als tagsüber. An vielen Straßenleitpfosten seien auch blaue Wildwarner angebracht worden: Sie reflektieren das Scheinwerferlicht und sollen die Tiere so davon abhalten, auf die Fahrbahn zu laufen. Der Kreis Stormarn und die Hegeringe haben die Aktion finanziell unterstützt, sagt Uwe Danger.

Liebestolle Rehböcke treiben derzeit die Ricken vor sich her

In diesen Wochen sind vor allem Rehe unterwegs. Sie verursachen 82 Prozent der Unfälle mit größeren Tieren, gefolgt von Wildschweinen mit knapp 15 Prozent. Die liebestollen Rehböcke treiben Ricken oft kilometerweit vor sich her – ohne auf ihre Umgebung zu achten. Die Paarungszeit – Fachleute sprechen von Blattzeit – dauert bis Mitte August. Dem ersten Tier folge jetzt fast immer ein zweites.

Der Jagdverband empfiehlt, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Wer Tempo 80 statt 100 fährt, verkürzt den Bremsweg bereits um 25 Meter. Damit kann man noch rechtzeitig anhalten, wenn in 60 Meter Entfernung plötzlich ein Tier auf die Straße springt. Wer mit 100 km/h unterwegs ist und dann mit einem Wildschwein kollidiert, hat es mit einem Aufprallgewicht von 3,5 Tonnen zu tun – so viel wiegt ein Nashorn.

Ein eigener Zusammenstoß war es, der die drei aus Bayern stammenden Entwickler Alfons Weinzierl, Alexander Böckl und Jozo Lagetar auf die Idee für die Wildwarner-App brachte. Sie bieten auch einen Download aller Gefahrenabschnitte für Navigationsgeräte an. Dabei kooperieren sie mit der Plattform POIbase, die das Herunterladen auf mobile und fest eingebaute Navis mit wenigen Klicks ermöglicht.

Die App gibt es für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Internet: www.wuidi.com