Ahrensburg/Reinbek. Nitratbelastung des Grundwassers soll reduziert werden. Bauern befürchten Ertragseinbußen. Wird im Kreis nun mehr Mais angebaut?

Die neue Düngeverordnung, die der Bundesrat kürzlich beschlossen hat, könnte viele Landwirte in Stormarn in Existenznot bringen. Das jedenfalls befürchtet Peter Koll, Geschäftsführer des Kreisbauernverbands. Denn etwa die Hälfte der kreisweit rund 500 Landwirte bewirtschaftet Felder in sogenannten roten Gebieten. In diesen Bereichen weist das Grundwasser zu hohe Nitratwerte auf – und das gilt als gesundheitsschädlich.

Rote Bereiche befinden sich auch im Norden Stormarns

Um die Konzentration zu verringern, sollen in diesen Arealen künftig verschärfte Regelungen gelten. So ist zum Beispiel die Herbstdüngung verboten, zudem muss die Menge an Dünger pauschal um 20 Prozent reduziert werden.

Betroffen sind laut Kreisbauernverband Gebiete rund um Ahrensburg, Ammersbek, Tangstedt und Bargteheide sowie von Trittau über Grande und Witzhave bis nach Barsbüttel, Oststeinbek, Reinbek und Glinde. Weitere rote Bereiche befinden sich im Norden Stormarns entlang der Kreisgrenze zu Segeberg. „Teilweise verläuft die Abgrenzung mitten durch Ortschaften“, sagt Peter Koll.

Landwirte müssen Lagerkapazitäten schaffen

„Durch die neue Verordnung könnten viele landwirtschaftliche Betriebe in Existenznot geraten“, sagt Peter Koll, Geschäftsführer des Kreisbauernverbands.
„Durch die neue Verordnung könnten viele landwirtschaftliche Betriebe in Existenznot geraten“, sagt Peter Koll, Geschäftsführer des Kreisbauernverbands. © Julia Sextl

Dass sie ihren Düngereinsatz pauschal um 20 Prozent senken müssten, bedeute für die Landwirte „eine erhebliche Ertragsminderung“, sagt Koll. Das Verbot der Herbstdüngung treffe besonders Betriebe mit Viehhaltung hart. Sie könnten die Gülle und Jauche im Herbst nicht mehr nutzen, bräuchten dafür nun Lagermöglichkeiten auf ihren Höfen. „Innerhalb von neun Monaten müssen sie erhebliche Investitionen tätigen“, sagt Koll. „Denn bis Anfang 2021 sollen die neuen Vorgaben umgesetzt sein.“ Er befürchte, dass viele Betriebe dadurch in Existenznot geraten werden. Denn in den betroffenen Gebieten gebe es viele kleinere Betriebe, die nun eine große Last stemmen müssten.

Zudem werde sich die Verordnung konkret auf den Anbau auswirken, sagt der Geschäftsführer des Kreisbauernverbands. Und weiter: „Der Raps wird in Stormarn zurückgehen.“ Denn nach der Aussaat im Spätsommer werde bei dieser Nutzpflanze bereits im Herbst das Ertragspotenzial festgelegt, Dünger sei deshalb notwendig. „Schwach entwickelte Pflanzen werden nie den maximalen Ertrag bringen“, sagt Koll. Stattdessen, so prognostiziert er, werden künftig mehr Bauern auf Mais umsteigen. Dieser benötige eine deutlich geringere Stickstoffzufuhr, um zu wachsen. Er gehe zudem davon aus, dass die Bauern auch die Fruchtfolge umstellen werden.

Europäischer Gerichtshof hatte Deutschland im Juni 2018 verurteilt

Nach Einschätzung des Bauernverbands Schleswig-Holstein war eine Änderung des Düngerechts „unausweichlich“. Der Grund: Der Europäische Gerichtshof hatte Deutschland im Juni 2018 verurteilt, weil die Bundesregierung zu wenig gegen Nitrat im Grundwasser unternommen und damit EU-Recht verletzt habe. Ohne die Verschärfung hätten der Bundesrepublik hohe Strafzahlungen gedroht.

„Folgenschwer bleibt, dass die Bundesregierung sich gegenüber Brüssel frühzeitig auf eine pauschale Reduzierung der Düngung festgelegt hatte“, sagt Werner Schwarz aus Rethwisch, Präsident des Landesbauernverbands. „Daraus ergibt sich für viele landwirtschaftliche Betriebe eine schwere, kaum zu bewältigende Bürde.“

Land stellt 4,8 Millionen Euro Fördergeld bereit

Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) sagt: „Die Verschärfungen sind notwendig, um das derzeit stark nitratbelastete Grundwasser künftig besser zu schützen.“ In Schleswig-Holstein werden nach Angaben des Umweltministeriums mehr als 25 Millionen Tonnen Wirtschaftsdünger wie Gülle und Gärreste auf die Felder gebracht. Dieser intensive Einsatz führe zu einer starken Belastung des Grundwassers. Dieses ist wiederum problematisch, weil der Trinkwasserbedarf in Schleswig-Holstein laut Ministerium zu 100 Prozent über das Grundwasser gedeckt wird. Ziel solle künftig sein, „Düngemittel zeitlich und mengenmäßig so auszubringen, dass alle Nährstoffe von den Pflanzen weitestgehend aufgenommen werden können und Einträge in die Gewässer durch überschüssige Nährstoffanteile vermieden werden“.

Landwirtschaftsminister Albrecht hat bereits angekündigt, die Bauern mit einem Förderprogramm zum Nährstoffmanagement bei der Umsetzung der neuen Vorgaben unterstützen zu wollen. Es sieht vor, den Grundwasserschutz mit technischen und baulichen Verbesserungen zur gezielteren Nutzung der Nährstoffgehalte in der Gülle weiter zu optimieren. Zudem solle der Einsatz von Mineraldünger verringert werden. Bis 2022 will die Landesregierung dafür rund 4,8 Millionen Euro bereitstellen.

Wirtschaftliche Lage bei Landwirten sei ohnehin angespannt

Gefördert werden beispielsweise neue Lagerbehälter mit festen Abdeckungen, der Kauf von Gülleausbringungstechnik, der Bau von Festmistlagerstätten sowie die Errichtung von Erdbecken zur Sammlung von verunreinigtem Oberflächenwasser. Landwirte haben bis zum 30. Juni 2020 Zeit, einen Antrag auf Fördergeld zu stellen.

Peter Koll bleibt skeptisch. Nach drei schlechten Jahren wegen starker Nässe (2017) und zu viel Trockenheit (2018, 2019) sei die wirtschaftliche Lage bei den Landwirten sowieso schon angespannt.

Corona: Bauernpräsident schlägt Alarm

Unter dem Motto „Erntehilfe SH“ sind Schleswig-Holsteiner aufgerufen, Landwirte beispielsweise beim Spargelstechen und der Ernte der Erdbeeren zu unterstützen. Denn durch die Einreisebeschränkungen wegen der Coronapandemie können viele ausländische Hilfskräfte nicht nach Deutschland kommen. Werner Schwarz, Präsident des Bauernverbandes, befürchtet, dass diese Maßnahme nicht ausreichen wird, um den Mangel zu beseitigen. Der Rethwischer fordert, dass auch Asylbewerber in der Landwirtschaft arbeiten dürfen, bittet Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) um Unterstützung.