Bargteheide/Glinde. Viele Herausforderungen müssen bewältigt werden: Eltern mit Bedingungen unzufrieden. Mehrfachbelastung der Lehrkräfte steigt.

Seit Montag läuft die Phase 3 der schrittweisen Schulöffnungen nach dem Corona-Lockdown. Gab es bislang an den Stormarner Grundschulen nur Präsenzunterricht für die Viertklässler, so sind jetzt auch wieder die ersten bis dritten Klassen zurückgekehrt. „Von einem halbwegs normalen Schulalltag kann aber längst noch nicht die Rede sein“, sagt Andrea Aust, Leiterin der Emil-Nolde-Schule in Bargteheide. Die Sehnsucht nach Normalität sei zwar groß, bei Schüler und Lehrern wie den Eltern. „Doch wir befinden uns eben mitten in einem großen Experiment mit vielen Unwägbarkeiten“, so Aust.

Komplett neue Herausforderung ohne Erfahrungswerte

Genau das sei auch der Grund, weshalb sie sich als Kreisvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit Kritik an den Vorgaben durch das Kultusministerium bewusst zurückhalte. „Wir haben es hier mit einer komplett neuen Herausforderung zu tun, für die es keinerlei Erfahrungswerte gibt.“ Das gelte für die Pädagogen an den Schulen ebenso wie für die Mitarbeiter der Ministerien und Schulämter.

Dennoch fühlen sich einige Kollegen an anderen Schulen mit der Fülle an Auflagen allein gelassen. Diese Ansicht mag Aust nur bedingt teilen. „Ich finde es sogar gut, dass den Schulen bei der Umsetzung eigener Hygiene- und Abstandskonzepte weitgehend freie Hand gelassen wird“, sagt sie. Schließlich würden die Ausgangsbedingungen an den einzelnen Schulen hinsichtlich der Zahl der Schüler, der Lehrer und der zur Verfügung stehenden Räume zum Teil deutlich differieren.

Zeitlichen Unterschiede im Präsenzunterricht eklatant

Dennoch sind die zeitlichen Unterschiede für den Präsenzunterricht an den Schulen in den Kernfächern Deutsch, Mathe, Sachunterricht und Englisch eklatant. Es gibt Grundschulen im Kreis, an denen die Schüler nur an einem Tag pro Woche zwischen zweieinhalb und drei Zeitstunden unterrichtet werden. Auf der anderen Seite bietet etwa die Grundschule Grönwohld im Amt Trittau für alle Klassenstufen zwei Zeitstunden täglich an.

Obwohl das Gros der Klassen in Lerngruppen mit 10 bis 12 Schülern geteilt worden ist, bleibt es eine Hauptaufgabe, die Schüler immer wieder auf die Abstandsregeln hinzuweisen. „Vor allem in den Pausen und beim Aufenthalt im Freien“, weiß Jan Rothenberg, Klassenlehrer einer ersten Klasse. Zwar sei der Außenbereich der Emil-Nolde-Schule vorsorglich in vier Areale aufgeteilt worden. „Dennoch muss man die Kinder fortwährend ermahnen, Abstand zu halten“, sagt Rothenberg. Dabei liege es doch in deren Natur, miteinander zu spielen und den gegenseitigen Kontakt zu suchen: „Die meisten haben sich nach der langen Zeit richtig gefreut, ihre Klasen- und Spielkameraden endlich wiederzusehen. Da ist es einfach schwierig, sie voneinander fernzuhalten.“

Sozialen Kontakte im Klassenverbund sind wichtig

Dass die Pandemie-Beschränkungen Spuren bei den Schülern hinterlassen haben, spürt auch Birgit Graumann-Delling, Leiterin der Grundschule Bünning­stedt in Ammersbek: „Man merkt schon, wer zu Hause abgekapselt gelebt hat und kaum Kontakt nach draußen hatte. Aber genau dafür ist die persönliche Begegnung hilfreich. Was das Kind braucht, sehe ich im direkten Kontakt. Als Lehrer kann man wieder Wärme herstellen in dieser besonderen Zeit.“

Andrea Aust zeigt die Kennzeichnung jener Bereiche, die von den Schülern einer bestimmten Lerngruppe nicht genutzt werden dürfen.
Andrea Aust zeigt die Kennzeichnung jener Bereiche, die von den Schülern einer bestimmten Lerngruppe nicht genutzt werden dürfen. © Lutz Kastendieck

Über den Wert des stark reduzierten und komprimierten Präsenzunterricht lässt sich unterdessen trefflich streiten. Das weiß auch Andrea Aust. „Tatsache aber bleibt, dass die sozialen Kontakte im Klassenverbund wichtig sind für die Kinder. Und auch für viele Eltern, die durch das Homeschooling ebenfalls in besonderer Weise gefordert sind“, erklärt die Bargteheider Schulleiterin.

Glinder Grundschule hat Schichtbetrieb eingeführt

Deshalb habe sie durchaus Verständnis für den Unmut jener Eltern, die mit den momentan von den Schulen angebotenen Stunden unzufrieden seien. „Den meisten Eltern ist mit den wenigen Stunden nicht geholfen“, sagt Stefan Scheuermann, Vorsitzender des Kreiselternbeirats für Grundschulen im Kreis Stormarn. Zudem seien Inklusionskinder bei all dem noch nicht einmal berücksichtigt, da ihre Schulbegleiter noch nicht in die Schulen dürften. „In Gegenden, wo die Kinder sonst den Schulbus nutzten, sind nun die Eltern als Fahrdienst gefordert. Wenn die Kinder aber nur zwei Stunden in der Schule sind, ist man mehr mit Fahren beschäftigt als im Homeoffice arbeiten zu können.“ Die stundenweise Beschulung helfe weder den Eltern noch den Kindern.

„Wir versuchen, so viel Präsenzunterricht wie möglich zu gewährleisten“, sagt Sabine Walther, Schulleiterin an der Grundschule Tannenweg in Glinde. Auf zehn Prozent ihres Kollegiums müsse sie verzichten, da sie zur Risikogruppe zählten. Seit drei Wochen sind die Viertklässler zurück. Weil nun die anderen Jahrgänge dazu gekommen sind, musste Walther die Stundenumfänge anpassen: Erst- und Viertklässler kommen an vier Tagen für anderthalb Stunden, Zweit- und Drittklässler zweimal wöchentlich für zwei Stunden – verteilt auf Früh- und Spätschichten von 8 bis 10 Uhr und von 11 bis 13 Uhr.

Homeschooling erfolgt in unterschiedlicher Qualität

„Mir lagen die Erstklässler am Herzen, sie brauchen genauso viel Beachtung wie die Viertklässler“, sagt Walther, die an manchen Tagen 13 Gruppen koordinieren muss. Während der Homeschooling-Phase blieb ihr außer der Kommunikation übers Handy der Eltern kaum Gelegenheit zum persönlichen Kontakt. Dabei weiß sie: „70 Prozent des Lernens geht über die Beziehung.“ In Glinde seien die Eltern froh, dass die Kinder wenigstens wieder stundenweise von ihren Lehrern unterrichtet werden. Telefonate und zugeteilte Arbeitsunterlagen könnten die Qualität der direkten Begegnung nicht ersetzen, so Walther.

„Das Homeschooling ist von den Schulen bisher sehr unterschiedlich begleitet worden“, sagt Stefan Scheuermann. Teilweise seien Schüler und Eltern aber sehr auf sich gestellt gewesen. „Manche Lehrer scheinen mit der Situation überfordert zu sein, die Versorgung der Kinder mit Aufgaben war teilweise sehr dürftig.“ Laut Sabine Knuth, Leiterin der Grundschule Am Reesenbüttel in Ahrensburg, soll die Rückkehr der Schüler an die Schulen das Bearbeiten der Homeschooling-Aufgaben erleichtern.

Lehrer aus Risikogruppen dürfen nicht in Schule kommen

„Durch die Aufteilung der Klassen in mehrere Gruppen brauche ich aber mehr Personal. Gleichzeitig habe ich aber Kollegen aus Risikogruppen, die nicht in die Schule kommen dürfen, und Teilzeitkräfte, deren Stunden schon fürs Homeschooling gebraucht werden“, erläutert Knuth. Deshalb sei mehr Präsenzunterricht derzeit schlicht nicht zu leisten. Dass die Lehrkräfte zwischen Präsenzzeiten, Vor- und Nachbereitung des Homeschoolings und den Aufgaben in der Notbetreuung nicht aufgerieben werden, darin sieht die Bargteheider Schulleiterin Andrea Aust ein Problemfeld, das im Auge zu behalten sei.

Der Kreiselternbeirat erhofft sich für das kommende Schuljahr eine bessere Vorbereitung und Begleitung. „Das Umfeld der Schüler muss bekannt sein, um individuelle Maßnahmen zur Beschulung aus der Ferne ergreifen zu können“, sagt Stefan Scheuermann. Es brauche ein Konzept, wie den Kindern unter solchen Umständen neue Inhalte vermittelt werden können, um die Lücken nicht noch größer werden zu lassen.