Ahrensburg/Kiel. Teilnahmequote von elf Prozent weit unter Landesdurchschnitt. An teilnehmenden Einrichtungen werden zudem nur wenige Schüler erreicht.
Für die SPD-Landtagsfraktion war der „Lernsommer.SH 2020“ von vornherein ein „Flop mit Ansage“. Nach dem Willen von Kultusministerin Karin Prien (CDU) sollten möglichst viele Schulen des Landes ihren Schülern mit Förderbedarf in den Sommerferien gezielt Lernangebote unterbreiten. Mit den konkreten Anmeldezahlen für die Initiative hat sich die Skepsis der Sozialdemokraten in vollem Umfang bestätigt. Von 791 staatlichen Schulen beteiligen sich landesweit nur 146, sprich 18 Prozent.
Nur ein Kreis verzeichnet geringere Quote
Der Kreis Stormarn liegt mit 7 von insgesamt 66 Schulen und einer Teilnahmequote von gerade elf Prozent noch mal deutlich unter dem Landesschnitt. Noch geringer fiel die Beteiligung nur im Kreis Rendsburg-Eckernförde aus: Hier sind 5 von 77 Schulen dabei, eine Quote von sechs Prozent. Die größte Teilnahmequote verzeichnen die Hansestadt Lübeck mit 37 Prozent, gefolgt von den Kreisen Neumünster und Steinburg (je 33), sowie den Kreisen Dithmarschen und Schleswig-Flensburg (je 32).
„Selbst an den teilnehmenden Schulen wird es nur für einen Bruchteil der Schülerinnen und Schüler Angebote geben“, sagt der Reinbeker Abgeordnete Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. „Und jene, die Hilfe am nötigsten hätten, werden in ihrer übergroßen Mehrzahl erst gar nicht erreicht“
Nicht so viele Schüler dabei wie erhofft
Wie recht der Gymnasiallehrer aus Reinbek hat, zeigt sich am Beispiel des Kopernikus Gymnasiums Bargteheide (KGB). Von den rund 500 Schülern der Orientierungs- und Mittelstufe hatten sich bis Ende der Vorwoche gerade mal 20 für die geplanten drei Lerngruppen angemeldet, zwölf aus den Klassen 7 bis 10, sowie acht aus den Klassen 5 und 6.
„Das sind tatsächlich nicht so viele, wie erhofft“, räumt KGB-Rektorin Brigitte Menell ein. Man dürfe allerdings nicht außer Acht lassen, dass der Aufruf für den Lernsommer sehr kurzfristig erfolgt sei und es sich hier um ein bislang ungeübtes Modell handele. „Im Übrigen ist aber jeder einzelne Schüler diesen Mehraufwand wert. Die zusätzlichen Lerneinheiten werden für die Beteiligten sicher zu einem echten Gewinn“, so Menell.
Wer teilnimmt, erhält individuelleren Unterricht
Richtig sei aber auch, dass manch Schüler, den die Fachschaften nach Auswertung des Homeschoolings gern dabei gehabt hätte, nicht erreicht werden konnte. So musste etwa die zweite Lerngruppe für die Orientierungsstufe, die für die dritte Ferienwoche terminiert war, mangels Anmeldungen komplett gestrichen werden.
„Die geringe Teilnehmerzahl hat indes auch eine positive Seite. Auf diese Weise können die anwesenden Schüler viel individueller und intensiver betreut werden“, sagt Daniel Nagel, Englischlehrer und Orientierungsstufenleiter am KGB. Er gehört zu jenen sieben Lehrern, die sich bereit gefunden haben, die Schüler in den Ferien an vier Tagen je vier Stunden zu unterrichten.
Vier der neun Stormarner Gymnasien sind dabei
Immerhin bieten vier der neun Stormarner Gymnasien zusätzliche Lerneinheiten in den Ferien an. Nicht dabei sind hingegen die beiden Berufsschulen in Ahrensburg und Bad Oldesloe sowie die sieben Förderzentren im Kreis. Von den 14 Gemeinschaftsschulen beteiligt sich nur eine einzige. Und von den 34 Grundschulen haben zwei Angebote gemeldet.
Auch im Süden Stormarns waren die Vorbehalte groß. Katrin Rabe, Leiterin der Grundschule Klosterbergen, verwies zum einen auf fehlende Ressourcen, zum anderen auf bereits intensiv geförderte Schüler mit Defiziten während des Lockdowns. Ihre Kollegin Karen Schmedemann, Leiterin der Grundschule Mühlenredder, setzt eher darauf, im ersten Halbjahr nach den Ferien pro Woche jeweils eine Stunde Deutsch und Mathematik zusätzlich zu unterrichten.
Zu wenig Zeit zur Vorbereitung des Lernsommers
„Ich kann die mangelnde Teilnahme am Lernsommer durchaus nachvollziehen“, sagte Andrea Aust, Kreisvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Leiterin der Emil-Nolde-Schule in Bargteheide. Um den „Lernsommer“ seriös vorzubereiten, habe an vielen Bildungseinrichtungen schlicht die Zeit gefehlt. Zudem sei der logistische Aufwand zur Abfrage der Eltern, deren Urlaubsplanung zumeist längst festgestanden habe, nicht von der Hand zu weisen.
„Berücksichtigen muss man zudem die Doppelbelastung der Lernkräfte durch das Homeschooling während des Corona-Lockdowns und den plötzlich wieder angelaufenen Präsenzunterricht“, gibt Aust zu Bedenken. Problematisch finde sie nicht zuletzt die Idee, Grundschüler durch externe, unbekannte Lehrkräfte betreuen zu lassen.
Philologenverband fürchtet Entwertung des Lehrerberufs
Kritisch sieht das auch der Philologenverband Schleswig-Holstein, die Vertretung der Gymnasiallehrer. „Mal abgesehen davon, dass Lehramtsstudenten und bereitwillige Referendare landesweit nur begrenzt zur Verfügung stehen, muss einer Entprofessionalisierung des Lehrerberufs durch wenig qualifizierte externe Kräfte entgegengewirkt werden“, sagt der PhV-Vorsitzende Jens Finger.
Wie die Prien’sche Initiative überhaupt polarisiert hat. So gibt es Schulleiter, die sich zur Teilnahme ihres Kollegiums am „Lernsommer“ erst gar nicht öffentlich äußern mochten, weil sie mögliche Anfeindungen fürchteten. Die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli sieht sogar „viel Porzellan“ im Verhältnis zwischen der Kultusministerin und den Schulleitungen zerschlagen: „Der Lernsommer ist an sich eine gute Idee, sie wurde aber schlecht umgesetzt.“ Vertrauen sei unter anderem deshalb verspielt worden, weil die Pädagogen viele Informationen zuerst aus den Medien und erst dann von ihrer obersten Dienstherrin bekommen hätten. „Der schwelende Konflikt mit den Lehrkräften wird die weitere Amtszeit von Frau Prien überschatten“, ist sich Midyatli sicher.