Bad Oldesloe. Zahl der Corona-Infizierten geht weiter zurück. Ermittler der Gesundheitsbehörde schickten 1408 Kontaktpersonen in Quarantäne.

Die Zahl der Stormarner, die sich mit dem Covid-19-Virus infiziert haben, liegt seit nunmehr einer Woche unverändert bei 408. Eine andere Zahl, die bisher kaum kommuniziert wurde, ist nicht minder interessant: Aktuell gibt es noch 51 Kreisbewohner, die an Corona erkrankt sind. Das ist der niedrigste Stand seit dem 23. April, als das Gesundheitsamt mit 240 Infizierten den absoluten Höchststand an gleichzeitig Infizierten registrierte. Am 2. Mai war die Zahl erstmals unter 100 gesunken.

Martina Hartwig gehörte zu den ersten Mitgliedern

„Containment Scouts haben beim Kampf gegen die Pandemie Großes geleistet“, sagt Henning Görtz, Landrat des Kreises Stormarn.
„Containment Scouts haben beim Kampf gegen die Pandemie Großes geleistet“, sagt Henning Görtz, Landrat des Kreises Stormarn. © Lutz Kastendieck

Landrat Henning Görtz wertet das als Beleg dafür, dass die Abstandsgebote und Hygieneregeln ihre Wirkung entfalten und sich die überwiegende Mehrheit der Bürger den Maßnahmen nicht verweigert. Es habe insgesamt eine große Akzeptanz für die notwendigen Einschränkungen gegeben und die seit Montag geltenden Lockerungen der Auflagen erst möglich gemacht. „Mein ausdrücklicher Dank gilt allerdings auch den Mitarbeitern des Gesundheitsamtes, die in den vergangenen Wochen bei der Nachverfolgung von Kontaktpersonen der Infizierten Großes geleistet haben“, sagt Görtz dieser Zeitung.

Containment Scouts heißen jene Ermittler im Fachjargon. Martina Hartwig gehörte zu den ersten Mitgliedern des neu gebildeten Teams, das am 13. März seine Arbeit aufgenommen hat. Normalerweise ist sie Ärztin im Kinder- und Jugendmedizinischen Dienst des Gesundheitsamtes. „Es war schnell klar, dass alle zur Verfügung stehenden Kräften in diese wichtige Aufgabe eingebunden und andere Aufgaben erst einmal zurückgestellt werden müssen, der Infektionsschutz hatte absoluten Vorrang“, sagt die 54-Jährige.

Kontaktaufnahme erfolgt in der Regel per Telefon

Am Anfang sei es schwierig gewesen, ein stringentes System der Erfassung und Auswertung zu etablieren. Durch die rasant steigende Zahl an Infizierten und deren fehlender Erfahrung im Umgang mit der Pandemie sei es wegen begrenzter Personalkapazitäten zu einem immensen Rechercheaufkommen und einer daraus resultierenden, „unglaublichen Datenflut“ gekommen.

Zu dieser Zeit wurden bedenkenlos Familienfeiern und gesellige Runden besucht, Kitas und Schulen waren noch geöffnet. „Auf einen Indexpatienten, also einen Infizierten, kamen schnell fünf bis zehn potenziell gefährdete Kontaktpersonen, die als Träger des Virus wiederum selbst Infektionen auslösen können“, erklärt Hartwig.

Deshalb wird nach Kenntnisnahme eines bestätigten Covid-19-Falls umgehend Verbindung mit der infizierten Person aufgenommen. Das erfolgt in der Regel per Telefon oder E-Mail, damit sich die Scouts nicht selbst infizieren. Schnelligkeit ist bei dem Procedere geboten, um die Infektionskette möglichst rasch unterbrechen zu können. „Da wir bei der Recherche wegen der langen Inkubationszeit bis auf zweieinhalb Tage vor Feststellen der ersten Symptome zurückgehen, ist für eine effiziente Nachverfolgung der Kontakte wichtig, dass sich die Infizierten möglichst genau erinnern, wann sie sich wo infiziert haben und auf wen sie das Virus dann selbst übertragen haben könnten“, erläutert Hartwig.

Bis Mitte März wurden 3500 Kontaktpersonen erfasst

Für diese Art von Recherche bedürfe es viel Empathie und Einfühlungsvermögen, so die erfahrene Ärztin. Nicht jeder Infizierte sei ohne weiteres bereit, Dritten detaillierte Einblicke in die Privatsphäre zu gewähren. „Das ist aber nötig, um die Qualität der Kontakte bewerten und entsprechend reagieren zu können“, sagt Martina Hartwig.

Laut Christiane Clobes, Leiterin des Gesundheitsamtes, sind seit Mitte März 3500 Kontaktpersonen erfasst und in 1408 Fällen Quarantäne angeordnet worden. „Letztlich mussten wir nicht mit allen Kontaktpersonen persönlich Verbindung aufnehmen. Entscheidend ist vielmehr die Qualität, die Intensität des Kontakts und ob es im Kontaktkreis Personen mit Vorerkrankungen gibt oder sie einer der bekannten Risikogruppen angehören“, so Clobes.

Land stellt fünf Millionen Euro für Corona-Ermittler bereit

Es gab extreme Fälle, in denen mussten bis zu 50 Kontaktpersonen gecheckt werden. „Da war der Infizierte tatsächlich nur die viel zitierte Spitze des Eisbergs. Teilweise hat man sich gefühlt, wie in einem Callcenter“, gesteht Martina Hartwig. Schnell sei jedenfalls offenbar geworden, dass die begrenzten Personalkapazitäten nicht ausreichten, um die Aufgabe effizient und zielführend zu erledigen. Dabei kam der Kreisverwaltung ein glücklicher Zufall zupass. Auf eine Stellenanzeige als Telefonistin hatte es viele, vornehmlich Bewerberinnen gegeben. Die schließlich auch bereit waren, als Containment Scouts anzuheuern. Anfang Mai konnten zehn Mitarbeiterinnen verpflichtet werden, die vorerst befristete Verträge bis zum Jahresende unterschrieben haben.

Auf Vorschlag von Gesundheitsminister Heiner Garg stellt das Land fünf Millionen Euro bereit, damit die Gesundheitsämter der Kreise und kreisfreien Städte bis zu 100 weitere Corona-Ermittler einstellen können. „Je konsequenter und besser die Nachverfolgung von Kontaktpersonen zu Covid-19-Patienten gelingt, desto eher schaffen wir eine wirksame Eindämmung der Epidemie“, ist Garg überzeugt. Den Mitarbeitern in den Gesundheitsämtern komme aus seiner Sicht eine Schlüsselrolle im Kampf gegen das Virus zu. Deshalb sei es folgerichtig, sie mit zusätzlichen Kräften zu unterstützen.